Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923
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Beaulieu, Héloise von: Mensch und Möbel: gute Möbel sind gute Freunde
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INNEN-DEKORATION
KARL HOFMANN UND FELIX AUGENFELD-WIEN EINGEBAUTE BÜCHEREI IN EINEM HERREN-ZIMMER
MENSCH UND MÖBEL
GUTE MÖBEL SIND GUTE FREUNDE
Es gibt Wohnungs-Einrichtungen, die kultivierter sind,
als die Menschen, die in ihnen hausen. Doch wer
kennt nicht auch jene anderen, wo Menschen zwischen
Dingen wohnen, die sie von irgend jemandem geerbt haben
und die ihren Bewohnern weder angemessen noch würdig
sind? Bei manchem mag wohl einmal Kritik an der nicht
selbst geschaffenen Umgebung einsetzen und der Wunsch,
sich »anders einrichten« zu können. Aber Pietät und
praktische Erwägungen werden häufig solche Wünsche
zum Schweigen bringen. Und hat der Mensch erst eine
Reihe von Jahren zwischen seinen Möbeln gelebt, so
stellt sich eine Gewohnheits-Liebe, ein Freundschafts-
Verhältnis ein, das auch dadurch nicht getrübt wird, daß
man an dem Freunde einmal »etwas auszusetzen« hat.
Diese Gewöhnung darf allerdings nicht in Stumpfheit
und Trägheit ausarten, die aus Bequemlichkeit es unter-
läßt, dem Heim die bestmögliche Form zu geben . .
Gemüts-, Geistes- und Geschmacks-Kultur gehen wohl
nicht immer parallel. Vornehme Menschen bewegen sich
aber mit Anmut auch zwischen unzulänglichen Dingen,
unter denen sie selbst das Einzige sind, was »Stil« hat.
Das ist immerhin besser, als das Umgekehrte! Die von
feinen, gütigen Menschen bewohnte, schlichte Einrich-
tung wird stets über die luxuriöse » Stilwohnung« obsiegen,
in der alles vom edelsten Stoffe ist außer ihren Be-
wohnern. Wohl haben die Dinge eine eigene Schönheit
und Gesetzmäßigkeit, ein geheimnisvolles Leben für sich,
— aber nur solange der Mensch in dieses stille Für-Sich-
Sein nicht störend eingreift. Denn im Aufeinander-
Wirken von Mensch und Ding ist der Mensch der stär-
kere. Die Gebrauchs-Dinge nehmen etwas von dem
Charakter des Gebrauchers an. Jede Wohnung, jeder
Raum hat eine eigene Atmosphäre, die aus den Gewohn-
heiten, der Gesinnung, der seelischen Qualität der Be-
wohner quillt. Ein Flügel, auf dem Gassenhauer gespielt
werden, ist nicht derselbe wie einer, auf dem ehrfürchtige
Hände Beethoven und Schubert zum Tönen bringen.
Durch kleine Anzeichen verraten sich Unkultur und Un-
bildung doch irgendwie, sie entwerten den edelsten Haus-
rat. Aber gütige, zarte Hände können auch das Unzu-
längliche adeln, sie wissen mit kleinen Mitteln auch über
das schlichte Heim einen Anmuts-Hauch zu breiten. Das
Wünschenswerte ist freilich, und glücklicherweise kommt
es doch häufig vor: — daß Mensch und Möbel ein-
INNEN-DEKORATION
KARL HOFMANN UND FELIX AUGENFELD-WIEN EINGEBAUTE BÜCHEREI IN EINEM HERREN-ZIMMER
MENSCH UND MÖBEL
GUTE MÖBEL SIND GUTE FREUNDE
Es gibt Wohnungs-Einrichtungen, die kultivierter sind,
als die Menschen, die in ihnen hausen. Doch wer
kennt nicht auch jene anderen, wo Menschen zwischen
Dingen wohnen, die sie von irgend jemandem geerbt haben
und die ihren Bewohnern weder angemessen noch würdig
sind? Bei manchem mag wohl einmal Kritik an der nicht
selbst geschaffenen Umgebung einsetzen und der Wunsch,
sich »anders einrichten« zu können. Aber Pietät und
praktische Erwägungen werden häufig solche Wünsche
zum Schweigen bringen. Und hat der Mensch erst eine
Reihe von Jahren zwischen seinen Möbeln gelebt, so
stellt sich eine Gewohnheits-Liebe, ein Freundschafts-
Verhältnis ein, das auch dadurch nicht getrübt wird, daß
man an dem Freunde einmal »etwas auszusetzen« hat.
Diese Gewöhnung darf allerdings nicht in Stumpfheit
und Trägheit ausarten, die aus Bequemlichkeit es unter-
läßt, dem Heim die bestmögliche Form zu geben . .
Gemüts-, Geistes- und Geschmacks-Kultur gehen wohl
nicht immer parallel. Vornehme Menschen bewegen sich
aber mit Anmut auch zwischen unzulänglichen Dingen,
unter denen sie selbst das Einzige sind, was »Stil« hat.
Das ist immerhin besser, als das Umgekehrte! Die von
feinen, gütigen Menschen bewohnte, schlichte Einrich-
tung wird stets über die luxuriöse » Stilwohnung« obsiegen,
in der alles vom edelsten Stoffe ist außer ihren Be-
wohnern. Wohl haben die Dinge eine eigene Schönheit
und Gesetzmäßigkeit, ein geheimnisvolles Leben für sich,
— aber nur solange der Mensch in dieses stille Für-Sich-
Sein nicht störend eingreift. Denn im Aufeinander-
Wirken von Mensch und Ding ist der Mensch der stär-
kere. Die Gebrauchs-Dinge nehmen etwas von dem
Charakter des Gebrauchers an. Jede Wohnung, jeder
Raum hat eine eigene Atmosphäre, die aus den Gewohn-
heiten, der Gesinnung, der seelischen Qualität der Be-
wohner quillt. Ein Flügel, auf dem Gassenhauer gespielt
werden, ist nicht derselbe wie einer, auf dem ehrfürchtige
Hände Beethoven und Schubert zum Tönen bringen.
Durch kleine Anzeichen verraten sich Unkultur und Un-
bildung doch irgendwie, sie entwerten den edelsten Haus-
rat. Aber gütige, zarte Hände können auch das Unzu-
längliche adeln, sie wissen mit kleinen Mitteln auch über
das schlichte Heim einen Anmuts-Hauch zu breiten. Das
Wünschenswerte ist freilich, und glücklicherweise kommt
es doch häufig vor: — daß Mensch und Möbel ein-