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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Jaumann, Anton: Die natürliche Einheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0168

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INN EN-DEKORATION

147

DIE NATÜRLICHE EINHEIT

Eingekapselt durch die sechs Wände, zu gemeinsamem
Leben verurteilt — oder begnadigt, sind die Dinge
im Raum in unablässiger Auseinandersetzung mit sich,
den Nachbarn und den Raum-Komponenten begriffen.
Es ist nicht möglich, eine Vase, oder überhaupt irgend
einen Gegenstand in ein Zimmer zu bringen, ohne daß
sofort die gesamte Belegschaft des Raumes dazu Stellung
nimmt. Ein »neuerTon« ist zum Akkord hinzugekommen.
Das verändert unweigerlich seinen Klang, seinen Charak-
ter. Dem hellen Eindringling tritt das Vorhandene mit
getragener Würde entgegen, oder auch mit gewitter-
dunkler Feindschaft. Es dauert seine Zeit, bis die »Ein-
gliederung« gelingt, bis etwa der helle Gast als Oberton
eines neuen Akkordes assimiliert wird. Aber der Wille
zur Einordnung ist immer vorhanden, die Auseinander-
setzung, die niemals vollständig zur Ruhe kommt, ist kein
sinnlos-zänkischer Streit. Oberstes Ziel bleibt stets, aus
dem bunten Vielerlei irgendwie eine Einheit herzu-
stellen. Mögen es auch Kontraste sein, die gebunden
werden sollen, Zufälligkeiten, zwischen denen nachträg-
lich eine entfernte Verwandtschaft hergestellt werden soll.
Der Einrichter macht sich die Aufgabe zu leicht, der
auf geradestem Wege der Einheit zusteuernd, Fremd-
artiges, Kontraste bewußt ausscheidet, auf einer Linie,

einem Akkord die gesamte Raum-Musik aufbaut. Ein-
tönigkeit ist die notwendige Folge. Solch ein Raum er-
scheint tot, gleichgültig, ob er viel oder wenig Einrichtung
enthält. Die Einheit, die durch künstliche Fernhaltung
von Dissonanzen, oder, was jetzt beliebt ist, durch ab-
sichtliche »Leere« des Raumes erzielt wird, hat keine Kraft,
— weil sie nichts zusammenzuhalten hat! Es gehört ein
feines Gefühl dazu, den Zug zur Einheit, der heute im
Wohnwesen so stark hervortritt, in rechter Weise zu
nützen!. Die aufgeteilte Beleuchtung ist von der schweren
Krone wieder aufgesogen. Der große Schrank, das breite
Büfett herrschen. Der Architekt sieht oft seine wesent-
lichste Aufgabe darin, alles »Überflüssige« aus dem Raum
zu entfernen, damit der »Raum an sich« zur Geltung
kommt. Möglich, daß dann in dem »Weniger« ein viel
größerer Reichtum an formalen und räumlichen Bezieh-
ungen zutage tritt, als sich in der Überfüllung auswirken
konnte. Aber oft ist das Resultat eben nichts als »Leere«.

Der Könner wird mit leichter Hand alles, was in
den Wohnraum gehört, — was durch den Nutz-Zweck,
durch Material oder durch die Liebe der Bewohner Be-
ziehun gen und eine Spur Blutsverwandtschaft erhalten hat,
zur natürlichen Einheit zu verschmelzen suchen, sei's
auch die »Einheit der Kontraste! « .. a. jaumann.
 
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