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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Breuhaus de Groot, Fritz August: Bauherrin und Bau-Aufgabe: Frauen wählen mit sicherem Blick
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0313

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BAUHERRIN UND BAU-AUFGABE

frauen wählen mit sicherem blick

Ein kluger Mann, der ein geschmackvolles Haus oder
ein vornehm-behagliches Heim plant, wird stets mit
bestem Erfolg die Wahl des Architekten, die Durch-
arbeitung und Besprechung der Grundlagen, der Pläne
und der Einrichtung in die Hände einer geistreichen Frau
legen .. Der kluge Mann weiß, welch sicheres Empfin-
den die Frauen für »schöne Dinge« haben, — mit denen
ihr Leben inniger verwoben ist, als das des Mannes . .
Stärker denn je beanspruchen heute die Geschäfte des
überstürzten Wirtschaftslebens die vollen Geisteskräfte
des Mannes, — und da das Planen eines Hauses, eines
Raumes, — selbst eines Möbels, einer Lampe und der schein-
bar unwichtigsten Gegenstände, — sehr viel Zeit, wohl-
bedachteÜberlegung und ein von dem Getriebe der hasten-
den Zeit freies und unbeschwertes Gehirn erfordert, so ist
die Frau, infolge ihrer natürlichen Begabung für alles
Schöne, die berufene Leiterin dieser Aufgaben . .

*

Ich spreche hier von jenen kultivierten und geistvollen
Frauen, die den grauen Alltag in ihrer Umgebung zu ver-
drängen vermögen, die Sonne in ihr Heim zwingen, die
den kleinsten Dingen im Heim liebende Sorgfalt ent-
gegenbringen und sie mit ihren schmalen, kühlen Händen
belebend gestalten. Diese Frauen werden ihre Aufgabe
immer feinfühliger lösen als der Mann . . Eine solche Frau
wählt mit treffsicherem Blick; sie hat aus unseren vor-
trefflichen Kunstzeitschriften Erfahrungen und Kenntnisse
gesammelt, sie weiß: wie ihr Haus, ihre Räume, ihre
Möbel, alle diese Dinge sein müssen, um ihren persön-
lichen Wünschen und ihrer Lebenshaltung zu ent-
sprechen. Sie kennt die Namen der Künstler, die ihrem
Geschmack zusagen, und entwickelt am traulichen Feuer
des Kamins in guter Stunde ihre Pläne und Vorschläge.
Man schreibt an die Bauherren, für die der erwählte
Architekt Bauten plante und Räume komponierte; man
bittet den Künstler zum Tee, bespricht mit ihm die Mög-
lichkeiten und ergründet, ob er nicht nur Künstler, sondern
auch ein Mann von Kultur ist, der feinempfindend alle
Anregungen verstehen wird, und mit dem es eine Freude
sein wird, die Neu-Einrichtung zu planen und zu beraten.

*

Und dann beginnt die frohe und doch so ernsthafte und
mühevolle Arbeit, die erforderlich ist, bis sie vom Er-
folge gekrönt wird . . Wer weiß wohl den ganzen Arbeits-
umfang solcher langsam reifenden Pläne, der Hunderte
von Skizzen und Farbproben, der unzähligen Wege zu
den Werkstätten, der ganzen, vielfältig verzweigten
Leistung völlig zu würdigen? Man kann ruhig sagen:
der Architekt hat nicht nur den verantwortungsvollsten,
sondern auch den kompliziertesten aller Berufe . . In alten
Zeiten, — die weniger »Bildung« hatten als unser
modernes Europa, aber mehr Kultur, — wußte man das
vielleicht besser zu würdigen. Die heutige Menschheit
wird wohl in Schulen und Hochschulen mit allerlei Bil-
dungsstoff vollgefüttert, sie wohnt höchst »zivilisiert« mit
allen hygienischen Einrichtungen, — aber die wesentliche
kultivierte »Lebensform« fehlt: die Einrichtungen ihrer
Wohnungen, die Möbel, Bilder und »Kunst«-Gegen-
stände darinnen beleidigen meist Augen, die das Schöne
kennen und lieben! Bestenfalls behelfen sich diese — in
vielem »wissenden«, aber fast durchweg nicht »sehen-

den«, nicht »fühlenden« Menschen — mit sogenannten
»Antiquitäten«, — oder sie fallen in das andre Extrem
und lassen sich »nach neuester Mode expressionistisch«
einrichten und glauben damit das Ihre getan zu haben . .
Schulten doch diese Menschen alle ihr Form-Empfinden,
ihre Augen; holten sie nach, was die Schule versäumte 1
Besuchten sie die guten Sammlungen, die Buchläden,
läsen sie die guten Kunst-Zeitschriften, in deren aus-
gelesenen Abbildungen zu ersehen ist, wie die neue
Kunst unserer Zeit, auf der Grundlage alter kunsthand-
werklicher Tüchtigkeit wiederaufbauend, Schritt für
Schritt an Boden gewonnen hat und Vortreffliches leistet!
Jeder Buchhändler, der nach Veröffentlichungen bester
Wohnungskunst gefragt wird, wird in der Lage sein, Bände
voller Kostbarkeiten vorzulegen. Wer dann eine Woh-
nung abgebildet findet, die ihm zu gefallen scheint, er-
bitte vielleicht sich gelegentlich Eintritt in dieses vorbild-
liche Heim; die Besitzer schöner Dinge werden wohl
meist gerne dem Besucher die Besichtigung gestatten . .

*

Aber wir wollten von den Frauen erzählen, die ge-
meinsam mit dem Architekten das Heim planen 1 Der
Grundriß ist nunmehr in den Grundzügen festgelegt und
aufskizziert; während die Dame sich tastend in die Räume
hineindenkt, sieht der Künstler schon sein vollendetes
Werk. Dieses und jenes wird abgewogen und geprüft:
man begleitet den Eintretenden, weilt am Kamin in der
Halle, sieht die festliche Tafel im Speisezimmer und
durchwandelt den Musik-Raum. Boudoir und Schlaf-
Raum, das Badezimmer mit seinen Einrichtungen durch-
streifen auf dem Grundriß die Gedanken, man geht die
Wege des Dieners, durchwandert Küche und Vorrats-
räume, bestimmt die Kammern und die Schränke. Und
dann kommen die Möbel daran: man wählt mit Sorgfalt
die Hölzer und die Farben, man entscheidet über die
Gestaltung der Decken und Wände, über Teppiche und
die Stoffe im Raum, über die Lichtträger und Bilder.
Wenn mit viel Liebe all dieses überdacht und besprochen
und vollendet wird, dann muß das Werk gelingen. . . .

*

Man fragte mich einmal: Welche Erfahrungen ich mit
baulustigen Frauen gemacht hätte, — und erwartete,
ich würde ein wenig gutes Urteil fällen . . »Sie irren«,
muß ich denen, die mich kennen wollen, sagen, — »nicht
aus Höflichkeit, nicht weil ich den schönen Frauen eben-
soviel Liebe und Verehrung entgegenbringe, wie meiner
Kunst, — sondern aus ehrlichster Überzeugung be-
haupte ich, nach allen meinen Erfahrungen, daß die
Frauen ganz besonders berufen sind, die gestaltende
Arbeit des Architekten zu fördern 1 . Selbst in Fällen,
wo die Frauen nur als fähig zur Leitung des Haushalts
angesehen und von den kleinen Sorgen des Alltags ge-
quält waren, ließ sich immer Sinn und Liebe für
Kunst feststellen, — und so konnten auch hier in gemein-
samer Lösung der Aufgabe oft Räume und Einrichtungen
geschaffen werden, die dem Auftraggeber, wie dem
Künstler zur vollen Freude wurden.« fritz aug. breuhaus.



AUFBAU. Der Meister eines Baues gräbt den Grund
1\. nur desto tiefer, als er hoch und höher will.
Und langsam nur entsteht, was einer wollte. . . goethe.
 
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