Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0277
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Schiebelhuth, Hans: Wohnungskunst des Ostens: das Wesen der östlichen Raumkunst
DOI Artikel:Schiebelhuth: Reise-Segen
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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKTEN SH1M1ZU, GUMl & CO.-TOKYO
WOHNRAUM MIT BILD-NISCHE U. HAUSALTAR
Europa nicht ohne Einfluß auf die japanische Wohn-
gesittung geblieben, die Japaner haben Zivilisatorisches,
Technisches und Praktisches von uns übernommen. Der
Maurer fängt an, beim Hausbau Arbeit zu bekommen.
Für das einst papierbezogene Fenster setzte sich die
Glasscheibe durch. Die Einführung des elektrischen
Lichts hat es mitgebracht, daß die Lampe auch tagsüber
im Zimmer hängen muß. Den modernen Japaner stört
es nicht mehr, wenn Sitzkissen und Räucherbecken im
Zimmer bleiben, er läßt ein Schreibbrett mit Fernsprecher
in die Fensternische einziehen, ein Wandschrank im Raum
kann offenstehen, einTeetischchen mag ruhig in der Nische
bleiben, auch Kamine und Öfen werden eingebaut. Aber
am Wesen des japanischen Wohnens haben diese Neue-
rungen nichts geändert, der bewegliche Charakter
des Wohnsystems, die Freiheit von starrer Symme-
trie und Regel ist geblieben. Und wenn auch heute ein
breiter Tafeltisch in irgendeinem Empfangszimmer steht,
und sich zuweilen offener Hausrat zeigt, diese Zimmer
sind trotzdem nicht »möbliert«, das heißt ihre Wohn-
lichkeit wird keineswegs durch Möbelstücke bestimmt,
sondern diese Wohnlichkeit besteht an sich durch die
Art des Raumes. Und dann hat dieser Hausrat nicht
wie bei uns nun feste Plätze, wo er stets stehen muß,
er tritt auch nicht in Fülle und Überfülle wie in einer
westlichen Wohnung auf, nirgends kommt es zur Erstar-
rung und Verfestigung wie bei uns, denn alle diese Gegen-
stände können verschwinden, sobald es die Stunde ver-
langt, und das Zimmer bleibt Zimmer und reiner Raum.
Sollten hier nicht auch die europäischen Innen-Archi-
tekten, sinn- und gesetzverstehend und auf die Wert-
Verarbeitung bedacht, lernen können? Könnte für uns
nicht in manchen Punkten diese östliche Wohnart an-
regend sein ? Eine solche Frage ist zweifellos mit ja zu
beantworten. Und hierzu ist zu hoffen, daß wir es nicht
äußerlich nachahmend, sondern praktisch und geistig zu-
gleich aus der Erkenntnis der Grundlagen der eigenen
und der fremden Wohnkultur tun. . . hans schiebelhuth.
REISE-SEGEN. Tut Türen weit auf. Viel Licht fließt
über Fliesen. Wandrer steh auf. Gürte Dich. Freu
Dich ins Fremde. Geh gegen Wolken. Zieh wider Wind,
Berg und Tal, stille Straße. Überm Weg weben Wün-
sche, Gold, Glück. — Geh gut. Die Götter haben Deine
Stirn geküßt. Nichts Böses wird Dir begegnen. Allwege
wartet Dein eine gnädig schirmende Hand. Wohne tief
im Wunder der fremden Nacht, erlausche, was Dir ein
andrer Traumvogel zärtlich verrät. Leere den Becher
ganz und hebe dann wieder weiter auf Pfaden ins Licht
leichtleicht den Fuß . . hans schiebelhuth (aus »wegstbrn«).
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKTEN SH1M1ZU, GUMl & CO.-TOKYO
WOHNRAUM MIT BILD-NISCHE U. HAUSALTAR
Europa nicht ohne Einfluß auf die japanische Wohn-
gesittung geblieben, die Japaner haben Zivilisatorisches,
Technisches und Praktisches von uns übernommen. Der
Maurer fängt an, beim Hausbau Arbeit zu bekommen.
Für das einst papierbezogene Fenster setzte sich die
Glasscheibe durch. Die Einführung des elektrischen
Lichts hat es mitgebracht, daß die Lampe auch tagsüber
im Zimmer hängen muß. Den modernen Japaner stört
es nicht mehr, wenn Sitzkissen und Räucherbecken im
Zimmer bleiben, er läßt ein Schreibbrett mit Fernsprecher
in die Fensternische einziehen, ein Wandschrank im Raum
kann offenstehen, einTeetischchen mag ruhig in der Nische
bleiben, auch Kamine und Öfen werden eingebaut. Aber
am Wesen des japanischen Wohnens haben diese Neue-
rungen nichts geändert, der bewegliche Charakter
des Wohnsystems, die Freiheit von starrer Symme-
trie und Regel ist geblieben. Und wenn auch heute ein
breiter Tafeltisch in irgendeinem Empfangszimmer steht,
und sich zuweilen offener Hausrat zeigt, diese Zimmer
sind trotzdem nicht »möbliert«, das heißt ihre Wohn-
lichkeit wird keineswegs durch Möbelstücke bestimmt,
sondern diese Wohnlichkeit besteht an sich durch die
Art des Raumes. Und dann hat dieser Hausrat nicht
wie bei uns nun feste Plätze, wo er stets stehen muß,
er tritt auch nicht in Fülle und Überfülle wie in einer
westlichen Wohnung auf, nirgends kommt es zur Erstar-
rung und Verfestigung wie bei uns, denn alle diese Gegen-
stände können verschwinden, sobald es die Stunde ver-
langt, und das Zimmer bleibt Zimmer und reiner Raum.
Sollten hier nicht auch die europäischen Innen-Archi-
tekten, sinn- und gesetzverstehend und auf die Wert-
Verarbeitung bedacht, lernen können? Könnte für uns
nicht in manchen Punkten diese östliche Wohnart an-
regend sein ? Eine solche Frage ist zweifellos mit ja zu
beantworten. Und hierzu ist zu hoffen, daß wir es nicht
äußerlich nachahmend, sondern praktisch und geistig zu-
gleich aus der Erkenntnis der Grundlagen der eigenen
und der fremden Wohnkultur tun. . . hans schiebelhuth.
REISE-SEGEN. Tut Türen weit auf. Viel Licht fließt
über Fliesen. Wandrer steh auf. Gürte Dich. Freu
Dich ins Fremde. Geh gegen Wolken. Zieh wider Wind,
Berg und Tal, stille Straße. Überm Weg weben Wün-
sche, Gold, Glück. — Geh gut. Die Götter haben Deine
Stirn geküßt. Nichts Böses wird Dir begegnen. Allwege
wartet Dein eine gnädig schirmende Hand. Wohne tief
im Wunder der fremden Nacht, erlausche, was Dir ein
andrer Traumvogel zärtlich verrät. Leere den Becher
ganz und hebe dann wieder weiter auf Pfaden ins Licht
leichtleicht den Fuß . . hans schiebelhuth (aus »wegstbrn«).