Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0256
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Jaumann, Anton: Mensch und Raum-Rhythmus
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INNEN-DEKORATION
235
PROFESSOR
WACKERI E
MÜNCHEN
ORGEL-VER-
KLEIDUNG Ii
MUSIK-SAAL.
GESCHNITZT
MENSCH UND RAUM-RHYTHMUS
Von der Schwere des Stoffes entbunden zu sein, ist
letzter Sinn des Tanzes. Hinschmelzen im Strom der
Töne, ganz Rhythmus, ganz Bewegung!. Es gibt Räume,
die selbst zu »tanzen« scheinen. So unirdisch und ent-
stofflicht ist alles in ihnen. Nichts mehr ist zu spüren von
der peinlichen Härte des Objekts. Was da ist, ist schwin-
gende Erscheinung, ist nicht Gegenstand, der gegen uns
steht. Unmateriell, leicht ist alles, wie Töne der Tanzmusik.
Solche Räume beglücken jeden, dessen Blut für Musik
und Rhythmus empfänglich ist. DieHerzen schlagen leicht,
tanzen mit Gedanken und Worten. Nie fließen Gespräche
heiterer als hier. Fröhlicher und freundlicher als sonst
sind die Mienen und Gebärden. Aus dem Tanz der Ge-
danken und Gefühle ergibt sich von selbst der Tanz der
Glieder. In manchem Raum, in den meisten ist wirk-
licher, beglückender Tanz unmöglich. In ihnen lastet die
Schwere, herrscht starre Bindung, klingt keine freie,
gelöste Melodie. Nur wenn Wände und Decke selbst
schwingen, wenn Weite zu raumbildenden und -teilen-
den Bewegungen auffordert, zieht Musik die Paare in
wirbelnden Fluß; dann tanzt der Raum mit den Tänzern.
Es ist unmöglich, Anweisung zu geben, wie solche
Räume zu gestalten sind. Sie entstehen von selbst unter
leichten Händen. Es muß kein »Saal« sein. Oft »tanzt
es« in kleiner Kammer. Die runde Dorf-Linde ruft nach
dem Reigen, der sie umkreist. Ebenso ist der »Tanzraum«
da, scheucht Sorgen, entbindet Takt und Musik — und
niemand weiß, wieso und wodurch . . anton jaumann.
★
DIE OBERE MELODIE. Der Künstler muß sich zu
der schaffenden Kraft erheben und diese geistig er-
greifen. Hierdurch schwingt er sich in das Reich reiner
Ideen. Jenem im Inneren wirksamen, durch Form und
Gestalt nur wie durch Sinnbilder redenden Natur-Geist
soll der Künstler nacheifern.. Friedrich w. j. t. schelling.
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PROFESSOR
WACKERI E
MÜNCHEN
ORGEL-VER-
KLEIDUNG Ii
MUSIK-SAAL.
GESCHNITZT
MENSCH UND RAUM-RHYTHMUS
Von der Schwere des Stoffes entbunden zu sein, ist
letzter Sinn des Tanzes. Hinschmelzen im Strom der
Töne, ganz Rhythmus, ganz Bewegung!. Es gibt Räume,
die selbst zu »tanzen« scheinen. So unirdisch und ent-
stofflicht ist alles in ihnen. Nichts mehr ist zu spüren von
der peinlichen Härte des Objekts. Was da ist, ist schwin-
gende Erscheinung, ist nicht Gegenstand, der gegen uns
steht. Unmateriell, leicht ist alles, wie Töne der Tanzmusik.
Solche Räume beglücken jeden, dessen Blut für Musik
und Rhythmus empfänglich ist. DieHerzen schlagen leicht,
tanzen mit Gedanken und Worten. Nie fließen Gespräche
heiterer als hier. Fröhlicher und freundlicher als sonst
sind die Mienen und Gebärden. Aus dem Tanz der Ge-
danken und Gefühle ergibt sich von selbst der Tanz der
Glieder. In manchem Raum, in den meisten ist wirk-
licher, beglückender Tanz unmöglich. In ihnen lastet die
Schwere, herrscht starre Bindung, klingt keine freie,
gelöste Melodie. Nur wenn Wände und Decke selbst
schwingen, wenn Weite zu raumbildenden und -teilen-
den Bewegungen auffordert, zieht Musik die Paare in
wirbelnden Fluß; dann tanzt der Raum mit den Tänzern.
Es ist unmöglich, Anweisung zu geben, wie solche
Räume zu gestalten sind. Sie entstehen von selbst unter
leichten Händen. Es muß kein »Saal« sein. Oft »tanzt
es« in kleiner Kammer. Die runde Dorf-Linde ruft nach
dem Reigen, der sie umkreist. Ebenso ist der »Tanzraum«
da, scheucht Sorgen, entbindet Takt und Musik — und
niemand weiß, wieso und wodurch . . anton jaumann.
★
DIE OBERE MELODIE. Der Künstler muß sich zu
der schaffenden Kraft erheben und diese geistig er-
greifen. Hierdurch schwingt er sich in das Reich reiner
Ideen. Jenem im Inneren wirksamen, durch Form und
Gestalt nur wie durch Sinnbilder redenden Natur-Geist
soll der Künstler nacheifern.. Friedrich w. j. t. schelling.