Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

DOI Kapitel:
Nr. 161 - Nr. 170 (15. Juli - 26. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0403
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bericht verfügt im Jahre 1920 Frankreich über 37273870
Tonsten Kohlen, davon 2803334 Tonnen aus dem Saar-
gebiet.
Dr. Dorten verhaftet.
Frankfurt a. M., 26. Juli. Die „

.... . ..... Frankfurter Zei¬
tung" schreibt: Auf Erkundigung beim hiesigen Holigei-
xrästdium erfahren Vir, daß tatsächlich in Ausfiihruna '
teichsgerichtlichen Verfügung Frankfurter Polizew
genommen haben.

einer
, „_,. ^..^-.ueamte
gestern in Wiesbaden die Verhaftung Dr. Dorten vor-

Aus dem Parteileben.
Zum Austritt des Ger«. Appel aus der U. S. P.
schreibt ein Eingesandt in Nr, 116 der „Eberbacher Leitung" -vom
Freitag, den 23. Juli:
Laut Hstdrlberger „Volkszeitung" ist der hier so berühmte
tl-S.P.-Führer Appel aus der L. E. P. «Wsgetre'ken und hat sich
deren Staub von den MW; geschüttelt. Welche Motive Appei da-
zu getrieben baden, die geliebte Pariei zu verlassen, sm- uns leider
noch nicht bekannt. Auch Missen wir noch nicht, welcher politischen
Richtung sich Appel nun »»schließen wird. Geht er zu den Rechis-
fvziasist«;, oder acht ec zu den Konununiste». Erstere werden sich
wohl überlegen müssen, ob sie solche „Verehrer", wie es Appel
war, der sie nie anders als Verbrecher u. s. f. in seinen Ausfüh-
rungen, auch hier m Versammlungen, titulierte, aufnehmen wer-
den. Ein rein sachlicher Politiker ist er ja nie gewesen, nur
Schreierei und Schlagwörter waren seine Kunst tn jeder Versamm-
lung. Ihn, -leibt nur der Wog zu den Kommunisten. Auch dort
könne er auch keine Aufnahme finden, wenn es richiüg ist, wie
U.S.P.-Genossen verlauten lassen, daß er aus der Partei ausge-
schlossen sein soll. Nähere Aufklärung werden wir wohl in den
nächsten Tagen erfahren können. Was macht nun aber hie diesige
8 S. P., Nachbern mm Gr so hochgeschätzter Appel poch Baume
gefallen ist. Nun sie werden schon verstehen, solche Lückesr wieder
auszufüllen, denn es gibt ja Leute, die früher rechtssozialistisch ge-
wählte und bezahlte, jetzt „pensionierte" Stadt rate sind uich früher
schon für die 8. S. P. schafften, mit den Worten: „Ich bin mehr
bei Euch, Äs b« den Mehrheitlern!" Diese und solche Leute nimmt
auch di« U. S. P. gerne aus und sieht aber nicht, daß sie nur das
Mittel zum Zwecke sind. Ist Appel nun tatsächlich ausgetreten, so
ist dies wieder ein Beweis, daß selbst die Führer dieser Partei die
Verantwortung über die Tätigtest der Packe, nicht mehr überneh-
men können. Sv werben sich noch viele von ihr lostrennen.

Soziale Rundschau.
Schundgehälter bei ber Firma Gchr. Werner. Hierzu schreibt
di« hiesige Orkvenvaltung des Zentralverbandes der Angestellten
das Folgende: Die Firma Gehr. Werner, Hauptstraße 46 zahlt
Ihren Angestellten Gehätter, die man nicht anders als wie mit dem
Namen „SchundgehÄter" bezeichnen kann. Damit die OeffmKch-
ksit und Lor all-m unsere Gswerkschaftsgensssen darüber unterrich-
te! sind, sollen sie hier veröffentlicht wenden. Die Firma bezahlt
monatlich einer 19-jährigen Verkäuferin 180 Mk., einer A>-jährigen
Verkäuferin 183 Mk. .er 22-jährigen Berkäuferi-n 300 Mk. und
einer 24-jährigen Buchoaiterin 330 Mk. Wie ist es nun diesen
Angestellten möglich, »rit diesem niedrigen Einkommen ihren Le-
bensunterhalt zu bestreiten? Vielleicht können wir di« Frage be-
antworten. Es sind drei Wege möglich. Der erste ist, das; die
Eltern dieser Angestellten sie, trotz ihrer Arbeit, voll unterstützen
muffen. Dies kommt aber nur für die Angestellten in Frage, deren
Eltern am Platze oder in der näheren Umgebung wohnen. Der
-weite Weg ist der, daß di« Angestellten sich mit diesen; kärglichen
Gehalt durchhungern und dadurch langsam aber sicher zu Grunde
gehen. Der -ritte Weg ist der der Prostitution. Auf diesen müs-
stn die Angestellten getrieben werden, wenn ihnen das schlitzende
Elternhaus fehlt, oder wenn sie nicht verhungern wollen. Was
siegt aber den Arbeitgebern vom Schlage der obigen daran, ob
Ihre Angestellte In der Goffe versinken oder nicht. Das -läßt sie
kalt. Was wissen diese Herren davon, wie bitter hart die Not ist
und wie bitter weh der Hunger tut. Wenn nur sie sich nichts von
Gram behaglichen Leben abziehen muffe» (4—8 Wochen- Sommer-
frische) und sich nicht von ihrem Geldsack zu trennen brauchen. Was
diese Herren aus ihren Angestellten gemacht wissen möchten, das
bat ja vor einiger Zeit wieder einer dieser Seelenverkäufer zum
Ausdruck gebracht. Als «in Tarifvertrag abgeschlossen werden
sollte, äußerte er sich zu einem seiner Kollegen: „Ich möchte nur
wissen, was die Angestellten mit hem vielen Gelbe machen woll«n,
sie sollen sich doch reiche Kavaliere anschaffe N." Also
stuf Kosten der Kavalier« wollen die Unternehmer Schindluder mit
den Angestellten treiben und sich um die Bezahlung der Gehälter
drücken. Merkt Euch das ihr Angestellten, die Ihr zum größten
Teil Pröletarierkinder seid! So ähnlich denken anscheinend auch
-i« Inhaber -er Firma Gebe. Werner.
Arbeiter und Angestellte! Der Kampf, den wir gegen den
Kleinhandeisschutzverein, und damit gegen -en gesamten Kleinhan-
del Heidelberg um Besserstellung der AnzestMen Führen- müssen.

Vom Beter zum Kämpfer.
Bon Nikolaus Osterroch.
(9. Fortsetzung.)
Nachdem ich noch den neuen Anzug anprobiert hatte, der mich
fetzt fast gar nicht mehr erfreute, verrichtete ich meine sehr umfang-
reiche Abendandacht und ging zu Bett. Ich fühlte mich sehr un-
glücklich und hatte gar nicht bas Gefühl, als ob ich vor dem „schön-
sten Tage des Lebens" stehe. Di« fünf neuen Todsünden und die
unterschlagene Sündenlitanei bedrückten mich viel schwerer als vor-
her die ganze Sündenlast. An den Kuchen und Braten wagte ich
gar nicht mehr zu denken, aus Furcht, ein paar neue Todsünden zu
begehen. Die größte Qual aber machte mir der Gedanke, daß ich
am nächsten Morgen nochmals zur Beichte gehen sollte. Was
würde denn bloß der Herr Pfarr«r denken, und dann- erst die Leute
und all die Verwandten und Bekannten! Werden die nicht einen
Abscheu bekommen vor einem so großen Sünder, der so viel auf
dem Gewissen hat, daß er es gar nicht auf einmal erleichtern kann!
Der heilig« Tag brach an; ich hatte die ganze Nacht gefiebert
und phantasiert. Meine Mutter weckt« mich schon- um >L6 llyr.
Ich sollte mich doch mit der Beichte etwas beeile», -denn vor dem
feier'ichen Hochamt spielte sich noch ein sehr wichtiger Akt ab, an
den; meiner Mutter viel gelegen war. Die Erstkvmmunikan-ten
nmchren nämlich in ihren neuen, schmucken Kleidern, die mit einem
Bukett besteckt waren, und mit der feierlich geputzrsn Kerze Besuche
bei den Taufpaten, Verwandten und guten Freunden, und überall
bekamen sie ein- Geldgeschenk, das selten weniger als 50 Pfennig
betrug. Bei den Paton und näheren Verwandten gab es sogar
häufig 2 bis 3 Mark, und je großer die Verwandtschaft war, deren
sich da^ Glückskind erfreute, desto schwerer wurde die Tasche. Es
lag nun natürlich nicht in der Absicht meiner Mutter, daß ich dies«
überaus wichtige Gelegenheit zur Erwerbung eines kleinen Vermö-
gens versäumen sollte. Bewahre! Bis 7 Uhr tonnte ich die fünf
Todsünden ganz gut los s«in,-uad dann konnte ich noch Mei Stun-
»sn aus mein leibliches Wohl bedacht fei«, das ja in der Hauptsache
urch ihr leibliches Wohl war. Hatte mir aber gestern bei der
Brich« der „böse Feind" «inen Strich durch die Rechnung gemacht

ist Euch bekannt. So wie bei dieses Firma werden noch beim
größten Teil der Kleinhändler SchundgehZ-lter -bezahlt. Un-
geheuere Kriegs-, Revolution«- und Wuchergewinne sind in ihre
Taschen geflossen. Und was habt Ihr Angestellte von all den Ge-
winnen gehabt, di« dies« Herren emgehelmst haben? Nichts! Es
sei denn. Hunger, Ndi, Elend und womöglich noch Schande. Der
Kampf, den Pir führen, ist der Kampf um die Existenz der Änge-
Mtten, ein Kampf um Mer Menschentum. Und um dieses müs-
sen w-ir kämpfen mit allen uns zu Gebote stehenden- Mitteln.
Arbeiter und Angestellte! Gewerkschaftsgeiwssen und deren
Angehörigen! HM uns in unserem 'Kampfe seegn die Ausbeuter
unserer Arbeitskraft. Heist uns, daß Euere Kinder von solche»;
Blutsaugern nicht dis auf den letzten Tropfen ausgesaugt werde».
Daß Eure Töchter mcht «ine Beute dar Straße werden müssen.
Meidet alle derartig« Geschäft«, von denen Ihr wißt, daß sie ihre
Angestellten mit SchundgehAtern abspeistn. Wir d-ürfsn- »Ms
mithelsen und uns mitschuldig machen an dem Elend -unserer Volks-
genossen, indem wir diesen Herren ihre Ware Mausen und ihnen
die Taschen füllen. Arbeiter und Angestellte, kauft nur dockt, wo
Euere Kollegen und Volksgenossen anständig bezahlt werden. Nm
wenige der hiesigen Kleinhändler bezahlen ihre Äimestellten -nach
den den heutigen Derhältn-issrn entsprechenden Tarifen. Sie wol-
len willkürlich nach eigenem Gutdünken de-Mon. Was für «ine
Bezahlung dabei herauskommt, das sehen wir an den obigen Ge-
hältern. 1k.

Die Lage des Arbestsurarktes in Heidelberg.
Das in der letzten- Zeit in Erscheinung getreten« Nachlassen
der Kauflust und Kaufkraft hat die Produktion in verstärktem
Maß« unzünftig beeinfluß: und seine Auswirkung in zunehmenden
Betriebseinschr-änkungen und Arbritrentlaff-ungen gefunden. Der
hiesige Ärbeitsmarkt hat sich, wie der Bericht des -städt. Arbeits-
amtes für die Monate Mai und Juni d. tzs. fsststellen kam», diesen
Einflüssen gegenüber äußerst widerstandsfähig gezeigt. Die über
Envacken günstige Aufnahmefähigkeit des öÄichen Marktes hat
sogar noch einen Rückgang der ErwerbölvsenM«r bewirkt. Die
Entwicklung stellt sich ziffernmäßig wie folgt dar:

Ende April
Ende Mai
Ende Juni

Arbeitsuchende
W4
673
SL4

Erwerbslose Notftandsarbeitsr
574 3.76
SS4 H71
M 4V9

Dein Rückgang der ErwerbslvseiMffer um 150 -steht «ine An-
nahme der Fahl der Not-standsarbeiter von 38 gegenüber, wäs
einer vermehrten Unterbringung -von 120 Erwerbslosen im freien
Berufsleben gleichkommt. Es wäre jedoch verkehrt, aus dieser Ent-
wicklung, die im wesoitt-lichen aus einer Vermehrung der Arbeits-
gelegenheit in den Saisongewerben beruht, auf »ine allgemein«
Besserung der ArbeitsmarktverhLUnisse zu schließen. Das Bau-
gewerbe erfuhr durch die Fortführung der Slwekungsbauten im
Pfaffengrund und a-n -der Grahamsiraße c-iiw Belebung, -wodurch
Arbeitsgelegenheit für Maurer und Bauhilfsarbeiter in erheblichem
Umfange bereit gestellt werden konitte. Im Gegensatz hierzu nimmt
die Arbeitslosigkeit in den abhängiM Berufen der Maler und
Anstreicher in- letzter Feit mangels Aufträge wieder zu. Das Holz-
gewerbe, das seither immer einen- ausgezeichneten Geschäftsgang
auszuweisen hatte, ist ebenfalls ein Opfer des Kv-njunDurumschlags
aeworder.. Ein charakteristisches Merkmal U, daß die Berufs-
gruppe der Möbelschreiner, nach der seit den Tagen der Revolution
eine dringende und nie voll zu befriedigende Nachfrage bestanden
Katt«, nunmehr in- erheblichem Umfange den Arbeitsmarkt belastet.
In der Landwirtschaft, die mit Rücksicht auf die Ernte erhöhte An-
forderungen stellte, konnte auch eine größer« Anzahl Arbeitskräfte
nach auswärts vermittelt werden. In den ungelernten Berufen
bestand eine gesteigerte Nachfrage nach Tagl-ohimrbestern, wodurch
die vorübergehende Unterbringung zahlreicher gelernter Arbeiter
möglich -wurde,^di« den Betriebseinschränkungen zum Opfer gefal-
len waren.. '
Die Verhältnisse in den weiblichen Berufen zeigen -nach wie
vor -das grelle Mißverhältnis m dem Angebot der Arbeitskräfte
für häussiche Stellen und für Dienst« als Herd- und Küchsnmäd-
chen. —
Im -Tanzen wurden beim Arbeitsam: im Monat Mai 1700
und im Monat Juni 2050 offen« Stellen gemeldet. Besetzt wurden
im Monat Mai 1164 Stellen (939 für männliche und 225 für
werbliche Personen), davon 120 nach auswärts; im Monat Juni
1469 Stell«» (1 286 für -Mnnliche und IW für weibliche Perso-
nen), davon 116 -nach auswärts.
Die »ach den Grundsätze» der produktiven Erwerbslofensür-
sorge nvt-w-eiMgen Umstellung d«r Notstandsbeirieb« wurde damit
begonnen, daß in Form eines Schichtwechsel« die ledigen Not-
standsarbeiter durch verheiratete Erwerbslos« ersetzt wurden. Es
sind -durch diese Maßnahme 188 Notstaudsarbeiter hera-usgezvgen
worden, von denen 52 in privaten Stell«-» untecgedracht werden
ksiMen. Der Bericht des Arbeitsamts hebt hervor, daß die Durch-
führung der Umstellung große Schwierigkeiten bereitete. Die
Neuerung hat inzwischen das befriedigende Ergebnis einer erhöh-
ten Arbeitsleistung gezeitigt. Nach dem letzten Wochenbericht
werden- z. Zt. 470 Arbeitslose bei den stM. Nvtstandsarbeiten be-
schäftigt.
Vom 1. Januar bis 10. IM dieses Iahr«s wurden im ganzen

und mein Seelenheil in Gefahr gebracht, so richtet« heute -morgen
der Stellvertreter Gottes dasselbe Unheil an in bezug a-us mein ir-
disches Heil.
Stundenlang saß ich in der Kirche und wartete; kein Pfarrer
erschien, um sich meiner zu erbarmen. Ich war gaiy allein mit dem
lieben Herrgott, ganz allein; aber der wollte mit mir ja nichts zu
tun haben, weil ich di« fünf Todsünden auf dem Gewisse» hatte.
Nach langem, vergeblichem Warten faßte ich mir -endlich «in Herz
und ging ins Pfarrhaus, wo ich erst der Dienstmagd und dann der
alten, fast tau-ban- Schwester des Herrn Pfarrers.auseinandersetzte,
daß ich noch einmal deichten müsse, weil ich noch weitere Todsünden
begangen hält«. Die Schwester des Pfarrers verstand mich jedoch
nicht; immer lauter mußte ich ihr ins Ohr schreien, so daß es von
de» Wänden wider-halllc. Plötzlich ging «ine Tür auf, und der
Herr Pfarrer erschien auf der Bildfläche. Aber wie sah der nur
aus? Ist das denn überhaupt der Herr Pfarrer? Gerade wie
ein Pferdeknecht stand er da, ungewaschen, ungekämmt, nur in Ho-
sen gekleidet, mit hinten herumterhängenden Hosenträgern, di« Füße
in schiefgetretenen Pantoffeln, das Hemd auf der haarigen Brust
weit geöffnet.
Der Anblick des Herrn Pfarrers erschreckte mich mehr als
meine Todsünden. Mit ganz unchrWich -don-nemder Stimm« fuhr
der Pfarrer auf mich los: „Was is denn des vor',; Heideschpek-
takel! Mer m-an-t- jo, mer wör ennere Iuddeschui! Was willsch-t
dem; Du -do?"
Jetzt muhte ich mit meinem Anliegen herausrücken, und halb
stotternd erzählt« ich ihm die Geschichte -von den fünf Todsünden,
und daß meine Mutter mir befohlen habe, nochmals zu beichten.
Auf einmal blickte mich der Pfarrer mit anderen Augen an und
sagt« so freuMich, rvi« er nur konnte: „Geh nor Ham, des is ka
Sind, des verschteht die Mutter Net."
Wie, -das war kei-ns Sünde? Meine Qual war also umsonst
gewesen! Mir wurde ganz schwindlig — ob vor Hunger oder vor
Freude, weiß ich nicht mehr. Plötzlich fiel m-ir auch noch di« Un-
terschlagung des Sündenzettels ein. aber kaum hatte ick den Mund
aufgemacht, als ich schon vor der Tür« stand. Nun- war es also
wieder nichts! Svlfte da etwa der böse Feind wieder sein« Hand
im Spiele baden? Und war denn überhaupt eine Beicht« gültig

780 194 Mk. Erwerbslosenunttrstützung ausbezahlt. Am 10. Juli be-
zogen von 496 -männlichen Arbeitslosen 371 und von 36 weibliche»
16 die Unterstützung. Von den zurückgekehrten 674 Kriegsgefange-
nen sind jetzt noch 7 arbeitslos.

Eine Bewegung zur Beseitigung -er monatlichen Gehaltsaus-
zahlung in Angestelltenkeffen. Aus Kreisen des Zenttalverbmrdes
-der Angestellten wird geschrieben: Die -monatliche Lohnzahlung an
kaufmännische Angestellte ist so all-gemein üblich, daß kaum irgend-
einer atis den- Gedanken kommt, hierin Aenderung zu schaffen. Und
doch ergibt sich bei genauer Betrachtung, baß eine Wandlung die-
ser LvhNMgstvekse für die Angestelltenschaft «inen Fortschritt bedeu-
te» würde. Die Arbeitgeberschaft HM aus ganz bestimmte» Grün-
de» -an der monatlichen Gehaltszahlung fest. Erstens bedeutet es
für sie einen Zinsgewinn, -weitens wird dadurch zwischen! Hand-
und Kopfarbeiter ein Kell gerieben. Ein Teil der Angestellten
wird sich wohl auch schwer von der bisher üblichen Zahlung tren-
ne» -wollen, den-n bann wäre ja auch die letzte Illusion, „Mitarbei-
ter des Chefs" zu fett;, zunichte geworden. Solche Gründe dürfen
aber di« sreigsweckkschaftlich ««schulte Angestelltenschaft nicht von
notwendigen Forderungen abha-lSe-n. Doch mcht allein der eben
genannte Grund ist bestimmend für die Umgestaltung. Es kommen
noch andere hinzu. Da ist zunächst unsere derzeitige Wirtschafts -
Misere, der täglich rapider werdende Sturz des Realwertes unseres
Geldes. Es kann Vorkommen, daß «in Gegenstand, der besspiels-
weise heule für 100 Mk. zu kaufen ist, in acht Tagen 180 Mk. oder
gar das Doppelt« kostet. Und wie fühlbar tritt dieser Llm-stand erst
ms Gewicht, wenn der Angestellte volle 30 Tage auf fei» Geld
warten muß. 6n diesen 30 Tagen- verliert das Geld derart an Wert,
daß man pergl-eichsweife sagen kann, «in Arbeiter im Wvchenlohn
steht sich 50 Prozent besser als der Angestellte im Mvnatslvhn,
wenn auch der nominelle Loh» brr gleiche ist. MA« Angestelkie.
sind dadurch «Münzen, den Arbeitgeber noch -vor -Ablauf des
Monats „um Vorschuß zu bitten". Wie dep-ri-mierend solches ist,
wird wohl jeder aus eigener Erfahrung wissen. Dem Arbeitgeber
ist das ur» recht, denn er weiß sehr gut, daß das Setbstdcwußssein
eines Angestellten, der dadurch Vorschuß braucht, sehr bald -verlo-
ren geht und mit -em Seldstbewußtsiin geht auch der gewerk-
schaftliche Geist verloren.
Darum, Ihr fll,gestellten, macht es zur Kainpfparol«: „Fort
mit der monatlichen Gchaltzzahiun-g!" — Der Uebergaig läßt sich
allMhlich gestalten. Dl« Forderung »nützte vorerst wohl auf Ge-
haftszahklng am 1. und 18. eines jeden Monats Lautem weitgehen-
der und vorteilhafter wäre eine Auszahlung in drei Rate». Bsi
all-em ist natürlich daraus zu achten, daß es sich nm um «ine andere
Löhnung-weise handelt; die gesetzlichen Rechte, die dem „Angestell-
ten im Monatsgehalt" zustehen, müssen selbst-verständlich gewahrt
bleiben.
Der Schlichtungsausschuß in Rastatt hat kürzlich eine bemer-
kenswert« Entscheidung getroffen, der eine» Schiedsspruch dahin-
gehend fällte, daß: „Derjenige, der weiß, baß ein Tarif für ihn
bestehl, jedoch keine Forderungen darauf bei fein«m Arbeitgeber
erhebt, sondern erst nachträglich, rückwirkend beim Austritt aus der
Stellung, oder bei -einen; -entstehenden Streitfall Anspruch auf di«
tarifmäßig« Nachentloynung stellt, diesen Anspruch nicht erheben
kam;, sondern Abweisung zu erwarten hat."
Dieser Schiedsspruch muß «ine Warnung für alle diejenigen
sein, di« immer -noch nicht den Mut finden können, auch Anspruch
für ihre Rechte zu erheben,, die jedoch bei «iiwm Streitfall« am lau>-
ttst-en- die Forderung bei ihren Organisationen erheben auf räch
sichtslvs-este Vertretung ihrer Ansprüche.

Kommunales.
Kommunalpolitische Hanswurstereien -ei -er ll. G. P. .
Pr-inzipienf«rsig,keit ist bekanntlich die stark« Seit« unserer Un-
abhängigen. Zu-m Beweis dafür folgendes:
In den beiden Schwesterstädtchen- Elberfeld und Bar-
men soll das S ch ul g e ld e r h ö ht wevdsn. In Elberfsid lehn-
te» die Unabhängigen di« Erhöhung ab und in Barm-en
stimmten sie dafür.
Nach dein Organ der partetgenössischen Lehrer: „Der freie
Lehrer" lautet« der unabhängige Pressebericht über die Elber-
felder Ablehnung folgendermaßen:
„Eine längere Debatte rief di« Erhöhung des Schulgeldes her-
vor. Genosse Hoffmann beantragte, es bei den bischerigen Schul-
geldjätzcn zu belassen, bis die Giaffekmg der Sätze nach dem Ein-
kommen durchgeführt sei. Die Argument« unseres Eenosscn Hofs-
mann konnten nicht entkräftet werd en, aber trotzdem stimmt«» die
Bürgerlichen mit den Rechtssozialisten für di« Erhöhung, di« die
Angehörigen des durch den Krieg und den Kapitalismus zermürb-
ten sogenannt«» Mittelstandes und die Arbeiter hart trifft."
In Barmen begründete der Vertreter -er Unab-
hängigen ihr« Stellung folgendermaßen:
„... Im Gegensatz zu einem Teil der anderen Fraktionen
habon wir der Erhöhung des Schulgeldes auf 400 Mk. zug «-
stimmt. Wir haben uns keineswegs darüber hinweggetäuscht,
daß dies eim groß« Belastung für den sogenannten Mittelstand,
für «inen großen Teil der milti«;«» Beamten und auch für di« Ar-

unter der Stubentür, wo der Herr Pfarrer nur mit der Hose beklei-
det war? Neue Zweifelsfragen gewichtiger Art «rauchten auf. Aber
ich überwand sie schnell. Hatte ich doch alles versucht, um sünden-
rein zu werden! Mußte da -nicht auch ber liebe Herrgott ein klein
wenig Eins-chen haben?
Ach ja, ich fühlt«, wie es mir l«ichr -ums Herz wurde, so leicht
wie im Magen, und fröhlich ging ich nach Haus«. Unterwegs be-
gegneten mir meine Kollege»; mit der geputzten Kerze und steckten
gewichtig,-»« Hand in die neu« Hosentasche, wo es hell un-d neid-
erregend klimperte. Es war gegen neun Uhr, und die Zeit -für die
Besuch« war verpaßt. Wir mußten schon um neun Uhr am Schul-
hause sein, von wo die Erstkom-m-nnikanten in feierlicher Prozession
vorn Schulmeister in die Kirche geleitet wurden. Mein« Mutter
war sehr betrübt, weK die vielen Markstücke verloren war-en, und
als ich das Resultat der Stuben-ürbeichte erzählte und ixrichket«,
daß der Herr Pfarrer kein« Süied« in meinen fünf Todsünden ge-
sehen habe, da wurde »nein sonst so geduldiger Vater fuchsteufels-
wild und schrie der Mutter ins Gesicht: „Du b-ischt'n Narr und
machscht dei Ki«wer noch verrückt." Das war ja nun offenbar auch
ein« Todsünde, uitd -ich konnte mich nicht enthalten, den Vater zu
bitten, sich doch zu- beruhigen, ich -wollt« extra ein paar „Vaterun,er"
beten-, um alles -wieder gut zu machen. —
In feierlicher Prozession ging es zur Kirche unter dem Absin-
gen. des Liedes: „Großer Gott, wir lobe»; dich." Ich stimmte so
lack ein, daß Himmel und Erde in Erschütterung gerieten. Wir
-waren paarweise nach der Größe gestellt, und da ich der M«it-
klemste Knirps war, marschierte ich ganz -vorn. Ich g-aubte, daß
alle Auge»; -nur »rach mir schaut«»: auf meinen schönen, neuen Rn
zug, meine festlich geputzte Kerze und auf »nein, jetzt ganz fünura-
reir-es Herz. , .
Das war besonders feierlich. Der Himmel
weit offen, und -die Englrin schauten direkt aus dem Himmel in di«
Kirche hinein. Der lieb« Herradt und alle seine Heiligen hotte»;
ai; diesem Vormittag gewiß ihre Helle Freud« an uns. Ich war ge-
rade- vor dem Muttergvttesaltar postiert, auf dem eine lebensgrc-L«
Figur der Mutter GsL.cs mit dem I-stwkjnd in frisch g-Mchenen
Farben prangte. Mein: Muter, dir >» «inem neu garnierten HÄ
in der Kirch« war, behauptete hoch uno :Mg, Marra habe l«tze nm
 
Annotationen