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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 17. August)
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Volkszeitung

Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Cberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Boxberg, Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 42.— Mk., Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 4.50 Mk., Reklame-Anzeigen
(VS mm breit) 12.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Gehsimmrttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Eeschäftsstunden: 8—V,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr>: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, 10. August 1922
Nr. 184 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
I. V.: O. Geibel; für Kommunales, soziale Rundschau u. Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUnterbaoischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle:' Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigsn-Annahme 2673, Redaktion 2313.

Schläft die Regierung?
Marksturz und Teuerung nehmen immer fürchterlichere For-
men an. Wo liegen die Ursachen? Für Rvparwtivnszwecke kernst
die Reichsvegierung schon seit einiger Zeit keine Devisen mehr.
Die deutsche Handelsbilanz selbst ist nicht so Passiv, daß die Mark
in diesem Tempo stürzen mühte. Die Ursache des Zusammenbruchs
der deutschen Währung ist die allgemeine Wucht der deutschen Ka-
pitalisten aus der Mark. Wer immer in Deutschland Geld hat,
nimmt SichcrungsMnfe in Devisen vor, weit er das Vertrauen zur
deutsche Mark borgen, weil er Angst hat, erheblich weniger Gold-
tere Einkäufe im Anstande auch bezahlen zu können. Durch die-
ses System der Sicherungskäufe in Devisen ist die Kapital»«; ent-
standen, unter der, wenn sie sich so weiter entwickelt wie bisher,
die deutsche Wirtschaft zusammenlbrechön muh. Niemand WM mehr
deutsche Mark borgen, Wiel er Angst hat, erheblich weniger Gold-
wert zurückzubekommen als er ausgöliehen hat. Und tatsächlich
war es ja in den letzten Jahren vielfach so, daß nicht der Schuldster
Zinsen zahlte, sondern daß ihm obendrein der Gläubiger ein Vier-
tel oder die Hälfte seines Realkapitals überlassen muhte.
Mit den Slchernngskättfen in Devisen, welche die Kurse ins
Unendliche treiben müssen, weil der rodle Bedarf begrenzt, aber
dieser Sichernngsbedarf gänzlich unbegrenzt ist, geht Hand in
Hand eine wahnsinnige Preistreiberei der Schwerindustrie. Der
Stahlband hat, als die Mark auf einen Pfennig gesungen war,
die Preise für Stabeisen und Walzeifen ans mehr als das Hundert-
dretsügfache der Friedenspreise angssetzt und ist seitdem ständig
der Geldentwertung nicht etwa gefolgt, sonder» ganz bedeutend
vorausgeeilt. Aehnilich treiben es die anderen syndizierten Indu-
strien. Läßt das Reich dieser Tendenz freien Spielraum, dann
kann der Entwertung der deutschen Mark überhaupt nirgendwo
mehr Einhalt geboten werden. Dann haben Wir in wenigen Wo-
chen überall dreifache Preise und 'damit den wirtschaftlichen und po-
litischen Zusammenbruch.
Ms Drittes kommt hinzu der Lebensmittelskandal. Trotz der
Unsicherheit der Ernteerträge wandern Kartoffeln Mats in
die Brennereien, Gerste haufenweise in die Brauereien, Zucker in
Unmengen in die Schokoladen- und Konfitüren-FaVriken. In den
PrivathaushMungen Mit hingegen der Zucker vollständig und
die Hausfrauen werden sich Wer die Unmöglichkeit, irgendwelche
Früchte einzumachen, schlecht genug damit trösten müssen, datz auch
das Obst überall reichlich teuer ist. Jedenfalls sind wir beim ZUk-
kcr ans der Kriegszwangswirtschaft in eine kapitalistische Zwangs-
wirtschaft schlimmster Art geraten, die sich dadurch charakterisiert,
datz durch die hohen Preise die Bevölkerung gänzlich unversorgt
bleibt.
Und alle diese Zustände läht die Roichsregierung schweigend
geschehen, untätig sich zum Unheil entwickeln. Des Kanzlers aller-
getreueste Opposition, die Deutsche Volkspartei und das Zentrum
haben dem Dr. Wirth freilich in den letzten Wochen so ab gemat-
tet, daß man seine Untätigkeit begreifen kann zumal er auch noch die
Last der Außenministeriums trägt. Aber schläft das Wirtschafts-
ministerium? Boi der Reichsbank und beim Reichsernähruugs-
mmisterimm braucht mau wohl erst nicht zu fragen, die schläfert
schon seit Jahr und Tag den Schlaf des Gerechten und werden
woül sobald nicht auswachen. Die Reichsbank mindestens solange
nicht, als Herr v. Glasenapp und ähnliche bewährte kaiserliche
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Kräfte an ihrer Spitze stehen, und das Ernührungsministerium, so-
lange es überhaupt noch besteht.
Aber die Arbeiterklasse kann diese Zustände nicht Wnger ruhig
mit anscbeu. Ist es denn so schwer, ist es denn etwa gar unmöglich,
rasch praktisch durchgreifende Matznahmen zu treffen? Was not-
wendigerweise geschehen mutz, liegt geradezu auf der Hand. Auf
wirtschaftlichem Gebiete muh die Ernährung gesichert werden, in-
dem man die Lebensmittel zusammenhält und sie nicht wie alle
möglichen Luxuszwecke vergeudet. Die Ausfuhrabgaben müssen
ganz bedeutend erhöht werden, um dem Reiche einen Teil der rie-
senhaften Aussuhrgewinne zuzuführen. (Ist inzwischen geschehen.
D R.) Säumt das Reich noch länger, dann führt einfach das Aus-
land fortschreitend weitere Dumping-Zölle ein und leitet den
Geldstrom in seine Kassen auf Kosten Deutschlands. Einer beson-
deren Aufmerksamkeit bedarf die Ausfuhr und ganz vornehmlich
die Einfuhr von Luxuswaren, die das Reich verhindern oder mit
wirklich Mchackenden Steuern belegen mutz. UnerMtzlich sind neue
schärfere Maßnahmen gegen die Geldschiebungen und die icham-
lose Devisenspekulation.
Vor allem aber mutz die deutsche Regierung so rasch wie mög-
lich ein Goldpapier schaffen. Mit der Goldanleihe, der berühmten
Awangsanlethe von einer Milliarde Goldmark, ist das deutsche
Bolk bekanntlich schamlos begaunert worden. Man hat aus der
Milliarde Goldmark 70 Milliarden PaPier-mark gemacht, und! die
kapitalstarken Sachwertbcsitzer müssen nun um so weniger Zwangs-
anleihe zahlen, je tiefer der Wert der Mark finkt. Man hat Mo
das Gegenteil von dem erreicht, Was mit der Besteuerung der
Sachwerte oder der Goldzwangsanleihe erreicht werden sollte. Füll
eine ehrliche Goldzwangsanleihe ist jetzt der Räum versperrt. Wer
eine Goldcmleihe könnte die Regierung wenigstens auflege», Hamit
die deutschen Geldbesitzer nicht den allgemeinen Trieb haben, sich
auf ausländische Goldwerte zu stützen und Devisen zu Hamstern.
Als Grundlage einer solchen Goldanleche könnte der alte Hachen-
burgsche Plan des Reichswirtschaftsrats wieder ausgenommen
werden. Aber vielleicht dauert selbst das zu lange; denn Schnel-
ligkeit ist bet dem katastrophalen Sturz 'der deutschen Mark die
erste NatwendMeit ViMeicht kann nm»
also in aller Eile ein Goldpapier yerausbringe». das durch den
jetzt unbenutzt liegenden Goldrest der Reichsbank gedeckt sein könnte.
Aber ob im einzelnen diese oder jene 'Maßnahme ergriffen
wird, die Hauptsache scheint uns, daß das Neichskabinett aus sei-
nem Sommerschlaf aufwacht und endlich etwas tut, um die Ver-
hältnisse zu meistern. Das alte kaiserliche Regime hat die Kriegs-
leiden und Hungersnöte ruhig solange anwachsen lassen, bis kein
Mensch mehr die Revolution auszuhcklten vermochte. Die unauf-
haltsame Geldentwertung und die damit steigende Not der aller-
breitesten Volkskreise ist die große Schanze der Kommunisten und
noch vielmehr der Monarchisten. Die alten kaiserlichen Bürokraten
werden genau wie während des Krieges sich natürlich auch jetzt
nicht in Bewegung setzen. Käme es auf diese Leute allein an, sie
würden es zehnmal zur Revolution und Gegenrevolution treiben.
Und selbst immer wieder auf den Boden vier gegebenen Tatsachen
treten und alle notwendigen Aktionen mit ihrem buveaukratischen
Bedenken solange verzögern, bis es zu spät ist. Aber schließlich
sitzen doch jetzt in der Rotchsrsgierung Politiker, die einen gewissen
politischen Instinkt dafür Haven müssen, daß die Verhältnisse sich
unerträglich zuspitzen. Von ihnen verlangen wir Taten, der Ka-
tastrophe MtgegenzuwirkenI

Kritische Lage in London.

Lloyd George lehnt ab. -
London, 9. Aug. Lloyd George lieh am gestrigen
Abend durch seinen Sekretär Sir Griggs den Pressevertretern Mit-
teilen, daß er die Vorschläge der französischen Negierung in ihrer
Gesamtheit ablehnen müsse. Falls Poincare aus diesen Forderun-
gen bestehe, so bedeute dies einen Bruch der Entente. Der
englische Premier wird der heutigen Vollsitzung der Konferenz Vor-
schläge unterbreiten, die von denen der französischen Delegation
wett entfernt sind. Von englischer Sette wird jedoch alles versucht
werden, den Abbruch der Konferenz zu verhüten und man rechnet
immer noch mit dem Zustandekommen eines Kompromisses, so -atz
Deutschland noch ein Moratorium wenigstens bis zum Zusammen-
tritt des Obersten Rates im Oktober gewährt werden kann. Wäh-
rend die Italiener die englische Auffassung unterstützen, steht Bel-
gien vollkommen auf seilen Frankreichs. Dennoch versucht der bel-
gische Ministerpräsident Theunis immer wieder, zwischn den ent-
gegengesetzten Anschauungen Englands und Frankreichs zu ver-
mitteln. Seinen Bemühungen ist es gelungen, datz Lloyd George
vor Zusammentritt der Konferenz nochmals eine private Aussprache
mit Poincare habe» wird.
Schauzer gegen die Pläne Poincares.
London, 9. Aug. Aus Konferenzkreisen wird mitgetetlt, datz
der italienische Außenminister Schanzer die Ansicht vertritt, datz die
Garanttematznahmen Poincarös einen Widerspruch in sich selbst
bergen. Auf der einen Seite gewährt man Deutschland ein Mora-
torium für seine Barzahlungen, anderseits aber entzieht man ihm
fast seine gesamten Einnahmequellen. Die von der Garantie-
kommission in Berlin getroffenen Matznahmen machten autzerdem
die Garantie,nahnahmen Poincares überflüssig.
Gin Kompromiß in London in Dicht. — Moratorium für
Deutschland?
Paris, 9. Aug. Das „Echo de Paris" meldet aus London:
Voincarä hat den belgischen Ministerpräsidenten Theunis um
«ermittln»« angerufen. Die Konferenz wird vielleicht schon heutc

aus folgenden Vermittlungsvorschlag eingehen: Die Konferenz be-
schließt, Deutschland ein provisorisches Moratorium zu gewähren
(für dieses Moratorium wird als Termin 2—4 Monate oder Jah-
resschluh genannt), während die allgemeine Erörterung des Repa-
rationsproblems Ende September oder Anfang Oktober stattfinden
soll.
Hat das letzte Stündlein geschlagen?
London? 10. Aug. In Pariser politischen Kreisen ist man
wegen der Haltung Poincarös in London sehr ungehalten. Man
wirft ihm vor, datz er kläglich umgefallen sei. Die Nationalisten
wenden sich noch nicht offen, aber doch deutlich genug gegen ihn.
Der Block National hat zweifellos eine Erschütterung erfahren.
Bezeichnenderweise wird bereits ganz offen ausgesprochen, daß
PotncarS die Londoner Konferenz kaum überleben werde.
Poincares Rückfrage in Barts.
London, 10. Aug. Poincarö hat, wie die „Voss. Ztg."
zuverlässig hört, beim Pariser Kabinett angefragt, ob er ein treues
Programm mit geringeren Forderungen vorlegen darf. In der
Erwartung dieser Antwort wurde die Konferenz vertagt. Der
englische Standpunkt wird von den Sachverständigen in allen Punk-
ten unterstützt und die Entscheidung der Sachverständigenkommis-
sion, die gestern abend getrosten wurde, ist als endgültig zu be-
trachten.
In vorgerückter Nachmittagsstunde erfährt die „Voss. Ztg.",
datz der Sachverständigenausschutz folgende Vorschläge Poin-
eärös avgelehnt hat: Die Zollgrenzen, die Beschlagnahme der
Bergwerke und Wälder und die Beteiligung an der deutschen In-
dustrie. — Die Pläne zu einer Beschränkung der Papiergeldausgabe
durch die Reichsbank und eine Art von Budgetkontrolle wurde
günstig beurteilt mit dem Ergebnis, datz Lloyd George aller
Wahrscheinlichkeit »mH de» Vorschlag machen wir-, Sachverständige
zur Prüfung der Lage nach Deutschland zu entsende».

Das Memorandum der Sachverständigen.
London, 9. Aug. Nach den Berichten der Sachverständige«
wird das Memorandum folgende Angaben enthalten: 1. Die 26-
prozentige Abgabe auf ausländische Devisen, die dem Garantie-
komitee ausgeliesert werden soll, sei gemeinsam auf 1250 Millionen
Goldmark im Jahre geschätzt worden, 2. Der Ertrag der deutschen
Zolleinnahmen sei ungefähr auf 300 Millionen Goldmark festgestellt
- worden. 3. Die 60prozenlige Abgabe vom Aktienkapital der auf
dem linken Rhcinufer gelegenen chemischen und Farbsabriken, die
einem interalliierten Syndikat übermittelt werden soll, dürste jeden-
falls, wie die Sachverständigen sagen, 600 Millionen Goldmark
ergeben. Was die Einnahmen der Staatsbergwerke und Staats-
wälder anlangt, so seien die Zistern stark »»gezweifelt worden.
Lord Grey zur Balfournote.
London, 10. Aug. Lord Grey führte gelegentlich einer
Rede, die er in Oxford hielt, aus, die Balfournote habe das Gefühl
des Mttzbehageus gesteigert und die Lösung der europäischen
Schwierigkeiten noch schwieriger gemacht und in weite Ferne gerückt.
Lord Grey führte aus: Vier Dinge seien nötig. 1. Die deutsche
Reparationsschuld mutz reduziert werden. 2. Für die Reparationen
müßte ein Moratorium von genügender Dauer bewilligt werden.
3. Deutschland mühte in den Völkerbund ausgenommen werden.
4. Es müßte etwas getan werden, um Deutschland wieder auf dis
Beine zu stellen. — Er betonte ferner, die französische öffentliche
Meinung mühte einmal den Tatsachen offen ins Gesicht sehen:
Frankreich würde am meisten leiden, wenn Deutschland bankerott
machen würde.

Politische Ueberficht.
Die Veryandlungerr mit Bayern.
Berlin, S. Aug. Der bayerische Ministerpräsi-
dent ist heute morgen in Begleitung der Minister Sch Weyer
und Gürtler in Berlin eingetrosten, um die durch den Bries
des Reichspräsidenten an den bayerischen Ministerpräsidenten an-
geregten Verhandlungen über die Gesetze zum Schutze der
Republik und die bayerische Verordnung aufzunehmen. Lerchen-
feld hat den Reichspräsidenten und den Reichskanz-
ler besucht. Um 11 Uhr haben die Verhandlungen in der Reichs-
kanzlei unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten begonnen.
An den Verhandlungen haben anher den bereits genannten baye-
rischen Ministern der bayerische Gesandte von Preger, von den
Reichsministern neben dem Reichskanzler der Reichs-
jusitzminist er, der Reichsminister des Innern, der
Reichswtrtsch asts Minister und der heute morgen aus
Bayern zurückgekehrte Reichs« rnährungsmini st er tetlge-
nommen. Die Aussprache hat sich über den ganzen Komplex
der zwischen dem Reiche und Bayern zu behandelnden Fragen er-
streckt. Sie wird am Nachmittag in Einzelbesprechungcn zwischen
den beteiligten Ressorts sortgeftihrt.
Man Wird die Verhandlungen mit größtem Interesse verfolgen.
Da der bayerische Ministerpräsident sich von seinem Kabinett
„Richtlinien" hat mitgeben lassen, die als Mindestforderungen
anzusehen sind, so dürften die Verhandlungen nicht so einfach sein.
Man glaubt in Bayern allen Ernstes daran, datz Graf Lerchen-
feld folgendes herausschlagen kann: eine Erklärung des Over-
reich sanw altes, datz er die Strafverfolgung der in Bayern
begangenen Delikte gegen das Reichsschutzgesetz ausnah,nslos den
bayerischen ordentlichen Gerichten überweisen wolle, bindend zu-
sagt; datz der Reichsmtntster des Innern bet Meinungsverschieden-
heiten zwischen Reichs- und Landesregierung nichtdenStaats-
gerichtshof anzurusen, sondern sich bei der Entscheidung der '
Landesregierung zu beruhigen verspricht; datz die Vollzugs-
beamten des Retchskrtmtnalpolizeiamtes nicht unmittelbar, sondern
nur nach besonderer Vereinbarung in Bayern tätig
werden; datz die Retchsregiermtg eine Verfassungsände-
rung im Sinne eines erhöhten Schutzes der Länder gegen Be-
einträchtigung ihrer staatlichen Rechte etwa dahin zusagt, datz Ver-
fassungsänderungen künftig erschwert, und datz Schmälerungen der
Hoheitsrechte der Länder nur mit deren Zustimmung beschlossen
werden dürfen.
Den Standpunkt unserer Partei zu den SoWerbestrebungsu
Bayerns haben wir wiederholt dargelegt und es bedarf wohl keines
besonderen Hinweises mehr, datz wir von der Retchsregiernng for-
dern, datz sie der bayerischen Delegation klar macht, wie verfassungs-
rechtlich und juristisch unhaltbar die bayerische Sonderverord-
nung ist.
Noch kein Ergebnis.
Berlin, 10. Aug. Die gestern zwischen den Regierungsvsr«
tretern des Reiches und Bayern geführten Verhandlungen haben
noch zu keinem Ergebnis geführt und werden, wie die Telunion
hört, heute fortgesetzt werden.
Die Haltung der südwestdeutschen Länder.
Berlin, 9. Aug. Wie wir erfahren, hält sich auch der badi-
sche Staatspräsident Dr. Hummel gegenwärtig inBerli» ans.
Badische politische Kreise haben keinen Zweifel darüber ge-
lassen, datz irgendwelche Sonderforderungen Bayerns
bet ihnen keine Unterstützung finden. Sie lehnen jede Aktion ab,
die die Einheit des Reiches nach innen oder nutzen schwächt.
Gleiche Erklärungen haben auch Württemberg und Hessen
auf bayerische Sondiernngen hin wiederholt in München abgegeben.
Badern ist also bei seinem Vorgehen völlig isoliert.
 
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