ALTE UND NEUE MÖBEL
ein belauschtes zwiegespräch
Der mann: »Liebe, unser Heim ist gesichert und er-
richtet. Nun müssen wir ernsthaft an den Ausbau
denken. An die Formen, an die Farben, die unser neues
Leben rahmen werden, an den Hausrat, der uns umgeben
soll, als Landschaft, als Unterstützung unseres Tuns, als
Zeuge unseres Glückes, unseres Reifens und Alterns.«
die frau: »Wer wird so kurz vor der Hochzeit schon
vom Altern sprechen! Aber Du hast recht, die Frage
drängt. Ach, ein neues Leben, Lieber, durch Dich und mit
Dirl Mir ist, als ob die Welt jetzt erst geschaffen würde.
Wird es denn einen Menschen, einen Künstler, einen
Handwerker geben, der etwas so verwegen Neues, so
Persönliches an Einrichtungs-Stücken scharren kann, wie
wir es brauchen?« . . der mann: »Halt, da ahne ich Kon-
flikte. Setz Dich hierher. Und höre zu. Du und ich
haben von Eltern und Voreltern manches schöne alte
Stück ererbt, schwer von Vergangenheit, lächelnd von
einer langen Erfahrung im Umgang mit Menschen unseres
Blutes. Sag, willst Du ernstlich diese Dinge von Dir
geben? die frau: »Was Du mir zumutest, klingt nach
Pietätlosigkeit. Aber Du mußt mich verstehen. Ahnst
Du denn nicht, wie im Leben der Frauen ein neues Gefühl
immer auch einen neuen Daseins-Abschnitt gibt? Wie
wir nur volle Gegenwart kennen, tief innen, und ganz
in dem leben, was wir lieben und empfinden? Ist das
denn nicht unsere ganze Tugend, daß wir geschichtslos
in der Frische des Augenblicks, im Paradies jedes neuen
Tages leben können, unbeschwert von der Vergangenheit,
die euch Männer drückt? »Schwer von Vergangenheit«
sagst Du. Das scheint für den Mann angenehm zu klingen.
Aber uns Frauen, — die wir eine andere Frömmigkeit
haben, — gilt nur die Sonne, die ewig jung ist; wir
haben den ganzen Weltzusammenhang, den euch die
Vergangenheit anscheinend erst schenken muß, im Blut
und in der unverwüstlichen Frische, in der Leben-begrün-
denden Kraft unserer Gefühle 1 Denke ich, diese alten
würdigen Dinge sollten überlegen um mich herumstehen,
während ich Dich küsse, — mir wäre es, als wohnten
Tante Lottchen und Tante Euphrosine mitten in unserem
jungen Glück, etwas nachsichtig, etwas säuerlich lächelnd
und im Grunde ungemein störend . . Nein, Lieber, ich
will jungeDingeum mich herum haben, neue Schränke,
neue Wäsche, blitzend neue und frische Formen, Holz,
das noch nach dem Walde duftet, Möbel, die ich und
Du mit Sinn und Bedeutung und meinetwegen auch mit
Geschichte laden können . . Liebster, siehst Du denn
nicht, daß wir Frauen uns von Herzen gern alle Viertel-
jahre in neue Kleider stecken? Und siehst Du nicht, wie
das mit unserem tiefsten Wesen zusammenhängt, mit dem,
was Du »Weltunmittelbarkeit« nennst? Ach, wo wärt
ihr Männer schon stecken geblieben, in welchem Wust
von Vergangenheit und Ehrfurcht, wenn wir Frauen euch
nicht ewig mit unserer viel gescholtenen Naseweisheit zu
Hilfe kämen!« der mann: »Wohl gesprochen; hier der
redlich verdiente Kuß! . Nun aber ermiß Folgendes! Das
Leben mit Dir, ist es nicht auch für mich etwas Neues,
ein selbständiger Abschnitt, eine Welt für sich? Aber
was Du nicht siehst, das ist, daß diese alten Möbel,
diese Stücke Vergangenheit diesem Neuen in keiner
Weise widersprechen, sondern ihm gerade die schönste,
die vollste Bestätigung geben. Sie waren doch selbst
einmal jung, sind mit jungen Menschen gealtert, haben
neue Jugend um sich gesehen und wissen daher von der
Notwendigkeit der ewigen Verjüngung ebensoviel, wie
von dem schönen Schicksal des Alterns. Was ich »Ver-
gangenheit« nenne, ist nichts, was mein und Dein Jugend-
sein angreift, sondern nur dessen Einreihung, Verklärung,
Erhöhung, ja sogar seine tiefere Sinngebung. Wer bist
Du? Wer bin ich? Schreien wir denn geschichtlos vom
Himmel herunter, oder sind wir Glieder bestimmter
Stämme, eingefügt in ein bestimmtes Blut-Geschick, —
das früher oder später auch in diesen »neuen« Räumen
sein altvertrautes Gesicht zeigen wird? Es ist wahr, daß
mit diesen alten Möbeln auch alte Erinnerungen unter
uns wohnen. Das kommt Dir in dieser Stunde, wo Dein
frisches Gefühl noch das ganze Leben tragen zu können
glaubt, störend vor. Aber sagt Dir nicht ein inneres
Wissen, daß Stunden kommen können, wo diese Er-
innerungen eine wertvolle, stille Lebens-Hilfe werden?
Wir nehmen mit ihnen doch ein Element der Dauer,
der Verbundenheit in unser neues Leben herüber; und
wenn dieses Element der Dauer zu Deiner jungen Liebe
lächelt, -— keineswegs säuerlich, wie Du verkleinernd
sagst, sondern verstehend und herzlich, — so wird es
auch lächeln über Sorgen, die kommen, über Verstim-
mungen, die Dich plagen . . Ja, ich bekenne Dir, es ist
dem Manne lieb, sein Dasein eingereiht zu sehen in eine
Kette, die ihm Würde, Sinn und Bedeutung gibt. Aber
diese Einreihung dämpft sein Leben nicht, sondern er-
mutigt es, sich so reich als möglich zu entfalten und da-
durch zu Eigenwert zu kommen. Letzten Endes ist eben
doch die Vorspiegelung Deines Bluts, daß die Welt jetzt
für uns »neu beginnt«, eine Illusion. Was gut und frisch
an dieser Illusion ist, das stören Dir diese alten Dinge
nicht. Nur was daran verkehrt und unhaltbar ist, dem
setzen sie ihren stummen, feinen Protest entgegen. Liebe,
laß sie doch der Goldgrund sein, auf den Du Dein neues
Dasein in den mutwilligsten Farben aufmalst, den Unter-
ton, über dem Du Deine neue Lebens-Melodie hinsingen
kannst. Und vergiß nicht, daß sie aus einer Zeit stammen,
wo Menschen und Möbel sich noch auf die feine wahre
»Humanität« verstanden: ist das nicht eine Eigenschaft,
die man an einem Hausgenossen über alles schätzen
soll? Ich habe nichts, garnichts gegen Deine »jungen«
Möbel. Aber ebenso, wie meine geistige Arbeit sich,
— ob ich will oder nicht, — einbaut in einen Zusammen-
hang vom Gestern zum Morgen, ebenso wie ich es für
unvornehm halte, eine Bedingung, unter der man steht,
verleugnen oder hinweglügen zu wollen: ebenso will ich
auch diesem Stück Vergangenheit, das in unsere Hände
gegeben ist und das sich gleichsam schutzsuchend um
uns drängt, meine Tür öffnen, will seine Wärme, seinen
stillen Anstand genießen, und dabei im Inneren wissen,
daß ich und Du stark genug sind, uns nicht unziemlich
»historisieren« zu lassen . . Eine Jugend, die die edle
Vergangenheit scheut, was traut die sich denn schließ-
lich zu? Was kann sie an wahrhaft schöpferischer
Kraft in sich haben?« die frau: »Und also, — glaube
nicht, daß Du mich überzeugt hast, ich habe überhaupt
nicht genau zugehört, weil ich so gern Deine Augen
sprechen sehe, wenn Dein Mund spricht, — und also,
Herr und Gebieter, was beschließest Du? Soll ich meine
ein belauschtes zwiegespräch
Der mann: »Liebe, unser Heim ist gesichert und er-
richtet. Nun müssen wir ernsthaft an den Ausbau
denken. An die Formen, an die Farben, die unser neues
Leben rahmen werden, an den Hausrat, der uns umgeben
soll, als Landschaft, als Unterstützung unseres Tuns, als
Zeuge unseres Glückes, unseres Reifens und Alterns.«
die frau: »Wer wird so kurz vor der Hochzeit schon
vom Altern sprechen! Aber Du hast recht, die Frage
drängt. Ach, ein neues Leben, Lieber, durch Dich und mit
Dirl Mir ist, als ob die Welt jetzt erst geschaffen würde.
Wird es denn einen Menschen, einen Künstler, einen
Handwerker geben, der etwas so verwegen Neues, so
Persönliches an Einrichtungs-Stücken scharren kann, wie
wir es brauchen?« . . der mann: »Halt, da ahne ich Kon-
flikte. Setz Dich hierher. Und höre zu. Du und ich
haben von Eltern und Voreltern manches schöne alte
Stück ererbt, schwer von Vergangenheit, lächelnd von
einer langen Erfahrung im Umgang mit Menschen unseres
Blutes. Sag, willst Du ernstlich diese Dinge von Dir
geben? die frau: »Was Du mir zumutest, klingt nach
Pietätlosigkeit. Aber Du mußt mich verstehen. Ahnst
Du denn nicht, wie im Leben der Frauen ein neues Gefühl
immer auch einen neuen Daseins-Abschnitt gibt? Wie
wir nur volle Gegenwart kennen, tief innen, und ganz
in dem leben, was wir lieben und empfinden? Ist das
denn nicht unsere ganze Tugend, daß wir geschichtslos
in der Frische des Augenblicks, im Paradies jedes neuen
Tages leben können, unbeschwert von der Vergangenheit,
die euch Männer drückt? »Schwer von Vergangenheit«
sagst Du. Das scheint für den Mann angenehm zu klingen.
Aber uns Frauen, — die wir eine andere Frömmigkeit
haben, — gilt nur die Sonne, die ewig jung ist; wir
haben den ganzen Weltzusammenhang, den euch die
Vergangenheit anscheinend erst schenken muß, im Blut
und in der unverwüstlichen Frische, in der Leben-begrün-
denden Kraft unserer Gefühle 1 Denke ich, diese alten
würdigen Dinge sollten überlegen um mich herumstehen,
während ich Dich küsse, — mir wäre es, als wohnten
Tante Lottchen und Tante Euphrosine mitten in unserem
jungen Glück, etwas nachsichtig, etwas säuerlich lächelnd
und im Grunde ungemein störend . . Nein, Lieber, ich
will jungeDingeum mich herum haben, neue Schränke,
neue Wäsche, blitzend neue und frische Formen, Holz,
das noch nach dem Walde duftet, Möbel, die ich und
Du mit Sinn und Bedeutung und meinetwegen auch mit
Geschichte laden können . . Liebster, siehst Du denn
nicht, daß wir Frauen uns von Herzen gern alle Viertel-
jahre in neue Kleider stecken? Und siehst Du nicht, wie
das mit unserem tiefsten Wesen zusammenhängt, mit dem,
was Du »Weltunmittelbarkeit« nennst? Ach, wo wärt
ihr Männer schon stecken geblieben, in welchem Wust
von Vergangenheit und Ehrfurcht, wenn wir Frauen euch
nicht ewig mit unserer viel gescholtenen Naseweisheit zu
Hilfe kämen!« der mann: »Wohl gesprochen; hier der
redlich verdiente Kuß! . Nun aber ermiß Folgendes! Das
Leben mit Dir, ist es nicht auch für mich etwas Neues,
ein selbständiger Abschnitt, eine Welt für sich? Aber
was Du nicht siehst, das ist, daß diese alten Möbel,
diese Stücke Vergangenheit diesem Neuen in keiner
Weise widersprechen, sondern ihm gerade die schönste,
die vollste Bestätigung geben. Sie waren doch selbst
einmal jung, sind mit jungen Menschen gealtert, haben
neue Jugend um sich gesehen und wissen daher von der
Notwendigkeit der ewigen Verjüngung ebensoviel, wie
von dem schönen Schicksal des Alterns. Was ich »Ver-
gangenheit« nenne, ist nichts, was mein und Dein Jugend-
sein angreift, sondern nur dessen Einreihung, Verklärung,
Erhöhung, ja sogar seine tiefere Sinngebung. Wer bist
Du? Wer bin ich? Schreien wir denn geschichtlos vom
Himmel herunter, oder sind wir Glieder bestimmter
Stämme, eingefügt in ein bestimmtes Blut-Geschick, —
das früher oder später auch in diesen »neuen« Räumen
sein altvertrautes Gesicht zeigen wird? Es ist wahr, daß
mit diesen alten Möbeln auch alte Erinnerungen unter
uns wohnen. Das kommt Dir in dieser Stunde, wo Dein
frisches Gefühl noch das ganze Leben tragen zu können
glaubt, störend vor. Aber sagt Dir nicht ein inneres
Wissen, daß Stunden kommen können, wo diese Er-
innerungen eine wertvolle, stille Lebens-Hilfe werden?
Wir nehmen mit ihnen doch ein Element der Dauer,
der Verbundenheit in unser neues Leben herüber; und
wenn dieses Element der Dauer zu Deiner jungen Liebe
lächelt, -— keineswegs säuerlich, wie Du verkleinernd
sagst, sondern verstehend und herzlich, — so wird es
auch lächeln über Sorgen, die kommen, über Verstim-
mungen, die Dich plagen . . Ja, ich bekenne Dir, es ist
dem Manne lieb, sein Dasein eingereiht zu sehen in eine
Kette, die ihm Würde, Sinn und Bedeutung gibt. Aber
diese Einreihung dämpft sein Leben nicht, sondern er-
mutigt es, sich so reich als möglich zu entfalten und da-
durch zu Eigenwert zu kommen. Letzten Endes ist eben
doch die Vorspiegelung Deines Bluts, daß die Welt jetzt
für uns »neu beginnt«, eine Illusion. Was gut und frisch
an dieser Illusion ist, das stören Dir diese alten Dinge
nicht. Nur was daran verkehrt und unhaltbar ist, dem
setzen sie ihren stummen, feinen Protest entgegen. Liebe,
laß sie doch der Goldgrund sein, auf den Du Dein neues
Dasein in den mutwilligsten Farben aufmalst, den Unter-
ton, über dem Du Deine neue Lebens-Melodie hinsingen
kannst. Und vergiß nicht, daß sie aus einer Zeit stammen,
wo Menschen und Möbel sich noch auf die feine wahre
»Humanität« verstanden: ist das nicht eine Eigenschaft,
die man an einem Hausgenossen über alles schätzen
soll? Ich habe nichts, garnichts gegen Deine »jungen«
Möbel. Aber ebenso, wie meine geistige Arbeit sich,
— ob ich will oder nicht, — einbaut in einen Zusammen-
hang vom Gestern zum Morgen, ebenso wie ich es für
unvornehm halte, eine Bedingung, unter der man steht,
verleugnen oder hinweglügen zu wollen: ebenso will ich
auch diesem Stück Vergangenheit, das in unsere Hände
gegeben ist und das sich gleichsam schutzsuchend um
uns drängt, meine Tür öffnen, will seine Wärme, seinen
stillen Anstand genießen, und dabei im Inneren wissen,
daß ich und Du stark genug sind, uns nicht unziemlich
»historisieren« zu lassen . . Eine Jugend, die die edle
Vergangenheit scheut, was traut die sich denn schließ-
lich zu? Was kann sie an wahrhaft schöpferischer
Kraft in sich haben?« die frau: »Und also, — glaube
nicht, daß Du mich überzeugt hast, ich habe überhaupt
nicht genau zugehört, weil ich so gern Deine Augen
sprechen sehe, wenn Dein Mund spricht, — und also,
Herr und Gebieter, was beschließest Du? Soll ich meine