Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

DOI article:
Thöne, Johannes Franz: Hohe oder niedrige Bauten?, [4]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0241

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DER BAUMEISTER » 1908, SEPTEMBER.

143


Künstlertheater. Innenraum.

wie das Senatshaus des Augu-
stus. Wenn nach Horaz die auf-
gehende Sonne nie etwas Herr-
licheres auf Erden geschaut hat,
als diese Stadt, so gilt das viel-
leicht auch von ihrer Architektur.
Auch Konstantin soll von ihrer
Pracht ganz betroffen gewesen sein,
als er nach Besiegung des Maxen-
tius in sie seinen Einzug hielt.
Die Ruinen von Palmyra sind
noch heute derartig, dass man es
bei ihrem Anblicke nicht für mög-
lich hält, dass es auf diesem
Erdenrunde noch etwas Schöneres
geben sollte. Die altägyptischen
Pyramiden, die Topas von
Indien sind schön, weil sie niedrig
sind. Vergleicht man mit der
Glypothek in München einmal
die unter dem „ Bügeleisen “
bekannten unheimlichen Konstruk-
tionen in New-York — welch’ein
Kontrast! Schliesslich wird doch

Hohe oder niedrige Bauten?
Von I. F. Thoene.
(Schluss.)
Es handelt sich also um die Frage:
Ist das Längs-oder das Querformat
vorzuziehen, das stehende oder
das liegende Rechteck, die senk-
rechte oder die wagerechte Linie?
Ist ein an der Wand hängendes Land-
schaftsbild, eine Annonce in der Zeitung
usw. im Hoch- oder im Querformat
schöner? Sind die schmalen hohen
Fenster unserer modernen Wohnungen
angenehmer oder die breiten der alten
niederländischen Häuser? Ist überhaupt
alles in allem ein hohes oder ein niedriges
Zimmer freundlicher und anheimelnder?


Wer ersteres behauptet, zeigt, dass er
... , i !, , Entw. Arch. Fr. Zell (Projekt
mit dem Zeitgeschmack mitlauft, aber
man muss sich auch einmal über den tatsächlichen Stand
der Gegenwartswelt hinwegsetzen und von ihrem Geschmack
zugunsten des ewig gleichen ästhetischen Ideals abstrahieren
können. Die Fenster und die Zimmer haben ebenso ihre
oft unschönen Moden, wie die Kleider, nur nennt man sie
hier Stile.
Nicht nur zufällig, sondern ursächlich sind in einem Recht-
ecke die liegenden Seiten Träger der ästhetischen Lust und
die stehenden Träger der Unlust. Das Senkrechte ist das
Symbol des Abstürzens ins Bodenlose, Unendliche, der Be-
wegung und Unruhe, das Wagerechte das des Ruhens und
damit des Beruhigenden, Gefallenden. „Baue natürlich!“ ist
die abschliessende Forderung der Aesthetik. Die wagerechte
Linie ist die natürliche, die senkrechte die unnatürliche, weil,
der Richtung der Schwerkraft entgegen in die Höhe ge-
zogen, immer den Eindruck des Gefährlichen erweckende
Linie.
Hier liegt die Scheidewand zwischen griechisch-römischem
und germanischem Baustil. Nördlich der „Berge“ baute man
hoch, ging vom hohen romanischen zum noch höheren gotischen
Stil über, südlich von ihnen bevorzugte man das Querformat.
Die griechischen Tempel zeigen dies alle und gelten
weniger trotz als wegen dieser Tatsache als ästhetische
Musterbilder. Eine sich lang hinziehende Säulenreihe ist
immer schön; wann auch die einzelne Säule an sich etwas
Hohes ist, so verschwindet doch ihr Eindruck gegenüber
dem des Ganzen. Nichts ist herrlicher als die Akropolis
zu Athen. Denkt man sich in dieses Bild hinein: Das
prächtige Hochplateau mit der breiten Freitreppe zu den
schönen Marmorbauten, so möchte man beim Betrachten
dieses Bildes fast ausrufen: „Verweile Augenblick, du bist
so schön!“ Eine gotische Kirche daneben wirkte, man
könnte fast sagen, wie ein Misston in einer sonst einzig-
artigen Harmonie. Nicht anders wirkt in Rom das Forum.
Die Kurie des Servius Tullius ist ebenso ein Längsbau

Inneres der Ausstellungsbierhalle (Siehe Tafel 94).
der Arch. O. Dietrich, O.Kurz u F. Zell in München.


Arch. Em. v. Seidl, München.

Tür im Hauptrestaurant (grosser Saal).
 
Annotationen