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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Lichtwark, Alfred: Kunstschaffen und Kunstgenuss
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0267

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INN EN-DEKORATION

hofmann und augenfeld —wien. vitrine

SCHRANK MIT VITRINE FÜR EIN ESSZIMMER

KUNSTSCHAFFEN UND KUNSTGENUSS

Kunst bedeutet uns eine Tatsache des Gefühls, nicht
des Verstandes. Künstlerische Bildung ist uns nicht
ein Wissen um Werke oder um Kunst- und Künstler-
Geschichte, sondern die Entwicklung der empfin-
denden und gestaltenden Kräfte. Sie beginnt für
uns nicht mit der Sehnsucht nach dem verklärten Einst
und Fern, sondern mit der Liebe zum Heut und Hier.
Wir wollen das Alte und Fremde beileibe nicht aus-
schließen, — denn wozu sollten wir uns mutwillig ärmer
machen? Aber wir wollen, ehe wir uns ihm hingeben,
festen und sicheren Boden unter den Füßen haben. .

*

Wir haben zu lange wesentlich der Intelligenz gelebt.
Es ist Zeit, daß die schöpferischen Kräfte der Seele
zur Entfaltung kommen . . Es kommt in der Kunst nicht
darauf an, daß etwas »gemacht«, sondern, daß etwas
ausgedrückt wird. Das »Machen« läßt sich mit Hilfe
einer guten Schulung und einer gewissen Intelligenz er-
lernen. Soweit kann jeder kommen, der nicht unter dem
Durchschnitt begabt ist . . Von Kunst darf aber erst die
Rede sein, wenn eine neue und eigene Empfindung
Gestalt gewonnen hat. Das ist der Grund, weshalb

soviele Erzeugnisse, die als Mache keinen Tadel verdienen,
mit der Kunst nichts zu tun haben. Wer die eigene und
starke Empfindung nicht hat, kann nicht Künstler werden,
und wer sie besitzt, dem wird selbst einmal eine Unzuläng-
lichkeit des technischen Ausdrucks-Vermögensübersehen.



Uber Kunst reden ist leicht, — aber vor einem Kunst-
werk vermag nur der ein nützliches Wort zu sagen, der
die Leistung zu erkennen im Stande ist. Und das ist
sehr schwer. Das Publikum sucht die Betätigung des
kritischen Vermögens meist im »Fehler-Suchen«, — und
es pflegt gar nicht zu merken, daß es sich damit im ein-
zelnen Falle den Genuß verdirbt oder verderben läßt, in
der Wiederholung aber die Genußfähigkeit schließlich
völlig unterbindet. Genießen kann die Kunst nur, wer
sich ihr mit ganzer Seele hingibt . . Alfred lichtwark.



DIE LÄUTERUNG. Solchen Menschen, die mich
etwas angehen, wünsche ich Leiden, Verlassenheit,
Elend . . Ich habe kein Mitleid mit ihnen, weil ich ihnen
das einzige wünsche, was heute beweisen kann, ob einer
Wert hat oder nicht, — daß er standhält. Nietzsche.
 
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