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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 101 - Nr. 110 (3. Mai - 14. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0016
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lersteheü. Das N e i ch s fi n a n z m i n i st e r i u m, das über sie
verfügt, hat schon aus finanztechnischen Gründen das größte Inter-
esse, das Aörüsten zu beschleunigen. Die Zeitfreiwilligen
faden bereits Anfang April den Befehl zur Auflösung erhalten.

Die Bermiichenmg der Reichswehrtvuppen !m Ruhrgebiet,
Berlin 4. Mai. Wie die,.,N. B. Li-Ztg." von zuständiger
Seite erfahrt, öesreh: fteyrMLeier Anlaß zu der Hoffnung, daß die
Räumung Frankfurts und des Maingaues durch
die Franzosen nicht ?.Er iarvge ans sich warten lassen wird. Die
Gründe, arrf die Hrattkrsch fernen Einmarsch in den Mamgau
stütz« .zu kon'E MLuhie, Kni» nunMchr restlos beseitigt.
Dle »EärÄche Lage 6» Rührre-vi«r bietet setzt folgendes
Brlv: Nö r dl ich der Ruhr ist die Ruhe mit Hilfe der R e i ch s -
wehr wieder hergestellr und die Rückfschrung der dort verbleiben-
de:! Verbände auf das uns vertraglich zugebilligke Maß von
20 Bataillonen, 10 Eskadrons und 2 Batterien ist in vollem Gange.
Zu diesen Truppen kommt noch das für die Aufrechterhaltung der
Drdnung nötige Aufgebot an grüner S i ch e r h e i t s w e h r, die
für den Poiizeidienft eingestellt wird. Auch südlich der Ruhr
war die Reichswehr bereit, für völlige Wiederherstellung der Ord-
nung zu sorgen, doch hat der preuhische Minister des Innern erklärt,
bah er dazu der Reichswehr nicht mehr bedürfe, Hatz
vielmehr zu solchen Zwecken genügend grüne Sicherheitswehr vor-
oanden sei. So ist nur Düsseldorf mit seiner ordnungsmäßigen
Garnison an Reichswehr wieder besetzt worden. Die Entmili-
tarisierung des Belagerungszustandes, die allent-
halben durchgeführt ist, hat, wie un^versichert wurde, wesent-
lich dazu beigelragen, die Be ruhigung zu fördern.

Der Redchswirtschastsrat.
Berlin, 4. Mai. (Priv.-Tel. d. N. B. L.-Ztg.) Der Reichs-
wtttschaftsrat wirk wahrscheinlich bereits im Juni zu seiner « r -
st c n Tagung zusammentreten.

Ausland»
Der Streik in Frankreich.
Basel, 4. Mai. (Priv.-Tel. d. N. B. L.-Ztg.) Paris ist
heute ohne Zeitungen. Die Zeitungen liegen zwar fertig in
den Druckereien, aber sie dürfen aus den Gebäuden nicht heraus-
gebracht werden. Die Gebäude werden von den Zestungsverkäufern
belagert, die jeden Vertrieb der Zeitungen hindern. Der Streik
d e r Ei sen b a h n e r da uert fo r t. Man schätzt die Zahl der
in Paris und Umgebung im Ausstand befindlichen Eisenbahner auf
12 000. Aus einigen Seestädten wird ein teilweiser Streik
der Seeleute gemeldet. Die Regierung ist nach wie vor ent-
schlossen, mit verschärften Maßregeln gegen die Streikenden
vorzugehen und sieht der Streikbewegung im Transportgcwerbe
mit Zuversicht entgegen.

Gegner der Politik Nittis.
Basel, 4. Mai. (Priv.-Tel. d. N. B. L.-Ztg.) In vielen
, Kreisen Italiens wird die Lage des Kabinetts Nitti «rnst beur-
teilt. Die katholische Volkspartei hält einer römischen
Nachricht zufolge die Beschlüsse der letzten Parteikonferenz geheim,
doch verlautet, daß die Neigung, Nitti fallen zu lassen, vorwiegt.
Die Ursache wäre einesteils die angeblich allzugroße Nach-
g i eb i gk e it der Regierung g e g e n üb e r den S o z ia l i st e n,
anderseits die Befürchtung, daß Italien in Sa Remo von der
von der Partei geforderten Außenpolitik abgewichen sei. Die
Regierung wird versuchen, vor der Kammereröffnung mit Jugo-
slawien ins reine zu kommen.

Die japanisch-deutschen Beziehungen
Dem „Bert. Tageblat t" wird über eine Aussprache mit
einem Mitglied der japanischen Mission in Berlin von ihrem bl. 2.
Mitarbeiter Mitteilungen gemacht, aus welchen wir einiges ent-,
nehmen.
Zu der Schantungfrage, in der Japan, China und Deutschland
durch den früheren Pachtkesitz in Tsingtau interessiert sind, erklärte
der japanische Delegierte:
Die Japaner haben erst vor einiger Zeit wieder in unzweideu-
tiger Form eine Erklärung dahin abgegeben, daß sie diese Okkupation
nichtals dauernd, sondern nur als zeitweise betrachten. Sie
haben sich mehrmals an die ch in es i s ch e R e g i e r u n g mit der
Bitte gewandt, in Verhandlungen mitIapan wegen der
Rückgabe des Gebiets von Schantung an die chinesische Republik
einzutreten. Als Verhandlungsgrundlage ist von feiten der japani-
schen Regierung in Aussicht genommen: zunächst die sofortige Zu-
rückziehung der japanischen Truppen aus Schantung; auch die japa-
nische Aivilverwaitung soll abberufen werden und nur die Sch an-
tu n ge ise nb ah n und die der Schantunggesellschaft
gehörenden umfangreichen Bergwerks- und Landrechte sol-
len von Japan und China gemeinschaftlich verwaltet
werden. Artikel 156, Abs. 2 und 3 des Friedensvertrags regelt ine
Fragen der öffentlichen Ansprüche Deutschlands imPachtgebiet
v o n K ia u ts chv u, die samt und sonders auf Japan über-
gegangen sind. Aber die Frage der deutschen Privatansprüche
harrt noch der Klärung, da die S ch a ntu n g - B a hn u. B e r g-
werksgeseilschaft eine Aktiengesellschaft, also ein Privat-
unternehmen ist. In diesem Falle will die japanische Regierung in
! v y al er W eis e d i e En tsch ä d i gu n g festsetz en lassen,
und zwar, wie der Friedensvertrag vorschreibt, in der Form, daß der
Wedergutmachungsausschutz dem deutschen Wiedergutmachungs-
konto den betreffenden Betrag in mexikanischer Dollarwährung zum
Zwecke der Abfindung der Schantungbahn-Mtiengesellschaft gut-
schreibt. In japanischen amtlichen Kreisen wird ausdrücklich betont,
daß die für die Schantungbahn gutzuschreibende Entschädi-
gung lediglich die Abfindung privater Rechte dar-
stellt. Wenn also nach Prüfung der Frage des privatrechtlichen
Charakters der Schantungbahn eine Entschädigung gutgeschrieben
wird, so wird auf japanischer Seite angenommen, daß diese auch zur
Befriedigung der Privatrechte seitens der deutschen Regierung
verwendet wird, wie dies im Friedensvertrag vorgeschrieben ist.
Die Entscheidung dieser Frage dürste in nächster Zeit fallen.
Einen zweiten wichtigen Punkt der Unterredung bildete die
sibirische Frage. In Sibirien herrschen! augenblicklich die japanischen
Truppen. Nach japanischer Auffassung war die Sendung der ja-
panischen Truppen nach OWbirien unumgänglich notwendig, weil
L eb e n, S ich e r h e it und Eigentum der japanischen Staats-
angehörigen, die sich in bedeutender Anzahl in Sbirien befinden,
stark gefährdet waren. Wer schon am Tage des Einzugs
der japanischen Truppen gab die Regierung in Tokio bekannt, daß
Japan jederzeit bereit sei, seine Truppen aus OWbirien zurückzuzie-
hen, wenn Ordnung und Sicherheit in diesem Land wiederherge-
stellt seien. In Amerika brachte man dieser Versicherung der
japanischen Regierung st arkes Mißtrauen entgegen, da man
glaubte, daß bis zur Abberufung der japanischen Streitkräfte aus
Sibirien viele Jahre vergehen könnten. Um dies Mißtrauen zu zer-
stören, hat die japanische Regierung jetzt eine öffentliche
diplomatischeErklärung abgegeben, in der sie betont, daß
es ihr aufrichtiger! Wunsch sei, ihre Truppen aus OWbirien zurückzu-
ziehen, sowie in Korea und in der Mandschurei sich die Verhältnisse
gebessert hätten; daß sie ferner keinerlei Annexionen be-
absichtigen. Was die Besetzung der Stadt Wladiwostok an-
langt, so verlangt Japan, daß diese Stadt und ihr« Umgebung unter
internationale Kontrolle gestellt wird. Die Stimmung in Japan ist
nach der Vevsicheruna des japanische» Staatsmannes Deutschland

gegenüber durchaus gut. In japanischen Handels- und Industrie-
kreisen beabsichtigt man, so bald als möglich wieder wirt-
schaftliche Beziehungen zu Deutschland anzuknü-
pfen. Den Anfang zur Aufnahme der Wirtschaftsbeziehungen hat
Japan schon gemacht. Von Rohmaterialien will Japan zu-
nächst Kupfer und Seide in größeren Mengen liefern. Als Aus-
tauschprodukte soll Deutschland Kali und Chemikalien liefern. Er-
schwerend wirkt allerdings die Entwertung dec deutschen Valuta,
die eine Minderung um das 14—Ibfache erfahren hat. So wird
es sich zunächst nur umAustausch geschäfte handeln. Ja-
pan aber wird — gemäß den Grundsätzen der Loyalität, die seine
Politik im ganzen leiten — hierin nicht kleinlich verfahren.


WNMiWWWer!
In diesen Tagen sind von der Polizei die Haus-
Aufnahmebogen für die Aufstellung der Wählerlisten
ausgegeven worden.
Alle Wähler haben ein großes Interesse daran, daß
diese Aufnahmebogen auch zu Händen der Mieter kommen.
Es ist bekannt geworden, daß eine große Zahl von
Hauseigentümern ihre diesbezügliche Aufgabe sehr lax auf-
fassen — ob mit oder ohne AbsWt, entzieht sich unserer
Kenntnis — deshalb muß jeder Wähler selbst darauf be-
dacht sein, daß sein und seiner wahlberechtigten Familien-
angehörigenNamen in diese Fragebogen ausgenommen werden.

Darum die Augen auf!


Aus dem Parteileben.
Maifeier in Köln.
Die, riesigen Massenversammlungen, m denen unsere Kölner
Parteigenossen den 1. Mai begingen, faßten alle einstimmig die fol-
gende Resolution:
Die sozialistischen Hand- und Kopfarbeiter Deutschlands
grüßen am 1. Mai das Proletariat der ganzen Welt und fühlen
sich mit ihm brüderlich vereint in dem Kampf um die Befreiung
der Vvlksmassen von jeglicher Knechtschaft. Das deutsche Prole-
tariat wird seine ganze Kraft einsetzen, um die Errungenschaften
der Demokratie zu verteidigen und auszubauen, um dem Sozialis-
mus die Wege zu ebnen. Es erwartet von den breiten Volks-
massen aller übrigen Länder, daß sie ihm beistehen werden, eine
Revision des Versailler Machtfriedens 'herbeizuführen, denn nur
dadurch kann das deutsche Volk wieder gesunden und die Welt
den endgültigen Sieg über Militarismus und Kapitalismus er-
ringen
Wir bekennen uns heute an dem Weftfeiertag der Arbeit, er-
erneut zu den großen Menschheitsideen des Sozialismus. Wir ge-
loben aufs neue, unermüdlich für sie zu wirken und zu kämpfen.
Wir schwören, gegen alle Feinde des Volkes bis zu -ihrer Zer-
schmetterung die Waffen zu führen. Es lebe der Wettfeiertag
der Acbett! Hoch der internationale, völkerbefreiende So-
zialismus!
Protest gegen die llrbernahme des Genossen Roste und Heine auf
Reichswahlliste.
Eine Kreiskonferenz in Köln am Sonntag, 25. April, stimmte
einem Vorschläge des Abg. Gen. Sollmann über unsere Taktik
bei den. bevorstehenden Reichstagswahlen ohne Diskussion einmütig
zu. Sollmann hatte u. a. die Forderung erhoben, daß die Kandi-
daten für die Reichswahlliste von der Reichskonferenz bestimmt
werden sollen. Er sprach sich dagegen aus, daß man die Genossen
Heine und Noske, deren Verdienste er anerkannte, auf die Reichs-
liste übernehme. Wenn sich für diese beiden Genossen zurzeit kein
Wahlkreis im Lande finde, möchten sie vorübergehend ihre Kräfte
außerhalb des Parlaments betätigen, wo sich für Männer von sol-
cher Bedeutung ebenfalls wichtige politische Aufgaben finden ließen.
Wandlung in der U. S. P.
Zietz und Ledebour für positive Arbeit.
In der Bezirksversammlung Berlin Stadt der Unabhängigen
sprach D ä u m i g ge g e n d c n P a rlam e n t a r i s m u s. Nicht
„wegen Gesetzesflickerei" dürfe man in die Kommission gehen, son-
dern nur um hinter die Solche der Bürgerlichen zu kommen. Ihm
entgegnete Luise Zieh, M die Kommission dürfe man nicht nur,
um den Bürgerlichen auf die Schliche zu kommen, sondern auch „u m
etwas Positives herauszuholen". Die Massen müß-
ten die Abgeordneten stützen, „damitetwas erreichtwer-
den kan n". Ihr trat Ledebour bei, der meinte, „Däumigs
Scheinbelehrungen hauen vollständig daneben und, beweisen, daß
Däumig keine praktischen Erfahrungen hat."
Richard Müller sagte voraus, daß es in der neuen Fraktion
schwere Meinungskämpfe geben werbe. Jedenfalls zwi-
schen Erfahrenen und jungen Dachsen. Glücklicherweise ist Erfah-
rung etwas, was sich erwerben läßt!

Volkswirtschaftliches.
Der fozialistijche Trust.
Das deutsche Volk befindet sich in einem wirtschaftlichen, finan-
ziellen, politischen und geistigen Chaos. Es bedarf einer voll-
kommenen Erneuerung. Alle Heilmittel der wissenschaftlichen
Medizin versagen, die Rückkehr zur Naturheilmethvde mutz erfolgen,
der Arbeiter und die B e d ü r fn i s b e f r i e d i g u n g . auf
dem natürlichen Weg des Füreinanderarbeitens von Arbeiter
für den Arbeiter müssen wieder die allgemeinen Träger der Volks-
wirtschaft werden, die Hand els- und P ro fi tw i r tsch aft
muß ehestens verschwinden.
Wo ist der Weg? Er ist da, wir brauchen ihn ja nur
zu beschreiten, der Kapitalismus in seiner höchst e n Entwicklungs-
form hat ihn bereits für uns gebaut, indem er die Form des Trusts
geschaffen hat. Der Trust ist eine Form der K a p i 1 a l k o n Zen-
tra t i o n, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie in den Produk-
tionsprozeß alle entbehrlichen und unwirtschaftlichen
Zwifchenformen ausgeschaltet und das reine Füreinanderarbeiten der
Produzenten sichert. ,
Während das Syndikat eine Vereinigung von Einzelunter-
nehmern ist, die Herren ihrer Betriebe verbleiben und sich in
diese nicht h'meinreden zu lassen brauchen, beseitigt der Trust diese
Einzelbesitzer, macht sie zu A n te il s ei g ne r n an dem Gesamt-
unternehmen, während die Leitung aller zusammengeschlossenen Be-
triebe von einer Aen-tralleitung erfolgt, deren Macht bis in den
letzten Winkel jedes einzelnen Betriebes reicht.
Es arbeiten das Kohlen- und Erzbergwerk, die Kalksteingrube
und das Hochosenwerk, bas Stahlwerk und Walzwerk, die Kessel-
schmiede und Maschinenfabrik in vertikaler Konzentration für-
einander, und wenn sich daran noch die Schiffswerft und Reederei
gliedert, sv ergibt W, daß die Schiffahxtsunternehmung alle ihre

Schiffe vyn den Urprodukten an im eigenen Betrieb herstellt, im
dem plle Glieder des Gefamtbetriebes füreinander arbeiten.
Der horizotal konzentrierte Trust umfaßt alle Betriebe
der glichen Art, z. B. alle Glühlampenfabriken, alle Flaschen-
oder .Spiegelglasfabrrken rffw.
Ve Vertrustung ist technisch eine überaus einfache Sache,
sie erKrdert nur eins, nämlich Macht, die Macht, bestimmte Be-
triebe stach bestimmten Plan zu einem neuen Rechtsfubjert i
zusanrMenschließen zu dürfen.
Die bisherigen kapitalistischen Trusts sind entweder
duxch die Macht des Profitinteresses oder mit dem Ge-
waftmjOel des Niederkonkurierens geschaffen worden. DM
sie technisch und wirtschaftlich ein« höhere und vollkomm?
nere Form darstellen, ist dadurch erwiesen, daß das Großkapital
sie erMnden hat.
Wenn sich heute Unternehmer, Fabrikanten oder Warenhaus- !
besitz er weigern, sich vertrustenzu lassen, so bestimmt sie hierzu
nur das eigene Kapitalinteresse. Sie wollen sich nicht mit einer
Durchschnittsrente und einem Unternehmer lohn für ihre
leitende Arbeit begnügen, sondern den eigentlichen Profit
schlucken, sie wollen auch Herren sein und sich nicht einer Zentral-
leitung Erstellen.
Der Widerstand, der der Herstellung einer o r g avisierte n
Wirtschaft entgegengesetzt wird, geht von den wirtschaftliche S e l ft-
ständigen aus, die als Herren nicht wieder Angestellte wer-
den wollen. Die zahlenmäßige Ueberlegenheit der Arbeitnehmer
gegenüber den Arbeitgebern ist aber sv gewaltig, daß die Riesen-
masse der Arbeitnehmer nur von ihrer Macht den richtigen Gebrauch
zu machen hat, um die Organisation der Wirtschaft herbeizusührep.
Um ein organisches Füreinanderarbeiten aller
Volksgenossen herbeizuführen, um die riesengroße Zahl der Schma-
rotzer an produktive Arbeitsstellen zu bringen, brauchen wir di«
Vertrustung der Wirtschaft. Eine Zwangswirtschaft auf dem Unter-
nehmerboden der freien Wirtschaft, wie sie der Krieg geschaffen
hat, ist ein haltloses System, das die Moral und die Wirt-
schaft vernichtet.
Daß innerhalb des Trusts her Wettbewerb der Betriebe und,
die höchste Wirtschaftlichkeit mit Älen Mitteln erhalten werden muß
und erhalten werden k a n n, bedarf keiner besonderen Hervor- >
Hebung.
Wenn Sozialisten in «ine Regierung gehen, dann muß
man von ihnen erwarten und verlangen, daß sie sozialistische Poli-
tik treiben, sonst sollten sie besser draußen bleiben und die freiwirt-
schafllich-kapitalistifche Politik den bürgerlichen Politikern überlassen.
Die Aufgabe von Sozialisten kann es nur sein, so schnell als irgend
möglich kraft gesetzlicher Machtmittel di« Organisation der Wirtschaft
herbeizuführen. Wählen wir dabei die Form des T r u st s, so ent-
gehen wir der Gefahr des Experimentierens, denn der
Trust ist eine w i r tf ch a f t li ch be w ä h r t e F o r m, in der das
Kapital vollkommen kontrolliert und die Rente ersaßt werden kann.
Das System der S e l b stv e r w a l t u n g s k ö r p e r ist da-
gegen ein Experiment, das wirtschaftlich unzulänglich ist, weil die
Zent r a l g ew a l t fehk t, um eine rationelle Wirtschaft zu ge-
wahrleisten. Bildung von öffentlich kontrollierten Trusts bedeutet
Sozialisierung auf praktisch erprobtem Boden mit technisch einfachen
Mitteln, bei der die unerläßliche innere Wirtschaftsbisziplin erhal-
ten werden kann. Eine Vielregiererei innerhalb des Betrie-
bes bedeutet den Tod der Wirtschaftlichkeit, das ist nicht nur theore-
tisch anerkannt, sondern praktisch in Sowjetrußland erwiesen und bei
allen Produktionsgenossenschaften, die bis in die
jüngste Zeit alle elend zugrunde gegangen sind.
Wir brauchen ein« Regierung, die den Willen und die Macht
hat, mit dem Mittel der sozialistischen Trusts uns aus dem Chaos
und Zusammenbruch herauszubringen.
Dr. A. Striemer («n „Vorwärts").

Soziale Rundschau.
6. Schneiberstreik in Heidelberg. Nachdem di« Zentralleitungen im
Schneidergewerbe die Lohnfrage über ganz Deutschland nicht regeln
kennte, beantragten die Tehilfenverbände am 8. April beim hiesigen Ar-
beitgeberverband eine Revision der Stundrulöhne von 3.40 und 3.R RA
auf 4.60 und 4.75 Mk. Von feiten der Leitung der Gchilfenverdäiwe
wurde versucht, im Verhandlungswege die Lohnfrage zu regeln.
Da die Arbeitgeber jeder Verhandlung auswichen, wurde am 24. April
der hiesige Schlichtungsausschuh angerissen. Am 29. April fand dasMl
Termin statt, wo folgender Schiedsspruch gefällt wurde: 1. Ortskl. 4M,
2. Ortskl. 4.40 Mk. und 10 Proz. Heimarbeiterzuschlag ab 15. April K.
Die Arbeitgeber lehnten vor dem Schlichtungsausschuß den Schiede
spruch ab. Daraufhin wurden die Betriebsleute und Betchchsrat vor-
stellig. Auch diesen gegenüber lehnten die Arbeitgeber den Schiedsspruch
ab. Von der Verbandsleittmg wurde am Dienstag nochmals versucht,
die Arbeitgeber zu decvegen, den Schiedsspruch anzunehmen. Sie mach-
ten jedoch nur das Zugeständnis, in der 1. Ortskl. 4.30 Mk., 2. Ortskl.
4.20 Mk. zu zahlen. Die gestern nachmittag stattgsfundene V ersamm-
lung lehnte das Zugeständnis der Arbeitgeber ad,
nahm jedoch den Schiedsspruch mit 98 gegen 4 Stimmen an. Mehrere
Redner brachten mit Entrüstung zum Ausdruck, daß die Schneidergehilfen
die ganze Zeit, trotzdem im Schneidergewcrbe nur die tatsächlich geleistete
Arbeit bezahlt wird, sich mit 3.40 und 3.50 Mk. zufriedengeben muhten,
während in anderen Berufen um 35 Prozent höhere Stundenlvhne kr-
zahit wurden. Es ist daher unverständlich, daß die Arbeitgeber ftkN
Schiedsspruch ablehnen, da die Schneidergehilfen mit demselben gegen-
über anderen Berufen abermals mit 30 Prozent zurückbleiben. Der
Ausstand war daher unvermeidlich.
o. E-ne Erweiterung des Vertretungsrechtes der Eisenbahnarbeiter.
Das neueste Gesetzes- und Verordnungsblatt enthält die wichtigen Ver-
ordnungen des bad. Staatsmmifteriums über die Bildung der Betriebs-
vertretungen »ach dem B e t ri e b s r ä t e g e f e tz in den Merkstätten,
BetriebLwerkmeistereic», im elektrotechnischen und Magazindienst Nr
Staatseifenbahnverwaltung.

KommunaLes.
* Mißstände im Pfründnerhaus 1. Das „Tagebl." bringt in feiger
gestrigen Nummer Beschwerden über den Verwalter Hofheinz M
Pfründnerhaus I. Recht sonderbar ist bei diesem Vorgang das Verhal-
ten des hiesigen Stadtrates. Im August v. I. wird dem Verwalke«
mit sofortiger Wirkung gekündigt, weil sich die gegen ihn erhabene» Vor-
würfe bestätigt haben und heute ist er noch im Dienste der Stadt. Eins
sehr rasche Aufklärung von seilen des Siadtrates über den Fall
Hofheinz ist dringend notwendig. Die Bürgerschaft hat ein Rccyt zu
erfahren, weshalb im August v. I. die Kündigung nicht ausgefübrt wurde.
Sollte m diesem traurigen Fall irgendwie eine Nachlässigkeit crnr«
Behörde oder eines Beamten vorliegen, so mühte hier rürMchtslo; eit!-
geschritten werden. Wir werden auf den Fall noch zurSckwmmen.

Aus- Ststdt rmb Kcmd,
Nächtliche Nationalheldin.
Lausbuben, die mit Hilfe des väterlichen GeldsacksPch im Lauf
der Jahre einen gröhcren Vorrat an Fachwissen ersitzen dürfen, als e«
im allgemeinen Arbeitern vergönnt ist, dokumWtieren feit einigen Tagek
in den Straßen Heidelbergs im Schmuck von Daiid und Mutze oe>
offen erzrcaktionäre, verfassungsfemdiiche, chauviwslÄch-MSAirchilche Ge-
sinnung und bei Nacht durch viehisches Eegrvhle ^eift dM
geistige Nachkommenschaft Kanis und Goftyes Der ^zeßer A
schreckt aus dem Schlaf, legl sich schmunzelnd aus öle alWD Sette cM
murmelt: Es sind halt Swdentsn. — Man Ml «sich W
leben wir? Wann leben wir? Wo nehmen A« sich cyp
mähen, an Bildung und Kinderstube unsere W-eno,
Alters zu übertreffen, das Siondcsoorrech, her den Tas M verEmW
und die ehrlich Tätigen in ihrer Nachtruhe zu sM^? . Arbeiten ist
ja nur der Arbeiter da und sie beweiM shm ihren Has unv ihre pbhtt-
 
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