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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Michel, Wilhelm: Weltmarkt und Welt-Stil: von der Grundlage des neuen Kunsthandwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0212

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XXXIV. JAHRGANG.

DARMSTADT.

JULI J923.

WELTMARKT UND WELT-STIL

VON DER GRUNDLAGE DES NEUEN KUNSTHAND WERKS

Nach außen hat unser gewerbekünstlerisches
Schaffen zwei Ziele, die einander zu wider-
sprechen scheinen und die doch in Wahrheit sich
zu einem Ganzen zusammen finden. Das eine
ist der wirtschaftliche Erfolg, die Rückgewinn-
ung und Ausdehnung des Marktes, der nach den
Ausmaßen und Verfahrungsweisen unserer Pro-
duktion nur der »Weltmarkt« sein kann . . Das
andere ist der geistige Erfolg, die Ausarbeitung
einer Form-Gesinnung, eines Stils der Produktion
und einer gewerblichen Körperlichkeit, die von
der Welt als erfüllend und maßgebend anerkannt
wird, — also die Vormacht einer neuen Form.
Das erste Ziel scheint auf Selbst-Entäußerung,
auf »Anpassung an die Nachfrage«, auf geschmack-
liche Zersplitterung zu drängen. Das andere scheint
auf die Durchsetzung eines geistigen Wertes
gerichtet, — mitunter auch im Gegensatz zu bloß
kaufmännischen Grundsätzen. Aber dieser Wider-
spruch ist nur scheinbar . . Gesund und natürlich
ist nur die Gleichzeitigkeit der beiden Ziele:
Durchsetzung auf dem Weltmarkt durch die un-
widerlegliche und einwandfreie formale Gipfel-
leistung der Produktion: durch den »Weltstil«.
Man soll sich nicht darüber täuschen, daß das

Ringen um diese große »Gleichzeitigkeit« zweier
wichtiger Erfolge in nächster Zeit scharf und von
neuen Voraussetzungen her entbrennen wird. Es
ist immerhin recht beachtenswert, daß der kom-
menden »Pariser Weltausstellung« von den Ge-
werbekünstlern des Auslandes als eine hauptsäch-
liche Aufgabe zugeschrieben wird: den »Weltstil«
festzustellen. Vor zehn Jahren war für die deutsche
Form soviel erreicht, daß sie in den Besitz der
geschmacklichen »Weltsuggestion« gekommen war.
In einer der letzten Nummern der französischen
Zeitschrift »Europa« stellt Henry van de Velde
ausdrücklich fest: daß um das Jahr 1914 »der
allgemeine Geschmack sich nach Deutschland und
Österreich orientiert hatte« . . Unsere Künstler
und Industriellen werden gut daran tun, sich klar
zu machen, daß diese »Welt-Suggestion« auf
Grund der gewaltigen »Gefühls-Verschiebungen«
der letzten Jahre nunmehr einer mächtigen Er-
probung ausgesetzt werden wird. Dieser Gefahr
kann nicht begegnet werden durch ein allzu nach-
giebiges »Anpassen« an den Markt-Bedarf, auch
nicht durch Häufung der geschmacklichen Ver-
ästelungen und Sonder-Reize, sondern nur durch
die immer zunehmende Verdichtung, Klärung und

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