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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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D.W.D.K.: Die Zukunft des deutschen Kunstgewerbes. I.
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Heft 39.

Die Werkstatt der Kunst.

539

wir wenigstens stehen ans dein Standpunkte, daß,
wenn heute z. B. ein Jurist es sich beifallen ließe, in seiner
Vorlesung an der Universität zu sagen, alle Rechtsanwälte
lehnten es prinzipiell ab, ethische oder moralische Ziele mit
ihrem Berufe zu verquicken, ihm die aufsichtsführende Be-
hörde wohl klar machen würde, daß das nichts mit der
„freien Forschung" zu tun hätte.
was den Ton unseres Schreibens angeht, so entsprach
er noch nicht im entferntesten der Schärfe des Tones, den
Ihr Dozent in seinem Vortrage über anständige und ehren-
hafte Berufe anweuden zu dürfen glaubte.
Im Kunstgewerbe sind wir so frei, uns als die
Fachleute zu betrachten, denn unsere Arbeit bildet
eigentlich das Fundament, auf dem Ihr Dozent über-
haupt erst stehen kann. Ts steht dem Herrn schlecht an,
die Schultern zu schmähen, die ihn und alle seinesgleichen
tragen.
Nach unserer Auffassung sollten die Hörer an dem
Lehrstuhl für Kunstgewerbe an der Handelshochschule sich
aus den Kreisen des praktischen Kunstgewerbes rekrutieren.
Daß wir unter den obwaltenden Umständen unsere Jugend
nur dringend vor dem Besuche derartiger Vorlesungen, wie
sie jetzt gehalten werden, warnen müssen, ist selbstver-
ständlich.
Zum Schluß möchten wir noch bemerken, daß der
Fachverband mit dem Artikel im „Roland von Berlin"
oder den Zeitungsnotizen in keiner weise etwas zu tun
hat, doch berührt es eigenartig, daß die presse eher von
der Antwort der Aeltesten der Kaufmannschaft Kenntnis
erhalten hat als der Fachverband selbst.
Der Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen
des Kunstgewerbes
(gez.) Kriecterictrseii
Vorsitzender.
Line Anzahl moderner gesinnter kunstgewerb-
licher Firmen ließ dem Fachverband, dessen Mit-
glieder sie waren, folgenden Protest zugehen:
Die unterzeichneten, dem Fachverband angehörigen
Firmen halten sich zur Wahrung ihres kunstgewerblichen
Ansehens für verpflichtet, dem Vorstand des Fachverbandes
für die Art seines Vorgehens gegen Geheimrat Or. Her-
mann Muthesius ihre Mißbilligung auszusprechen.
Sie sprechen den Wunsch aus, daß der Vorstand die
nächste Gelegenheit der Zusammenkunft der Mitglieder des
Fachverbandes benütze, sein Vorgehen gegen Muthesius zu
rechtfertigen. Sic beantragen, daß auf dein Düsseldorfer
Kongreß Gelegenheit einer Aussprache über den Fall herbei-
geführt werde.
Schließlich fordern die unterzeichneten Firmen, daß
der Vorstand in Sachen Muthesius keine weiteren Schritte
tue, ehe er nicht die Meinung der Mitglieder des Fach-
verbundes gehört hat.
Diese Resolution wurde von folgenden Firmen
unterzeichnet: Hohenzollern-Rnnstgewerbehaus: H.
Hirschwald, Inhaber Friedemann öc Rieber; Louis
Busch-Mainz; Anton pössenbacher - München; G.
Rosenfeld öc Go.-Berlin; Karl Bertsch-München.
Die Uneinigkeit im eigenen Lager verdichtete
sich zu einer Eingabe der Minderheit an den
Herrn Minister, in der das Vorgehen des Ver-
bandes desavouiert und dem Herrn Dr.-Ing. Mu-
thesius ein Zutraucnsvotum gegeben wird. Die
Lingabe hat folgenden Riortlaut:
ffr. Lrz. dem Dandelsminister Derrn v. Delbrück, Berlin.
Die unterzeichneten, im deutschen Kunstgewerbe tätigen
Firmen, erheben bei Tw. Exzellenz Einspruch gegen
die vom „Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen

des Kunstgewerbes" Tw. Exzellenz übermittelten Resolutionen,
betreffend die von Herrn Geheimrat Dr.-Ing. Hermann
Muthesius in der Berliner Handelshochschule gehaltene
Lröffnungsvorlesung über die Bedeutung des Kunstgewerbes
und einen in den „Rheinlanden" veröffentlichter: Aufsatz
über „Die nationale Bedeutung des Kunftgewerbes".
Zunächst fei bemerkt, daß diese Resolution lediglich
von dem Arbeitsausschuß des Fachverbandes ausgearbeitet
und beschlossen worden ist und den Mitgliedern nicht vor-
gelegen hat. Ls ist daher durchaus zu bezweifeln, daß
sich die in der Resolution niedergelegte Anschauung des
Arbeitsausschusses mit der Meinung der Mitglieder des
Fachverbandes deckt.
Aber selbst, wenn dies der Fall sein sollte, es halten
die Unterzeichneten für ihre Pflicht, bestimmt und fest gegen
eine abfällige Kritik des schriftstellerischen wirkens des
Geheimrats Dr.-Ing. Hermann Muthesius, als eine völlige
Verkennung der Sachlage, Einspruch zu erheben, wir
können in dieser Resolution des Arbeitsausschusses des
„Fachverbandes für die wirtschaftlichen Interessen des Kunst-
gewerbes" nur die traurige Bestätigung der von Herrn
Geheimrat Dr.-Ing. Hermann Muthesius in diesem und
anderen Aufsätzen gerügten Mißständen im deutschen Kunst-
gewerbe erblicken. Herr Geheimrat Dr.-Ing. Hermann
Muthesius schreibt und unterzeichnet seine Aufsätze alsprivat -
mann, nicht als Beamter, wer nun durch die von einem
Privatmann geübte Kritik betroffen sich nicht anders zu helfen
weiß, als indem er bei der Staatsbehörde Schutz sucht, be-
weist lediglich, daß er nicht mehr imstande, feinen Platz in
der öffentlichen Meinung durch die Güte feiner gewerblichen
Arbeit selbst zu behaupten, andere für das eigene Unver-
mögen verantwortlich zu machen sucht.
Doch zur Ehre des deutschen Kunstgewerbes sei gesagt,
daß das deutsche Kunstgewerbe nicht so kümmerlich und
schwach ist, um eine wie immer geartete öffentliche Kritik
fürchten zu müssen. Im Gegenteil: Jede auf Steigung der
kunstgewerblichen Arbeit gerichtete Bemühung kann sich
nichts Besseres wünschen, als wenn durch eiue schonungslose
Kritik bestehender Mißstände das Publikum erzogen wird,
seine Ansprüche auf gediegene und gute Arbeit zu steigern,
wird nun gar diese Kritik mit der umfassenden Sach-
kenntnis, unter so hohen Gesichtspunkten und aus einer so
unantastbaren ethischen Grundgesinnung heraus geübt, wie
es in den besagten Aufsätzen der Fall ist, so können wir
Kunstgewerbetreibenden dafür nur daukbar sein, wir
frenen uns, daß es in Deutschland Männer gibt,
die, wie Muthesius, ohne parteiische Engherzigkeit, ohne
irgend einem künstlerischen oder gewerblichen Eliquen-
wefen das Wort zu reden, rein aus der Fülle einer
im In- und Ausland gesammelten künstlerichen und
gewerblichen Erfahrung an die Gesamtheit der Nation
die Frage richten: wollen wir ein nationales Kunstge-
werbe, wie wir seit anderthalb Jahrhundert eine nationale
Literatur besitzen, oder wollen wir die unentwegten Nach-
ahmer fremder Sitte, fremder Stile, fremder Kunstempfin-
dungen bleiben, wollen wir wie einst im Mittelalter
ein hochentwickeltes selbstbewußtes Kunstgewerbe, oder soll
die kunstgewerbliche Produktion nur von dem kleinlichen
Gesichtspunkt beherrscht bleiben, durch Befriedigung je-
weiliger Modebedürfnisse den Markt zu versorgen, wollen
wir mit einem Wort Kunstgewerbe als ein reines Geschäft
betrieben wissen oder wollen wir eine Volksangelegenheit
daraus machen, welcher die Erziehung und Veredelung des
Volkes zur Pflicht wird? Diese Zukunftsfrage deut-
scher Kultur in ihrer Bedeutung klar gelegt zu
haben, ist ein Verdienst von Hermann Muthesius.
wir begrüßen es, daß der Staat diesem Manne einen
Wirkungskreis eröffnet hat, der ihm gestattet, die Fragen
kunstgewerblicher Erziehung praktisch in Angriff zu nehmen,
ohne irgendwie seiner geistigen Bewegungsfreiheit Schranken
zu ziehen. In dieser glücklichen Verbindung verwaltender
und schriftstellerischer Tätigkeit des vr. Hermann Muthesius
sehen wir die beste Gewähr für die nachhaltigen und segens-
reichen Wirkungen, wir können Ew. Exzellenz nur
 
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