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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Kratz, Heinrich: Volkstümliche Möbel und Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0117

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INNEN-DEKORATION

AUS »HOUSE & GARDEN«—NEW-YORK WOHNZIMMER. W. FRENCH & CO.

VOLKSTÜMLICHE MÖ

Die Geschichte vergangener und neuerer Zeiten zeigt,
daß Völker, die sich des Besitzes ihrer völkischen
Eigenkultur entäußern, ihre Selbständigkeit verlieren . .
Darum sollen wir unsere völkische Eigenart pflegen. Nicht
nur durch Schaustellung der spärlichen Volkskunst-Reste
in Museen; unsere Bauweise, unser Wohnraum, unser
Hausrat sollte in höherem Maße aus dem Gefühl des
Verwachsenseins mit dem Heimatboden entstehen . .
Unerschöpflich quillt ein tiefer Brunnen: die deutsche
Volkskunst. Trinken wir aus diesem Jungbrunnen! . .

Man weiß heute nicht, oder vergißt, daß die eigent-
liche Kunst des Möbel-Baues zum großen Teil durch
niederdeutsche Handwerker vor Zeiten ins Ausland kam.
Wenn von uns heute so manches aus englischer, hollän-
discher Wohnkunst wieder geholt wird, mancherlei We-
senszüge jener schönen, alten Formen, so nehmen wir
damit nur wieder auf, was einst von uns entlehnt wurde. .

Betrachten wir alte Möbel und allerlei Hausrat aus
der Niederrhein-Gegend, wie sie in Privat- und Museen-
besitz, oder in Veröffentlichungen uns zugänglich sind,
so fällt uns auf, wie sich bei diesen Arbeiten oft das
gotische Grundelement im Aufbau und auch im ornamen-
talen Beiwerk lang noch erhalten hat, trotzdem die Zeit
längst zu anderer Stil-Auffassung gekommen war. Doch
vereint sich hier harmonisch all das scheinbar Gegensätz-
liche. Wir staunen, mit welch beharrlicher Kraft und mit
welchem Feingefühl jene Meister das gute Alte mit dem
guten Neuen zur Einheit zu verschmelzen verstanden . .

Fein und doch kraftvoll ist die Behandlung der
Schnitzerei jener alten, niederrheinischen Arbeiten.
Wie fein verteilt sitzt hier und da Schrift! Wie sinnig ist
die alte Sitte, Hausrats-Stücke mit dem Namen des Be-
sitzers und der Jahreszahl der Entstehung zu versehen.
Wunderbar rankt und spielt das Ornament über die Fläche.
»Baldachin-Betten«, — wie man sie heute wieder auf
weitem Umweg von England geholt, — findet man noch
in Hannover und Braunschweig. Wenn auch bäuerlich
derb, ist ihr Ornament doch eigenartig schön. Die Trag-

EL UND RAUMKUNST

pfosten besonders haben meist, bei aller Einfachheit, sehr
gut durchgebildete Formen . . Die Stühle mit gedrehten
Fußstollen und ebensolcher Stegverbindung, mit geschweif-
ten Lehnschwingen und geflochtenem Strohsitz haben die
gleiche Form wie die behaglichen Stühle, auf denen wir
vor Jahren an flandrischen Kaminen gesessen haben. . .

[Im bergischen Land, jener hügeligen Gegend zwischen
Ruhr und Wupper, sind noch besonders schöne Stücke
alter Handwerkskunst zu finden: Breitbehäbige Schränke
und Sessel von bodenständiger Art; Innenräume, deren
Schrankwerk, Tische, Gestühl und allerlei Beiwerk sich
zwanglos zu einem charaktervollen Ganzen fügen. . . .

Immer von neuem staunt man, wie einheitlich in der
Haltung die von verschiedener Hand stammenden Ar-
beiten sind. Wie werkstoffgerecht sind die Schnitzereien,
wie reizvoll die sogenannten »holländischen« Anrichten mit
mehrstufigen Tellerbords und schönem, buntem Geschirr.

Auch das westfälische Sauerland hat noch beachtens-
werte Beispiele echter Heimatkunst. Öfen, Kamine und
zum Teil auch die Wände zeigen Fliesen mit wechseln-
den Schmuckmotiven. Blumen, Blumentöpfe, biblische
Darstellungen, geometrische Muster, Schiffe, Wind-
mühlen, Hirten mit Weidevieh, mit aller natürlichen Ein-
falt frohgemut hingesetzt, beleben die glatte Fläche. . .

Im deutschen Küstengebiet ist der »Danziger Barock«-
Schrank heimisch. Anheimelnd sind hier die Innenräume.
Hoch getürmt in der Bettnische die Betten, der Stolz
der Hausfrau. Unter dem Bett: Schubkasten, um die
Staatskissen während der Nacht aufzunehmen . . Wie ge-
mütlich sind die niederdeutschen Kamine! Mit allem
nötigen Feuergerät sind sie ausgestattet. Da sind Schaufel,
Feuerzange, Schüreisen, Blasebalg oder Feuerpuster und
die durchbrochen ziselierte Bettwärm-Pfanne. Auch der
Zündstockbehälter aus Messing mit lustiger Treibarbeit
fehlt nicht. Allerlei Kleingerät zum Backen von Kuchen
und Waffeln ist zu finden . . Besonders malerisch wirkt
der Vierländer-Stuhl. Fein verteilt ist Luft und Fläche
bei dem ausgesägten Ornament der Rücklehne der schö-
nen, alten Bauernstühle .. Bemerkenswert sind die Staats-
 
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