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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Inhalt / Arbeitskalender / Mitteilungen der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft / Mitteilungen des Künstlerverbandes Deutscher Bildhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0388

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Die Werkstatt der Kunst.

heft 28

am eignen Bilde, insbesondere aber der angewandten
Kunst, des Kunstgewerbes in das Kunstschutzgesetz
die Sachverständigenkammern aller Voraussicht nach
in größerem Umsange zur Entscheidung über solche
Fragen angegangen werden. Besonders die Bild-
Hauer-Künstlerschaft bringt der praktischen Durch-
führung des Kunstschutzgesetzes das lebhafteste In-
teresse entgegen. Der Umstand, daß der Transport
der bildnerischen Werke auf ungemeine Schwierig-
keiten stößt und oft infolge der Feinheit der Arbeit
und des Bestandes der Materie zum Teil unmöglich
ist, dürfte den Wunsch gerade der Bildhauer berechtigt
erscheinen lassen, zu der künftigen Gestaltung der Sachver-
ständigenkammern auch ihrerseits Stellung zu nehmen.
Zu K s ^atz 2 (Bekanntmachung v. 29. II- s876).
hier ist ohne Anhalt in dem alten und in dem
neuen Kunstschutzgesetze bestimmt, daß in keinem
Bundesstaate mehr als ein künstlerischer, ein photo-
graphischer und ein gewerblicher Sachverständigen-
verein bestehen soll, während K H6 des Gesetzes
vom 9- Januar s9O7 nur vorschreibt, daß für
sämtliche Bundesstaaten Sachverständigenkammern
errichtet werden. Wenn es auch nach den Motiven
zum Literaturgesetz den einzelnen Bundesstaaten über-
lassen ist, sich mit anderen Staaten des Deutschen
Reiches zur Bildung gemeinsamer Sachverständigen-
kammern zu vereinigen, so scheint es doch gesetzlich
nicht unzulässig zu sein, daß in einem Bundesstaate
mehrere Sachverständigenkammern bestehen. Gegen
die Zulassung solcher Kammern könnte freilich u. a.
eingewendet werden, daß dadurch die Einheitlichkeit
der gutachtlichen bezw. schiedsrichterlichen Tätigkeit
gefährdet wird und dein jetzt stärker betonten behörd-
lichen Tharakter der Kammern besser entspricht,
wenn für einen Bundesstaat nur eine solche Be-
hörde besteht. Ohne das Gewicht solcher Gründe
zu verkennen, dürften jedoch diese Bedenkei: mit
gleicher Berechtigung gegen die Errichtung jeglicher
Mehrheit von Sachverständigenkammern geltend ge-
macht werden. Auch der Hinweis auf die, für die
literarischen Sachverständigenkammern gegebene Vor-
schrift in A s Satz 2 der Bekanntmachung vom
sZ. September ssjOs (Zentralblatt für das Deutsche
Reich S. 337) dürfte nicht maßgebend sein.
Es bedarf keiner Ausführung, daß durch die
Vermehrung der Kammern in erhöhtem Grade die
Möglichkeit zur Einforderung und Erstattung von
Gutachten gegeben und die Vermehrung eine stärkere
Heranziehung der Kammern zu den beiden ihnen
obliegenden Funktionen zur Folge haben wird. Bis-
her waren die Sachverständigenoereine, soweit ihre
Gutachtertätigkeit in Betracht kommt, den Gerichten
und insbesondere den Parteien zu wenig bekannt.
Diese behalfen sich erforderlichenfalls mit den ihnen
mehr geläufigen gerichtlichen Sachverständigen. Die
Sachverständigen sollen indessen nach ausdrücklicher
Gesetzesvorschrift (A Abs. 2 Zivilprozeßordnung;
A 73 Abs. 2 Strafprozeßordnung) vor den öffentlich
bestellten — und solche sind die Sachverständigen-

kammern — nur zugezogen werden, wenn besondere
Umstände dies erfordern. Mit der Vermehrung der
Kammern wird aber auch ihre Inanspruchnahme
als Schiedsrichter an Richter Statt, welche bisher
fast gar nicht beliebt wurde, wachsen. Ein Schieds-
richterkollegium, vor welchem nach den: Gesetze
verhandelt werden soll, ist, wenn es nur schwer
zu erreichen ist, so gut als nicht vorhanden. Dies
dürfte der heutige Zustand sein. Der Zweck der
Gesetzgebung war indes offenbar der, den Parteien
ein kollegiales Schiedsrichterorgan zu geben, an
welches sie sich, ohne mit den einzelnen Mitgliedern
bekannt zu sein und ohne mit diesen in Verbindung
treten zu können, wenden konnten. Dies bedeutet
eine nicht unwesentliche Erleichterung für die Er-
ledigung von Streitigkeiten im schiedsrichterlichen
Verfahren, wie sie z. B. infolge privater Verein-
barungen durch Organisation auf den: Gebiete des
Handels und der Industrie mit größtem Erfolge
bereits herbeigeführt ist. Die Kammern sind ferner
bei der ihnen innewohnenden hohen Objektivität zum
Schiedsrichteramt vor allem befähigt und berufen.
Auch aus diesem Grunde ist ihre Anrufung ratsam.
Wieviel Kammern zu bilden sind, dürfte von
dein festzustellenden Bedürfnisse abhängen, nicht
von der für diese Frage zufälligen Mehrheit von
Bundesstaaten. Soweit künstlerische Sachverständigen-
kammern in Frage kommen, wird ein Bedürfnis für
große Kunstzentren, z. B. Berlin, München, Dresden,
Karlsruhe, Düsseldorf, Frankfurt a. M. zu bejahen
sein. So haben auch die Bildhauer-Künstlerschaften
der beiden letztgenannten Städte ausdrücklich um die
Gewährung einer Kammer gebeten.
Aus diesen Gründen geht unser Vorschlag
dahin, unter Streichung des K s Satz 2 der
Bekanntmachung vom 29. Februar s876 zu
bestimmen:
Für jeden Bundesstaat bestimmt die zu-
ständige Zentralbehörde nach dem Bedürfnis
die Zahl, die Art und den Sitz der Sachver-
ständigenkammern.
Zu A 2 in Verbindung mit AK 5 und 6.
Auch für die Zusammensetzung der Sachver-
ständigenkammern dürfte in erster Linie die Bedürfnis-
frage entscheidend sein. Wenn auch das Amt eines
Mitgliedes ehrenamtlich ist und ferner dahin zu
streben sein wird, möglichst die besten und ersten
Kräste zu Mitgliedern zu gewinnen, so muß doch
ein Gesichtspunkt mehr als bisher betont werden,
nämlich der, daß Entscheidungen, welche eine beson-
dere Sachkunde des speziellen Kunstzweiges er-
fordern, also nicht allgemein künstlerisch-urheberrecht-
licher Natur sind, in der Mehrheit von den dem
speziellen Kunstgebiete angehörigen Sachverständigen
gefällt werden. Dieses Erfordernis dürfte unab-
lässig und auch in den zu erlaßenden Bestiminungen
zum Ausdruck zu bringen sein, handelt es sich z. B.
bei einer Plastik um eine gesetzwidrige Nachbildung,
(Fortsetzung auf Seite Z82.)
 
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