INNEN-DEKORATION
243
Die Erzeugnisse beider
Arbeitsweisen: der Hand
und der Maschine bestehen
heute nebeneinander.
Da wir nun weder auf das
Erzeugnis der einen noch
auf das der anderen auch
in unserer Wohnung ver-
zichten können und wollen,
beide aber dicht nebenein-
ander oder gar an einem
Stück einander schlecht
vertragen, so werden wir
uns für die Arbeiten der
einen oder der anderen
Gruppe in jedem einzelnen
Falle entscheiden müssen.
Räume, in denen das Ele-
ment des Nützlichen, des
Gebrauchs, der Zeiterspar-
nis überwiegt, werden das
Maschinen-Erzeugnis, die
Räume, die für Ruhe undBe-
haglichkeit bestimmt sind,
werden die Erzeugnisse der
Hand aufnehmen. Unsere
Häuser und Wohnräume
müssen also eine Beweg-
lichkeit, eine freie Mannig-
faltigkeit aufweisen, die es
ihnen ermöglicht, diese
Kontraste zur Einheit ein-
zubeziehen. Ein »einheit-
licher Stil« im engeren
Sinne ist aus diesem Grunde
heute unmöglich und alle
Versuche, einen solchen zu
schaffen, müssen mißlingen.
Das von der Maschine
zurückgedrängte Kunst-
handwerkmüßtenun eigent-
lich einen ständig »abneh-
menden« Teil unserer Produktion bilden. Aber das
Gegenteil ist, wie sich beobachten läßt, der Fall. Die
kunsthandwerkliche Möbel-Erzeugung samt Schnitzereien
und Intarsien hat sehr erheblich zugenommen, Hand-
stickereien und Spitzen, Batik und Kunsttapeten, Kunst-
keramiken und Metallarbeiten und andere Erzeugnisse
der verschiedensten Zweige jedes erdenklichen Kunst-
handwerks werden in steigenden Mengen produziert . .
Worin ist diese Tatsache begründet? Weit mehr als
das Bedürfnis, derartige Erzeugnisse zu verwenden,
wächst das Bedürfnis, sie herzustellen!. Die Söhne
der alten Handwerker wurden wohl Arbeiter in den
Fabriken. Aber der fortschreitenden Bildung und dem
steigenden Selbstbewußtsein des Menschen genügt es
nicht mehr, acht Stunden des Tages rein mechanische
Arbeit zu verrichten, um sie abends in Zerstreuungen
möglichst schnell zu vergessen. Der arbeitende Mensch
hat wieder das gesunde Bestreben, Freude an seiner
Arbeit zu finden, diese seiner erhöhten Geistestätig-
keit anzupassen. Er wird dadurch notwendig wieder
dem Kunsthandwerk zugeführt, das ihm eine höhere
Befriedigung gewährt, da
er hier in manueller und
geistiger Arbeit gleich-
mäßig sich betätigen kann.
So ergibt sich die merk-
würdige Erscheinung einer
Ubergangszeit, daß das Be-
dürfnis und das Vermögen,
kunsthandwerklicheGegen-
stände zu schaffen, die
Aufnahmefähigkeit und das
Vermögen der Konsumen-
ten-Kreise, diese zu ver-
wenden, übertrifft.. Eine
Erscheinung, die von größe-
rer Bedeutung ist, als es auf
den ersten Blick erscheinen
mag. Weshalb unser neues
Kunsthand werkimmerneue
Betätigungsfelderzusuchen
genötigt sein wird, um
seinen erheblichen Kräfte-
Überschuß unterbringen zu
können. . josef frank-wien
D'
f. augenfeld. hertha bucher 11. e. fessler. kachelofen
AS WELTHAFTE.
Nicht das trotzig Ab-
getrennte sucht der neue
Mensch, sondern das Aus-
strömende und Verbinden-
de, das Objektive und All-
gemeingültige. Es handelt
sich darum, daß der Mensch
aus dem Ich-Wahn fliehe
und das Du ergreifen lerne,
daß er welthaft und schöpf e-
risch werde, daß er das
kostbare und beglückende
Erlebnis wieder finde: eine
stoffliche, wirkliche Welt
für sein Leben, Denken
und Handeln, heinr. ritter.
DAS BERUHIGENDE WESEN. Die Wohnräume
und Einzelmöbel der Architekten Hof mann und
Augenfeld in Wien, die hier Seite 240 — 246 gezeigt
werden, haben das beruhigende Wesen eines selbst-
sicheren, klarblickenden und wohlgestalteten Menschen,
eines wohldisponierten und wohlgepflegten Gartens, in
dem jedes Gewächs gesund sich entfaltet, eines eben-
mäßig und vollkommen gebauten technischen Gerätes. Sie
stehen jenseits von theoretischem Geplänkel und von
fragendem Zweifel. Da ist ruhige Sachlichkeit, Rein-
lichkeit und Klarheit, knappgefaßte Form und nichts
Kleinliches. Das Gebrauchs-Tüchtige steht schlicht und
in guter Haltung zur Verfügung, und das künstlerisch
Gehobene steht gleichwertig und ohne Anmaßung dabei,
auch sein Dasein in bester Haltung erfüllend. Zur er-
freuenden Einheit gebunden sind die — so oft noch ge-
trennten — beiden Welten der Technik und der Kunst.
Und in den sanften Schwingungen der Lichtträger, in
leichten Wellenlinien der Möbelteile klingt aus dieser
wohligen Beruhigung des formalen Einklangs, aus dem
Glück der Erfüllung eine schwebende Melodie auf. h.l.
243
Die Erzeugnisse beider
Arbeitsweisen: der Hand
und der Maschine bestehen
heute nebeneinander.
Da wir nun weder auf das
Erzeugnis der einen noch
auf das der anderen auch
in unserer Wohnung ver-
zichten können und wollen,
beide aber dicht nebenein-
ander oder gar an einem
Stück einander schlecht
vertragen, so werden wir
uns für die Arbeiten der
einen oder der anderen
Gruppe in jedem einzelnen
Falle entscheiden müssen.
Räume, in denen das Ele-
ment des Nützlichen, des
Gebrauchs, der Zeiterspar-
nis überwiegt, werden das
Maschinen-Erzeugnis, die
Räume, die für Ruhe undBe-
haglichkeit bestimmt sind,
werden die Erzeugnisse der
Hand aufnehmen. Unsere
Häuser und Wohnräume
müssen also eine Beweg-
lichkeit, eine freie Mannig-
faltigkeit aufweisen, die es
ihnen ermöglicht, diese
Kontraste zur Einheit ein-
zubeziehen. Ein »einheit-
licher Stil« im engeren
Sinne ist aus diesem Grunde
heute unmöglich und alle
Versuche, einen solchen zu
schaffen, müssen mißlingen.
Das von der Maschine
zurückgedrängte Kunst-
handwerkmüßtenun eigent-
lich einen ständig »abneh-
menden« Teil unserer Produktion bilden. Aber das
Gegenteil ist, wie sich beobachten läßt, der Fall. Die
kunsthandwerkliche Möbel-Erzeugung samt Schnitzereien
und Intarsien hat sehr erheblich zugenommen, Hand-
stickereien und Spitzen, Batik und Kunsttapeten, Kunst-
keramiken und Metallarbeiten und andere Erzeugnisse
der verschiedensten Zweige jedes erdenklichen Kunst-
handwerks werden in steigenden Mengen produziert . .
Worin ist diese Tatsache begründet? Weit mehr als
das Bedürfnis, derartige Erzeugnisse zu verwenden,
wächst das Bedürfnis, sie herzustellen!. Die Söhne
der alten Handwerker wurden wohl Arbeiter in den
Fabriken. Aber der fortschreitenden Bildung und dem
steigenden Selbstbewußtsein des Menschen genügt es
nicht mehr, acht Stunden des Tages rein mechanische
Arbeit zu verrichten, um sie abends in Zerstreuungen
möglichst schnell zu vergessen. Der arbeitende Mensch
hat wieder das gesunde Bestreben, Freude an seiner
Arbeit zu finden, diese seiner erhöhten Geistestätig-
keit anzupassen. Er wird dadurch notwendig wieder
dem Kunsthandwerk zugeführt, das ihm eine höhere
Befriedigung gewährt, da
er hier in manueller und
geistiger Arbeit gleich-
mäßig sich betätigen kann.
So ergibt sich die merk-
würdige Erscheinung einer
Ubergangszeit, daß das Be-
dürfnis und das Vermögen,
kunsthandwerklicheGegen-
stände zu schaffen, die
Aufnahmefähigkeit und das
Vermögen der Konsumen-
ten-Kreise, diese zu ver-
wenden, übertrifft.. Eine
Erscheinung, die von größe-
rer Bedeutung ist, als es auf
den ersten Blick erscheinen
mag. Weshalb unser neues
Kunsthand werkimmerneue
Betätigungsfelderzusuchen
genötigt sein wird, um
seinen erheblichen Kräfte-
Überschuß unterbringen zu
können. . josef frank-wien
D'
f. augenfeld. hertha bucher 11. e. fessler. kachelofen
AS WELTHAFTE.
Nicht das trotzig Ab-
getrennte sucht der neue
Mensch, sondern das Aus-
strömende und Verbinden-
de, das Objektive und All-
gemeingültige. Es handelt
sich darum, daß der Mensch
aus dem Ich-Wahn fliehe
und das Du ergreifen lerne,
daß er welthaft und schöpf e-
risch werde, daß er das
kostbare und beglückende
Erlebnis wieder finde: eine
stoffliche, wirkliche Welt
für sein Leben, Denken
und Handeln, heinr. ritter.
DAS BERUHIGENDE WESEN. Die Wohnräume
und Einzelmöbel der Architekten Hof mann und
Augenfeld in Wien, die hier Seite 240 — 246 gezeigt
werden, haben das beruhigende Wesen eines selbst-
sicheren, klarblickenden und wohlgestalteten Menschen,
eines wohldisponierten und wohlgepflegten Gartens, in
dem jedes Gewächs gesund sich entfaltet, eines eben-
mäßig und vollkommen gebauten technischen Gerätes. Sie
stehen jenseits von theoretischem Geplänkel und von
fragendem Zweifel. Da ist ruhige Sachlichkeit, Rein-
lichkeit und Klarheit, knappgefaßte Form und nichts
Kleinliches. Das Gebrauchs-Tüchtige steht schlicht und
in guter Haltung zur Verfügung, und das künstlerisch
Gehobene steht gleichwertig und ohne Anmaßung dabei,
auch sein Dasein in bester Haltung erfüllend. Zur er-
freuenden Einheit gebunden sind die — so oft noch ge-
trennten — beiden Welten der Technik und der Kunst.
Und in den sanften Schwingungen der Lichtträger, in
leichten Wellenlinien der Möbelteile klingt aus dieser
wohligen Beruhigung des formalen Einklangs, aus dem
Glück der Erfüllung eine schwebende Melodie auf. h.l.