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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Müller, A: Christus und die Hl. Gertrud, die Grosze: ein Meisterwerk mystischer Malerei des 15. Jahrhunderts im Wallraf-Richartz-Museum in Köln
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0025

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CHRISTUS UND DIE HL. GERTRUD, DIE GROSZE

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CHRISTUS UND DIE
HL. GERTRUD, DIE GROSZE
EIN MEISTERWERK MYSTISCHER
MALEREI DES 15. JAHRHUNDERTS
IM WALLRAF-RTCHARTZ-MUSEUM
IN KÖLN
(Abb. S. 17)
TAas Wallraf-Richartz - Museum in
Köln birgt unter seinen vielen Per-
len mystischer Kunst ein kleines, wenig
beachtetes, weil unverstandenes, aber
schönes Bild von der Hand eines un-
bekannten Meisters aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts, also aus
der Blütezeit der Mystik.
Mystisch ist zunächst der Haupt-
gegenstand des Bildes. Es ist Christus,
mit einem roten Alantei bekleidet, der
seine Wundmale einer vor ihm knien-
den weiblichen Gestalt zur Betrach-
tung darbietet und aus seiner Seite
das Blut in einen von ihr dargehal-
tenen Kelch ergießt. Sie ist in ein blaues
Kleid gehüllt, über welchem sie einen
weißen, rot gefütterten Mantel trägt,
der am Rande mit Edelsteinen besetzt
ist. Ihr Haupt, von welchem als Zei-
chen der Jungfräulichkeit das Haar auf-
gelöst herabwallt, ist mit dem jung-
fräulichen Schleier und einer Krone
schmückt. In der rechten Hand hält

FRITZ KUNZ ENGEL MIT RÄUCHERSCHALE


Vgl. Abb. S. 3

ge- kam sie in die Klosterschule von Helfta bei
sie Eisleben. Von diesem Kloster berichtet

deti Kelch, während sie mit der linken einen
großen Speer umfaßt.
Hier ist offenbar kein geschichtlicher Vor-
gang, sondern das geheimnisvolle Verhält-
nis Christi zu einer Alenschenseele, welches
durch eine Beischrift als Caritas bezeichnet
wird, zum Ausdruck gebracht. Naturgemäß
sind derartige Gegenstände mit einer Menge
von Sinnbildern umgeben, welche erst dann
verständlich werden, wenn man die Bedeu-
tung des ganzen Bildes erfaßt hat. Dies ist
aber meistens nicht leicht, weil die Bilder
des Mittelalters, besonders aus der Zeit der
Mystik, vielfach Illustrationen zu Abschnit-
ten aus der Heiligen Schrift, dem Brevier,
der hl. Messe oder theologischer Schriften
sind. Erst wenn es gelungen ist, den Text
zu einem solchen Bilde festzustellen, geht
einem das Verständnis für den Sinn des Ge-
mäldes auf und macht es einem möglich,
dessen hohe Schönheit zu würdigen.
Die Deutung des gegenwärtigen Bildes ist
enthalten in dem Buche »Gesandter der gött-
lichen Liebe« von der hl. Gertrud der Großen.
Sie war im Jahre 1256 geboren. Von ihren
Eltern wissen wir nichts. Mit fünf Jahren

P. Anselm Manser O. S. B. in der Einleitung
zu der Herderschen Ausgabe »des Gesandten
der göttlichen Liebe« (Aszetische Bibliothek,
Herder, Freiburg i. Br., 1920): »Helfta, oder
nach alter urkundlicher Schreibart Helpede,
war damals noch eine sehr junge Stiftung.
Graf Burkart von Alansfeld und seine Ge-
mahlin Elisabeth hatten 1229 in der Nähe
ihres Stammschlosses ein Frauenkloster ge-
gründet. Die Klostergemeinde war ein Ab-
leger des Cisterzienserinnenkonvents vom
nahen Halberstadt und befolgte die Regel
des hl. Benediktus. Unruhen vertrieben nach
fünf Jahren die Nonnen aus der Umgebung
der Burg Mansfeld nach Rodersdorf, und
von hier übersiedelten sie 1258 wegen Was-
sermangel nach Helpede.
Helpede war einladend. Hier fanden sie
Rast in einem fruchtbaren Talgrund, den
ein klarer Bach bespült. Da ließ sich be-
quem ein wohlgelegener Platz für das Klo-
ster auswählen und ein Garten mit Weiher
einfrieden. Dem Tal entlang ziehen sanft-
gewölbte Hügelkuppen und leiten das Auge
in breites Flachland hinaus. Helpede mit
den abwechselnden Reizen der Jahreszeiten

Die christliche Kunst XXI 1
 
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