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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Lang, Hugo: Melodie des Ostens: Beherrschung des Gleichgewichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0292

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INNEN-DEKORATION

fritz august breuhaus-köln-bonn

bücherschrank. herrenzimmer dr. d.

MELODIE DES OSTENS

beherrschung des gleichgewichts

Taucht aus den Tiefen, die kein Senkblei lotet, eine
Melodie, dann tauen und tanzen die Herzen plötz-
lich. Nichts vermag sie zu hemmen . . Drängen Erkennt-
nisse, Wahrheiten ins Dunkel, währt es lang, bis sie wirken.
Vielem gelingt es, sie zu hemmen . . Leichter als alles
schmeichelt sich in das Geschehen der Welt die Melodie.

*

Weisheit des Ostens drang oft nach Westen, ohne zu
wirken; Melodie des Ostens aber verzauberte immer
von neuem das Abendland: Goldene Luft des Reichs
der »Mitte«, süße Musik der seidenblauen Himmel,
linde Windflöte der Natur, magisch-schillernder Märchen-
vogel, der ewig ruhlos sich wandelt, leichtbeweglirher
Geist, der über der Tiefe tänzelt, berückende Lust
des beherrschten »Gleichgewichts«, lächelnd verwegenes
Spiel, Schweben statt Stehen, Fliegen statt Gehen. . .

*

Immer von neuem fordert die singende Seele des
Ostens den Geist der Schwere des grauen Westens zum
Tanz: In des Rokoko beschwingten, aller Schwere ent-
hobenen Formen und flüsternden Farben, zuvor schon
in der Gotik ekstatisch vollzogener Lösung von Last
und Leiden, im befreiten Steinwerk, in flammenden
Fenstern der Kathedralen, in verfalteter Gewänder Ge-
wölk, in entkörpert aufstürmenden und umflammten Wim-
pergen und Fialen, die in die lichten Wolken steigen.
Und wieder sucht der Gesang des Ostens die west-
liche Formenwelt aus ihrer Erstarrung zu lösen. Neben

den drohend ragenden Kuben der Silos, Turmhäuser,
Fabriken beginnen die in Lächeln gelösten Rhythmen
östlicher Weise, östlicher Wesens-Art aufzuklingen . .
F. A. Breuhaus ist einer der ersten, der entschlossen
die neue Weise annimmt und in Gestaltungen seiner
Räume und Einrichtungsstücke selbständig zum Aus-
druck zu bringen trachtet. Da ist kein Verbiegen oder
Verdrehen, kein Verlieren des selbsterrungenen Stand-
punkts, keine leichthingenommene Angleichung, son-
dern ein Schweben in gleicher Schwingung, ein Erfühlen
des Wesens der neuen Weise, ein sicheres Wiegen in
den Takten kunstvoll gefügter Schritte und Bewegungs-
Formen: so vollzieht sich der gemessen-graziöse Tanz.

*

Nicht die vielen sind hier zur Mitarbeit berufen, nur
jene, die in gleicher Leichtigkeit gestalten, ohne zu strau-
cheln. Spannkraft und natürliche Grazie, eine leicht, aber
bestimmt führende Hand, Freude ins Freie, Lust am
Abenteuer sind die Ausrüstung. Weit spannt sich wie-
der um den wacheren Menschen der helle Horizont,
enge Grenzen verschwinden, das Seltene und Seltsame
liegt lockend gebreitet, beglänzt von der goldenen
Sonne des Aufgangs, die über allem Spiel gütig lächelt.

*

»Gottes ist der Orient, Gottes ist der Occident«, sang
Goethe vor hundert Jahren: »> Nord und West und Süd
zersplittern. Throne bersten, Reiche zittern. Flüchte Du,
im reinen Osten Patriarchenluft zu kosten«, hugo lang.

1933. IX 3.
 
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