Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923
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Graichen, Karl: Vom guten Stil: Fragen und Antworten
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INNEN-DEKORATION
architekt karl graichen-leipzio
halle mit kamin. haus g.~ bingen
VOM GUTEN STIL
fragen und antworten
Stil-Möbel?« Ein alter, aber gediegener Ärger des
Architekten. Die verschiedensten Leute haben ihn
sich von der Seele geschrieben, aber er taucht immer
wieder auf: »Nun wohl, Herr Architekt; wir wünschen
aber Stilmöbel. Die sieht man sich nie über, die bleiben
immer schön!« Wer kennt sie nicht, diese Töne und
diesen Ärger? Aber eine Frage: Was wollen diese Auf-
traggeber eigentlich damit sagen? Wenn sie echte, alte
Möbel wollten, müßten sie zum Antiquitäten-Händler.
Und wünschen sie in der Tat »Kopien« echter, alter
Möbel, Talmi-Ware? Tragen sie denn auch Simili-Bril-
lanten? .. Etwas feststehend Schönes möchten sie, lautet
die Antwort, und Zeitloses; ohne Risiko, mit Garantie;
»Stil-Devisen« sozusagen in ihrer Möbel-Einrichtung . .
*
Soll man ihnen jedesmal auseinandersetzen, daß es
einen »zeitlosen Stil« nicht gibt? Wie langweilig. Oder
daß sie, wenn sie Einrichtungs-Stücke in diesem ver-
wässerten, sogenannten »Renaissance«- oder »Louis
Seize«-Stil, also etwas »Nach«-Gemachtes statt einer
Original-Arbeit verlangen, etwas beschaffen, das
keinen Wert hat und nie wirklichen Wert haben wird;
das später einmal nur als Erzeugnis einer geschmack-
losen Produktion sicherlich beiseite geschoben wird? . .
Soll man ihnen auseinanderzusetzen versuchen, daß
man Stilmöbel nicht ohne Vergewaltigung dem Zeitgeist
anpassen kann, — wohl aber neue Möbel, falls dies sein
muß, im Geist alter Stile herstellen kann; daß dies aber
ein großer Unterschied ist? . . Daß ferner alle Stile ein-
mal »neu« waren und ihre Kinderkrankheiten hatten,
und daß der »moderne Stil« längst über seine Kinder-
krankheiten hinaus und verfestigt ist, und es den Schaf-
fenden heute nur darauf ankommt, daß eine Einrichtung,
ein Möbelstück in der Form, also im Stil gut ist? . . .
*
Das eine wäre ihnen jedenfalls zu sagen, — und das
werden sie wohl verstehen, — daß man sich allerdings
etwas mit dem neuen Kunsthandwerk beschäftigen
muß, wenn man sich »in gutem Stil« einzurichten
wünscht; daß die Frau, — wie sie eifrig ihre Modenzei-
tung verfolgt, um sich zeitgemäß und stilgemäß zu
kleiden, so auch die Kunstzeitschriften ansehen muß, um
beurteilen zu können, was gut ist, und wie man sich
heute in gutem Stil einrichtet! . . Denn es gibt auch
einen »Stil-Snobismus« —, der glaubt, in »Stil-Devisen«
Werte anzulegen, — ohne zu ahnen, daß er sich ganz
erheblich täuscht, und daß er noch sehr weit entfernt
ist von dem guten Stil in seinem Heim, karl graichen.
INNEN-DEKORATION
architekt karl graichen-leipzio
halle mit kamin. haus g.~ bingen
VOM GUTEN STIL
fragen und antworten
Stil-Möbel?« Ein alter, aber gediegener Ärger des
Architekten. Die verschiedensten Leute haben ihn
sich von der Seele geschrieben, aber er taucht immer
wieder auf: »Nun wohl, Herr Architekt; wir wünschen
aber Stilmöbel. Die sieht man sich nie über, die bleiben
immer schön!« Wer kennt sie nicht, diese Töne und
diesen Ärger? Aber eine Frage: Was wollen diese Auf-
traggeber eigentlich damit sagen? Wenn sie echte, alte
Möbel wollten, müßten sie zum Antiquitäten-Händler.
Und wünschen sie in der Tat »Kopien« echter, alter
Möbel, Talmi-Ware? Tragen sie denn auch Simili-Bril-
lanten? .. Etwas feststehend Schönes möchten sie, lautet
die Antwort, und Zeitloses; ohne Risiko, mit Garantie;
»Stil-Devisen« sozusagen in ihrer Möbel-Einrichtung . .
*
Soll man ihnen jedesmal auseinandersetzen, daß es
einen »zeitlosen Stil« nicht gibt? Wie langweilig. Oder
daß sie, wenn sie Einrichtungs-Stücke in diesem ver-
wässerten, sogenannten »Renaissance«- oder »Louis
Seize«-Stil, also etwas »Nach«-Gemachtes statt einer
Original-Arbeit verlangen, etwas beschaffen, das
keinen Wert hat und nie wirklichen Wert haben wird;
das später einmal nur als Erzeugnis einer geschmack-
losen Produktion sicherlich beiseite geschoben wird? . .
Soll man ihnen auseinanderzusetzen versuchen, daß
man Stilmöbel nicht ohne Vergewaltigung dem Zeitgeist
anpassen kann, — wohl aber neue Möbel, falls dies sein
muß, im Geist alter Stile herstellen kann; daß dies aber
ein großer Unterschied ist? . . Daß ferner alle Stile ein-
mal »neu« waren und ihre Kinderkrankheiten hatten,
und daß der »moderne Stil« längst über seine Kinder-
krankheiten hinaus und verfestigt ist, und es den Schaf-
fenden heute nur darauf ankommt, daß eine Einrichtung,
ein Möbelstück in der Form, also im Stil gut ist? . . .
*
Das eine wäre ihnen jedenfalls zu sagen, — und das
werden sie wohl verstehen, — daß man sich allerdings
etwas mit dem neuen Kunsthandwerk beschäftigen
muß, wenn man sich »in gutem Stil« einzurichten
wünscht; daß die Frau, — wie sie eifrig ihre Modenzei-
tung verfolgt, um sich zeitgemäß und stilgemäß zu
kleiden, so auch die Kunstzeitschriften ansehen muß, um
beurteilen zu können, was gut ist, und wie man sich
heute in gutem Stil einrichtet! . . Denn es gibt auch
einen »Stil-Snobismus« —, der glaubt, in »Stil-Devisen«
Werte anzulegen, — ohne zu ahnen, daß er sich ganz
erheblich täuscht, und daß er noch sehr weit entfernt
ist von dem guten Stil in seinem Heim, karl graichen.