Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0207
DOI article:
Lang, Hugo: Vom schöpferischen Gegensatz
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0207
186
INNEN-DEKORATION
entwurf: architekt hans pitsch-w1en
vitrine, sessel u. teetisch in nussholz
VOM SCHÖPFERISCHEN GEGENSATZ
Die Bedeutung des »Gegensatzes« in der Entwick-
lung und im Leben hat der Philosoph, Mystiker und
Dialektiker G. W. F. Hegel klar formuliert. Immer ent-
steht, nach Hegels Darlegung, die organisch höhere Stufe
als »Negation« der bestehenden; diese Negation ist in-
dessen nicht gleichbedeutend mit Vernichtung oder Zer-
störung, sondern sie ist die Erscheinung des zur Höher-
Entwicklung notwendigen »polaren Bestandteils«, der zu
seiner Formwerdung das Bestehende verwertet und ver-
wandelt . . Der Keim im Ei entwickelt sich, von diesem
Gesichtspunkt gesehen, als »Negation« des Eis, er ver-
zehrt oder verwandelt die vorhandenen Grundstoffe, das
entstehende Lebewesen zerbricht die alte Form, die
Schale: ein neues, selbständiges Wesen tritt ins Dasein.
Diese »Negation der Negation« nennt Hegel »Synthese«.
So sagt Hegel: »Der Widerspruch ist die Wurzel
aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern
etwas in sich selbst einen Widerspruch hat, bewegt es
sich, hat Trieb und Tätigkeit.. Wo aber die Kraft zur
Entfaltung und Zuspitzung des Widerspruchs fehlt, geht
der Gedanke, das Ding, das Wesen am Widerspruch zu-
grunde« .. Auch das Göttliche selbst ist nach Hegel in
der »Entwicklung« begriffen, es entfaltet sich und die
Welt — sein äußeres Kleid — von Stufe zu Stufe höher,
vermittelst des ihm selbst innewohnenden Gegensatzes . .
Diese tiefe Weisheit gibt zu fruchtbaren Gedanken-
gängen Anlaß, die in unserer Zeit manche große und
kleine Probleme des politischen, wirtschaftlichen, kultu-
rellen und künstlerischen Lebens in einem »neuen Lichte«
erscheinen lassen. Für den schaffenden Künstler zu-
mal ist die Erkenntnis des »schöpferischen Gegen-
satzes« von Wert, da sie die Intensität seiner Leistung
und seines Werkes zu steigern vermag. Denn dem Ge-
heimnis des Lebens kommt er näher, wenn er erlebt,
daß jedes lebensvolle Kunstwerk, — wie jedes lebendige
Gebilde der Natur, eine natürliche »Einheit« mit stärk-
ster »innerer Spannung« ist, mit scharf geprägten,
dynamisch sich auswirkenden, polaren Gegensätzen, die
zugleich gebunden sind zur statischen Einheit vermöge des
im Mikrokosmos wie im Makrokosmos harmonisch aus-
gleichenden »Gleichgewichts-Prinzips«. . hugo lang.
D
AS ERLEBNIS. Nicht das Erlernen ist das, was
uns nottut, — sondern das Erleben. . Aristoteles.
INNEN-DEKORATION
entwurf: architekt hans pitsch-w1en
vitrine, sessel u. teetisch in nussholz
VOM SCHÖPFERISCHEN GEGENSATZ
Die Bedeutung des »Gegensatzes« in der Entwick-
lung und im Leben hat der Philosoph, Mystiker und
Dialektiker G. W. F. Hegel klar formuliert. Immer ent-
steht, nach Hegels Darlegung, die organisch höhere Stufe
als »Negation« der bestehenden; diese Negation ist in-
dessen nicht gleichbedeutend mit Vernichtung oder Zer-
störung, sondern sie ist die Erscheinung des zur Höher-
Entwicklung notwendigen »polaren Bestandteils«, der zu
seiner Formwerdung das Bestehende verwertet und ver-
wandelt . . Der Keim im Ei entwickelt sich, von diesem
Gesichtspunkt gesehen, als »Negation« des Eis, er ver-
zehrt oder verwandelt die vorhandenen Grundstoffe, das
entstehende Lebewesen zerbricht die alte Form, die
Schale: ein neues, selbständiges Wesen tritt ins Dasein.
Diese »Negation der Negation« nennt Hegel »Synthese«.
So sagt Hegel: »Der Widerspruch ist die Wurzel
aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern
etwas in sich selbst einen Widerspruch hat, bewegt es
sich, hat Trieb und Tätigkeit.. Wo aber die Kraft zur
Entfaltung und Zuspitzung des Widerspruchs fehlt, geht
der Gedanke, das Ding, das Wesen am Widerspruch zu-
grunde« .. Auch das Göttliche selbst ist nach Hegel in
der »Entwicklung« begriffen, es entfaltet sich und die
Welt — sein äußeres Kleid — von Stufe zu Stufe höher,
vermittelst des ihm selbst innewohnenden Gegensatzes . .
Diese tiefe Weisheit gibt zu fruchtbaren Gedanken-
gängen Anlaß, die in unserer Zeit manche große und
kleine Probleme des politischen, wirtschaftlichen, kultu-
rellen und künstlerischen Lebens in einem »neuen Lichte«
erscheinen lassen. Für den schaffenden Künstler zu-
mal ist die Erkenntnis des »schöpferischen Gegen-
satzes« von Wert, da sie die Intensität seiner Leistung
und seines Werkes zu steigern vermag. Denn dem Ge-
heimnis des Lebens kommt er näher, wenn er erlebt,
daß jedes lebensvolle Kunstwerk, — wie jedes lebendige
Gebilde der Natur, eine natürliche »Einheit« mit stärk-
ster »innerer Spannung« ist, mit scharf geprägten,
dynamisch sich auswirkenden, polaren Gegensätzen, die
zugleich gebunden sind zur statischen Einheit vermöge des
im Mikrokosmos wie im Makrokosmos harmonisch aus-
gleichenden »Gleichgewichts-Prinzips«. . hugo lang.
D
AS ERLEBNIS. Nicht das Erlernen ist das, was
uns nottut, — sondern das Erleben. . Aristoteles.