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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

DOI Artikel:
Lang, Hugo: Das Material und der Mensch
DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Technik und der Mensch, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0200

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INNEN-DEKORATION

179

DAS MATERIAL
UND DER MENSCH

Ist es nur zwecklose »Spielerei«,
was da an niedlichen »Nippes«,
an bunten Porzellan-Vasen, an
Ton-Schalen u. Fayence-Tellern
in den Wohnungen der Men-
schen herumsteht u. herumhängt,
meist ohne sichtlichen »Ge-
brauchs«-Zweck? Oder hat es
einen tieferen »Sinn«, daß in
Tausenden von Formen seit Jahr-
tausenden der Mensch solche
Dinge produziert: nicht nur als
» Gebrauchs-Gerät«, sondern nur
zur »Freude«, — und daß diese
Produktion ständig noch zu-
nimmt? Der Energie-Aufwand,
der sich hier vollzieht, beweist
zur Genüge den Sinn dieses Ge-
schehens: Aus »Erde«, — mit
Hilfe der Hand und mit Hilfe
des Feuers, — erstehen diese
Gebilde, in denen der Menschen-
Geist die Materie zu erkennen
und mit seinem Wesen zu
durchdringen sucht, — in denen
die Materie durch den Menschen-
Geist gewandelt, geformt und »erhöht«
höchsten Ausdruck ihres Wesens findet.

adelbert niemeyer. porzellan-vase

wird und den
Wäre nur die

nüchterne Lebens-Notdurft und nicht auch die schöpfe-
rische Lust der Antrieb, nie würde ein solcher Aufwand,
soviel Liebe, soviel Arbeit hingegeben, um die Materie
zur »Höchstform« zu bringen!. Der derbe, leicht form-
bare Töpfer-Ton erhält durch
die Hand oder auf der Dreh-
scheibe Halt und Gestalt, derb-
glasiert und bunt bemalt erreicht
er die Daseinsform, in der er dem
Menschen dienen und ihn er-
freuenkann. . Die mattrote, eisen-
haltige Terrakotta-Erde be-
hält ihren ernsten Charakter auch
in der Verarbeitung.. Zu fest-
licher Wirkung wird der poröse
Ton-Scherben gehoben, als »M a -
jolika«, durch die undurchsich-
tig-weiße Blei- oder Zinnglasur;
ebenso das härtere Steingut
der »Fayencen«, die mit ihren
leuchtenden Farben dem bemal-
ten Porzellan sich nähern.. In
behäbig-schlichten Gebrauchs-
Formen findet das feuerfeste,
dichtere Steinzeug seine Er-
füllung; einfarbig-gleichmäßige
Schmelzglasuren, durchsichtig
und oft kristallinisch, überziehen
den Grund.. Edler noch ist das
Porzellan: rein-weiße Erde,
Kaolin, Quarz und Feldspat, eng
verbunden mit der gleichartigen,
klaren Glasur; schmiegsam läßt

professor adelbert niemeyer. porzellan-vase

es zu tänzerisch-leichten Gebil-
den sich formen, rundlich und
fließend wird seine Oberfläche
im Scharffeuerbrand, dünn und
klingend wie Glas läßt es als Ge-
fäß sich bilden. Auf dem rein-
weißen Grund aber erblühen die
Schmelz-Farben, — in den zarten
Tönen der im Scharffeuer des
Garbrandes sich entwickelnden
Unterglasur-Malerei, oder den
leuchtenden Tönen der schwä-
cher gebrannten Muffel-Farben,
zu ihrer höchsten Klarheit.. So
sucht forschend, arbeitend, künst-
lerisch schaffend der Mensch die
Materie in allen ihren Daseins-
formen seinem Lebensprozeß ein-
zugliedern, sie mit-emporzu-
heben in seinem unermüdlichen
Ringen nach Erleben, Umfassen
des Kosmos, nach dem Erfassen
des immer Vollkommeneren..
Nur wo Eros, der Mächtige und
Zarte, der Verbindende, immer
süchtignach »Verkörperung« das
Menschen-Schaffen durchglüht,
da entsteht das Beseelte.. h. l.


TECHNIK U. DER MENSCH (schlusss. 177)

Denn eine Wahrheit, eine Notwendigkeit wird bestehen
bleiben, solange das Weltall Menschen im heutigen
Sinne hegt. Die Wahrheit nämlich, daß der Mensch
alles bewältigen, in den Bereich des Menschen einbe-
ziehen kann, was sich ihm aus tellurischem Bereich ent-
gegenwirft : daß er es bewältigen
muß, sollen überhaupt Begriffe
wie Welt, Gestalt, Form, Kosmos
einen Sinn behalten. Das Schöp-
fergebot »Machet euch die Erde
untertanl« wird allen Wechsel
überdauern. Nicht die herrsch-
süchtig-rohe Kraft, sondern die
sinnvoll ordnende Macht ruft
dieses Gebot zur Tat. Die lie-
bende und ordnende Macht, ver-
möge deren der schaffende
Mensch alles Irdische in seine
Seele zieht, hat eine feurige Ge-
walt, deren Hitze hoch über dem
Schmelzgrad aller widerspensti-
gen Stofflichkeit gelegen ist. w.m.


II EBE. In dem Augenblick, wo
Liebe uns ergreift, zum
Menschen, zur Gottheit oder zur
Kreatur, löst sich jede Span-
nung des eigenen Wollens, wir
sind nicht wir selbst, und sind
doch zum erstenmal wahrhaft wir
selbst, wir leuchten und mit uns
die Welt, in einem neuen Lichte,
dagegen ist alles Denken ein ver-
gessener Schatten. . w. rathenau.

1923. VI. 8.
 
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