Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

DOI Artikel:
D.W.D.K.: Die Zukunft des deutschen Kunstgewerbes. I.
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0546

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
558

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 39.

4- April ^907.
r. An die Nettesten der Naufmannschaft zu Berlin.
Der unterzeichnete Fachverband für die wirtschaftlichen
Interessen der Kunstgewerbes gestattet sich, die Aeltesten
der Kaufmannschaft auf den beiliegenden Vortrag des
Herrn Geheimrat Dr.-Ing. Muthesius aufmerksam zu machen.
Ls erscheint uns nicht möglich, zu glauben, daß eine
Korporation, die kaufmännische Interessen zu vertreten hat,
von dem Programm, welches Herr Geheimrat Muthesius
in seinem Vortrag andeutet, Kenntnis hat.
Wenn ein Bedürfnis nach einem solchen Lehrstuhl,
wie er für Herrn Vr. Muthesius eigens geschaffen wurde,
tatsächlich vorliegen sollte, so ist es erforderlich, daß dieser
Posten von jemandem besetzt wird, der größere Fachkenntnis
und Objektivität entwickelt, als dies Herrn Geheimrat
Or. Muthesius möglich zu sein scheint.
Zur Vermeidung größeren Schadens ersuchen wir die
Aeltesten der Kaufmannschaft im Interesse der in so be-
leidigender Form angegriffenen Kaufleute, „Händler und
Industrielle" (wie sich Herr Vr. Muthesius ausdrückt), den
Lehrstuhl durch eine geeignetere Persönlichkeit zu besetzen.
Nach aufmerksamer Lektüre dieses Vortrages, zweifeln
wir nicht, werden die Aeltesten der Kaufmannschaft selbst
finden, daß ein Lehrer, der den Kaufmannstand so herab-
würdigt, nicht an einem Institut lehren kann, welches den
Aeltesten der Kaufmannschaft untersteht.
Hochachtungsvoll
Der Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen
des Kunstgewerbes
(gez.) Vriellertcüsen.
Vorsitzender.
Don diesen beiden Eingaben gab der Fach-
verband in Rücksicht darauf, daß die betreffenden
Kreise in gleicher Meise, wie das Kunstgewerbe
durch den Vortrag des Herrn Geheimrat Or. Mu-
thesius beleidigt seien, noch Kenntnis: dein Direktor
der Königlicher: akademischer: Hochschule für bildende
Künste, Herrn Wirklichen Geheimen Vberregierungs-
rat Professor Anton von Werner und dem Vorstand
der Vereinigung Berliner Architekten.
Als bis zurr: p Ma: eine Antwort auf die
Eingabe von: Herr:: Handelsminister nicht einge-
gangen war, hielt es der Fachverband für angezeigt,
eine erneute Eingabe mit der Bitte um eine Audienz
bei dem Herrn Handelsminister einzureicher:.
4. Mai .^907.
5. Sr. Lxz. drin Dandelsmimster Derrn v. Delbrück, Berlin.
Lw. Exzellenz!
Der unterzeichnete Fachverband für die wirtschaftlichen
Interessen des Kunstgewerbes gestattet sich ergebenst, Lw. Ex-
zellenz um eine Audienz zu bitten.
Zufolge unserer Eingabe ist in der Presse eine solche
Agitation entstanden, daß die Gefahr vorliegt, hierdurch
den einfachen und klaren Sinn unseres Bestrebens ver-
schleiert zu sehen.
Von seiten unseres Fachverbandes ist keinerlei Notiz
an die Presse gegeben worden, weder direkt noch indirekt.
Um so dringender erscheint uns eine mündliche Verhandlung
im Interesse der Sache nötig.
Wir sind bereit, das zu vertreten, was wir in unserer
Eingabe an Ew. Exzellenz betonten und bitten, uns dazu
Gelegenheit geben zu wollen.
Ew. Exzellenz ganz gehorsamster
Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen
des Kunstgewerbes.
(gez.) k'riellssicüseri
Vorsitzender.

Am s6. Mai ging dem Fachverband folgendes
Antwortschreiben des Herrn Ministers zu, datiert
s5. Mai sH07.
4. An den Lachverband für die wirtschaftlichen Interessen
des Nunstgewerbes.
Auf die Beschwerden vom 28. April und 4. Mai d. I.
Ihre Vorstellungen gegen die Tätigkeit des Geheimen
Begierungsrats Muthesius richten sich gegen wissenschaft-
liche Ausführungen, die er in feiner Eigenschaft als
akademischer Lehrer der hiesigen Handelshochschule und
unabhängig von seiner Tätigkeit als Mitglied
des Landesgewerbeamts gemacht hat. Wenn ich schon
deshalb grundsätzlich Bedenken tragen muß, Ihrem Wunsch
gemäß gegen diese Ausführungen amtlich einzuschreiten,
so vermag ich andererseits auch nicht anzuerkennen, daß
diese Ausführungen Beleidigungen von Berufsklafsen ent-
halten, die ein Eingreifen von Aufsichts wegen erheischen
würden.
Bei dieser Sachlage dürfte sich eine mündliche Be-
sprechung der -Angelegenheit erübrigen.
(gez.) Delbrück.
(In diesen: Schreiben ist irrtümlich auf die Be-
schwerde vom 28. April Bezug genommen, während
sie vom 28. März datiert ist.)
Inzwischen war bereits, von: 30. April fftOc
datiert, von den ,pleitesten der Kaufmannschaft"
folgende Antwort eingelaufen:
5. An den Lachverband für die wirtschaftlichen Interessen
des Nnnstgewerbes.
Die Dozenten der Handelshochschule Berlin genießen
die akademische Lehrfreiheit in demselben Umfange
wie die Dozenten anderer deutscher Hochschulen. Daß im
vorliegenden Falle ein Mißbrauch dieser Lehrfreiheit vor-
liege, haben wir nicht finden können. Nach K 2 der Ordnung
der Handelshochschule Berlin ist ihr Zweck: die für den
kaufmännischen Beruf nötigen und nützlichen Wissenschaften
durch Lehre und Forschung zu pflegen.
Dieser Zweckbestimmung entspricht es, wenn ein Dozent
sich nicht nur damit beschäftigt, seinen Zuhörern die bis-
herigen Ueberlieferungen seines Faches zu bieten,
sondern, wenn er sie auch im Wege der Forschung dazu
anleitet, in richtiger Art Kritik zu üben und an der
Fortentwickelung des Bestehenden zu arbeiten. Eine
solche wissenschaftlich begründete Kritik der bisherigen
Leistungen und die Aufzeichnung der Mittel zur Weiter-
entwickelung in neuen Bahnen ist für Handel und Industrie
nicht nur nicht schädlich, sondern in hohem Maße
förderlich, ja notwendig. Dafür, daß dies in dem
vorliegendem Falle in beleidigender Form geschehen sei,
ist keinerlei Beweis gebracht worden. Aeber den Ton,
welchen die Zuschrift gegenüber einem um das deutsche
Kunstgewerbe hochverdienten Mann anschlagen zu dürfen
glaubt, können wir nur unser tiefstes Bedauern aussprechen.
(gez.) Kuempk. Weibert.
Auf dieses Schreiben der Aeltesten der Kauf-
mannschaft erwiderte der Fachverband mit folgendem
Schreiben:
0. An die^Aeltesten der Nauftnannfchaftz Berlin e.
Der unterzeichnete Fachverband für die wirtschaftlichen
Interessen des Kunstgewerbes bestätigt den Empfang Ihres
Antwortschreibens vom so. April 07.
Wir haben nicht die Absicht, eine zwecklose Kontro-
verse weiterzuspinnen, möchten uns dagegen nur verwahren,
irgend etwas gesagt zu haben, was auch nur von fern die
„akademische Lehrfreiheit" beschränkt. Es gibt eben auch
einen Mißbrauch der Lehrfreiheit, und der liegt hier
eklatant vor, denn die fraglichen Aeußerungen sind „be-
leidigend".
 
Annotationen