Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0150
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Michel, Wilhelm: Lebens-Weisheit: kleine "Geschichten" eines griechischen Weisen
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INNEN-DEKORATION
129
PROFESSOR EMIL FAHRENKAMP
KLEIDER- UND WASCHESCHRANK
LEBENS-WEISHEIT
KLEINE »GESCHICHTEN« EINES GRIECHISCHEN WEISEN
Von Plato gibt es ehrfurchtgebietende Systeme und
herrliche Weisheit in kunstvollen Schriften; Aristo-
teles, Epikur, Parmenides und alle die andern haben Lehr-
Meinungen hinterlassen. Aber wollt ihr nun wissen, wie
das Lebensgefühl dieser Großen wirklich beschaffen
war, so tappt ihr im Dunkeln.. Im Ernst: Zwar ist das
geistige Petrefakt, was ein großer Mensch seinem Dasein
abgewinnt, sehr köstlich, und Tausende von Geschlech-
tern können sich daran erbauen.. Aber was hat ein Mensch
schließlich Köstlicheres und Entscheidenderes als seine
unmittelbare Lebens-Regung, den Aushauch seines
inneren Lebenskernes, wie er deutlich wird in Wort,
Geste und Blick und in der Art, dem täglichen Ereignis
zu begegnen?.. Nietzsche sagte, er habe aus den alten,
»Philosophen-Anekdoten« des Diogenes von Laerte
mehr vom Geist der alten Weisen kennen gelernt, als
aus ihren sämtlichen Schriften. Schriften »verhüllen«
ebensosehr wie sie »entschleiern«. Habhaft werden wir
eines Menschen nur, wenn wir ihm eine Sekunde lang »ins
Auge sehen« . . Und das ist es, was die lehrreichen
»Geschichten« des alten Diogenes von Laerte leisten . .
*
Aristoteles, der Erzieher Alexanders des Großen,
gab einem übel berüchtigten Bettler ein Almosen. Als
man ihn fragte, warum er einen so schlechten Menschen
beschenke, sprach er: »Nicht den schlechten Men-
schen, sondern den Menschen habe ich beschenkt«.
Plato bestieg einmal ein wildes Pferd, tummelte es
und sprang nach sehr kurzer Zeit wieder ab. Man fragte
ihn nachdem Grund; er antwortete: »Ich wollte mich
von der Wildheit des Tieres nicht anstecken lassen«.
★
Ein Sklave Piatos zerbrach versehentlich einmal ein
kostbares Gerät. Er sah den Zorn seines Herrn und bat
um Gnade. »Freue Dich«, sagte dieser, »daß ich zornig
bin, — andernfalls würde ich Dich gezüchtigt haben«.
Diogenes geriet in die Gefangenschaft der Seeräuber
und sollte als Sklave in Kreta verkauft werden. Als er
zu diesem Zwecke auf dem Markt feilgeboten wurde,
ging ein reicher Korinther, Xeniades, in sehr üppiger,
weichlicher Kleidung vorüber. »Verkauft mich dem
da«, schrie da Diogenes, »der braucht einen Herrn«!
*
Einstmals tat Diogenes, der Zyniker und Sonderling,
vor dem Tyrannen Dionys einen Fußfall, um ein Ge-
schenk von ihm zu erhalten. Man schmähte ihn, daß er
sich soweit erniedrigt habe. Er lachte: »Kann ich etwas
dafür, daß Dionysius seine Ohren an den Füßen hat?«
+
Thaies lehrte Gleichgültigkeit gegen den Tod, denn
zwischen Tod und Leben sei kein Unterschied. »Warum
bringst du dich denn nicht um?«, fragte man ihn. Thaies
antwortete: »Ebendeshalb, weil kein Unterschied ist«.
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PROFESSOR EMIL FAHRENKAMP
KLEIDER- UND WASCHESCHRANK
LEBENS-WEISHEIT
KLEINE »GESCHICHTEN« EINES GRIECHISCHEN WEISEN
Von Plato gibt es ehrfurchtgebietende Systeme und
herrliche Weisheit in kunstvollen Schriften; Aristo-
teles, Epikur, Parmenides und alle die andern haben Lehr-
Meinungen hinterlassen. Aber wollt ihr nun wissen, wie
das Lebensgefühl dieser Großen wirklich beschaffen
war, so tappt ihr im Dunkeln.. Im Ernst: Zwar ist das
geistige Petrefakt, was ein großer Mensch seinem Dasein
abgewinnt, sehr köstlich, und Tausende von Geschlech-
tern können sich daran erbauen.. Aber was hat ein Mensch
schließlich Köstlicheres und Entscheidenderes als seine
unmittelbare Lebens-Regung, den Aushauch seines
inneren Lebenskernes, wie er deutlich wird in Wort,
Geste und Blick und in der Art, dem täglichen Ereignis
zu begegnen?.. Nietzsche sagte, er habe aus den alten,
»Philosophen-Anekdoten« des Diogenes von Laerte
mehr vom Geist der alten Weisen kennen gelernt, als
aus ihren sämtlichen Schriften. Schriften »verhüllen«
ebensosehr wie sie »entschleiern«. Habhaft werden wir
eines Menschen nur, wenn wir ihm eine Sekunde lang »ins
Auge sehen« . . Und das ist es, was die lehrreichen
»Geschichten« des alten Diogenes von Laerte leisten . .
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Aristoteles, der Erzieher Alexanders des Großen,
gab einem übel berüchtigten Bettler ein Almosen. Als
man ihn fragte, warum er einen so schlechten Menschen
beschenke, sprach er: »Nicht den schlechten Men-
schen, sondern den Menschen habe ich beschenkt«.
Plato bestieg einmal ein wildes Pferd, tummelte es
und sprang nach sehr kurzer Zeit wieder ab. Man fragte
ihn nachdem Grund; er antwortete: »Ich wollte mich
von der Wildheit des Tieres nicht anstecken lassen«.
★
Ein Sklave Piatos zerbrach versehentlich einmal ein
kostbares Gerät. Er sah den Zorn seines Herrn und bat
um Gnade. »Freue Dich«, sagte dieser, »daß ich zornig
bin, — andernfalls würde ich Dich gezüchtigt haben«.
Diogenes geriet in die Gefangenschaft der Seeräuber
und sollte als Sklave in Kreta verkauft werden. Als er
zu diesem Zwecke auf dem Markt feilgeboten wurde,
ging ein reicher Korinther, Xeniades, in sehr üppiger,
weichlicher Kleidung vorüber. »Verkauft mich dem
da«, schrie da Diogenes, »der braucht einen Herrn«!
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Einstmals tat Diogenes, der Zyniker und Sonderling,
vor dem Tyrannen Dionys einen Fußfall, um ein Ge-
schenk von ihm zu erhalten. Man schmähte ihn, daß er
sich soweit erniedrigt habe. Er lachte: »Kann ich etwas
dafür, daß Dionysius seine Ohren an den Füßen hat?«
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Thaies lehrte Gleichgültigkeit gegen den Tod, denn
zwischen Tod und Leben sei kein Unterschied. »Warum
bringst du dich denn nicht um?«, fragte man ihn. Thaies
antwortete: »Ebendeshalb, weil kein Unterschied ist«.