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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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AUSSTELLUNGEN

73

Ausstellungen
DIE BERLINER FRÜHJAHRS- UND
SOMMERAUSSTELLUNGEN 1925
Von Dr. OSCAR GEHRIG
I. Akademie
NTach der Secession die Akademie. Eine hoch-
■I ’ offizielle Angelegenheit der Berliner und deut-
schen Kunst. Der Ansturm der Künstlerschaft ist
in diesem Jahre besonders groß gewesen. Erfreu-
lich eine Tatsache: viel Jugend zwischen den
Älteren von rechts und links. Außer der allge-
meinen Abteilung für Malerei und Plastik sind
zwei bemerkenswerte Sonderausstellungen einge-
fügt worden, die erste mit über zwanzig erlesenen
Werken Hans Thomas J, der zu Lebzeiten so
manchesmal hier vertreten war, dann aber die zwei
Säle füllende Kollektion der Münchner Neuen
Secession, eine nicht zu übersehende Geste und ein
weiterer Beweis freundschaftlicher Zuneigung des
Nordens zum Süden. Wie erinnerlich, hatte man
auch auf der letzten Juryfreien eine Münchner
Abteilung eingerichtet, in der Karl Caspar und
seine Frau, Maria Caspar-Filser, oder der Bild-
hauer Knappe dominierten. Um gleich mit den
Gästen zu beginnen, so zeigen diese hier, daß in
ihrer Stadt gar nicht mehr so ausschließlich
„miinchnerisch“ gemalt oder gebildhauert wird;
vieles von dem was sie machen, ist überprovinziell,
weist starke Tangenten mit Berlin und — Paris
auf. Einer bringt die innere wie äußere Entwick-
lung in wenigen Stücken zum Ausdruck, wenn
wir so Max Unolds schon bekanntes Frauenbildnis
von 1911 im Abstande vergleichen mit seinem letz-
ten Selbstbildnis. Der Münchnerischste ist viel-
leicht noch Max Feldbauer (jetzt in Dresden),
aber der war als Maltalent seinen Kollegen von
einst schon weit voraus. Flüssig und von lockerer
Farbigkeit sind die Bilder von Brüne oder Jul.
Heß; Hugo Toendle scheint in manchem etwa
Weißgerber fortzusetzen. Das Ehepaar Caspar
zeigt Hauptstücke, er neben dem Triptychon
»Christi Geburt« mit der wundervollen Madonna
im Mittelbild eine schon klassisch reife »Mutter
und Kind«, sie einen »Frühling am Bodensee«,
mit dem es wie mit ihren im Herbst gezeigten
Arbeiten die wenigsten Landschaften von Männer-
hand aufnehmen können. Carl Mense, wie Schrimpf
einer der neuen Münchner Stilisten, hat ein sau-
beres, linear wie farbig ausgeglichenes Knaben-
bildnis geschaffen, das über seinen südlichen Land-
schaften steht; unter Oscar Coesters zahlreichen
Bildern fällt ein »Weg zum Moos« auf, sonst reich-
lich viel Problematik. Unverkennbar, wenig ge-
wandelt, Schinnerer, farbenglühend die »Oliven-
ernte« von Eberz, unverwüstlich der stark geistig
eingestellte Mischstil zwischen Malerei und Zeich-
nung Großmanns, renoirgleich Nowacks Malart.
Einen Zug ins Große weist schließlich Malys »Pro-
phet« auf. Die Bildnisbüsten von Bleeker und die
reizvoll eigenwilligen, das Material ausschöpfenden
Plaketten Knappes halten dem Besten aus Münch-
ner Malerei die Wage.
Über die Kollektion Hans Thomas ein Wort zu
verlieren, hieße den feierlich großen Eindruck, den
der in sich so wunderbar ausgewogene Saal hin-
terläßt, stören. Die Galerien zu Karlsruhe, Frank-
furt, Wiesbaden, Darmstadt, Hamburg, die Ange-
hörigen, einstige Freunde des Hauses Thoma haben
beste Stücke hergegeben, um den ganzen, echten

Träumer mit wachem Auge, den Künstler, der so
selbstverständlich und kindlich rein Wirklichkeit
und Romantik in eins verschmolz, an dieser Stätte
posthum zu ehren. Die jüngste kämpfende Jugend
versteht diese Kunstsprache wiederum besser als
noch unsere eigenen Väter vielleicht; der Ring zu
Thoma zurück beginnt sich aufs neu zu schließen
in dem Sicheinsfühlen mit ihm im Ringen um
letzte Dinge der Kunst. Diese an sich wenigen
Bildnisse (Mutter!), Landschaften, Stilleben, Bilder
aus Sage und Dichtung, Tierstücke oder Blumen-
sträuße klingen harmonisch zusammen und wirken
besser als manche der »großen« Thoma-Ausstel-
lungen der letzten Jahre, die mehr auf den Namen
als auf das Wesentliche dieses fast unüberseh-
baren Lebenswerks abzusehen schienen.
Im übrigen fällt hier, wo dieses Mal so viele
Suchende, ja Dränger zu Wort kommen, mehr
als zuvor die Neigung zu Inhalten auf. So lassen
sich jetzt auch schon leichter wieder Brücken
schlagen vom Vorgestern zum Heute, wo dies zu
Zeiten des l’art pour hart und der folgenden Auf-
lösung einfach unmöglich gewesen wäre. Der künst-
lerischen Analyse ist sichtbar und zwangsläufig
der Drang zur Darstellung gefolgt. Ältere Aka-
demieaussteller vertragen sich mit den Jüngeren
in diesem Rahmen erstaunlich gut. Die Trennungs-
striche, die auf den letzten Großen Berlinern so
sehr hervortraten, sind nun überflüssig. So ist es
möglich, auf der einen Seite etwa Pfannschmidts
subtil durchgeführten »Christus und Pilatus«, auf
der andern E. L. Kirchners »Erscheinung der sie-
ben Eulenspiegel« zu sehen. Immer offenbarer
wird, daß zwischen den Generationen, je mehr sich
das Formalistische zu legen beginnt, technische,
graduelle, doch kaum virtuelle Unterschiede be-
stehen. Was man in den Akademieausstellungen
seit ihrer Programmänderung, die sie über die
interne Veranstaltung hinaushebt, im Untergründe
schon leise vermuten konnte, bestätigt sich jetzt.
Ein noch unmöglich erscheinender Klärungsprozeß
wird hier eingeleitet, wenn auch heuer auf reich-
lich breiter Basis (man könnte schon von Über-
fülle sprechen). Und doch vermögen sich die wirk-
lich Starken diesmal noch entschiedener als früher
aus der weitherzig zugelassenen Menge heraus-
zustellen, unabhängig von Format oder Plazierung.
Von unerhörten Stücken wie Corinths hingefetz-
tem »Georg Brandes«, diesem »Europäerhaupt«,
an dem sich Gegenstand und Darsteller in selten-
ster Weise kongenial gegenüberstehen, eben ent-
standen anläßlich des jüngsten Aufenthalts des
Dänen in Berlin, ferner von Hofers an Endgültig-
keit grenzenden Bildern wie das aus dem Fenster
sehende Paar oder das lesende Mädchen, Kohl-
hoffs zuckend gemalten »Drei Kindern«, Partikels
allerfeinsten Staffagenbildchen oder des anders ge-
arteten alten Hagemeisters Seebild ganz zu schwei-
gen. Einen glutfarbenen Saal mit Kokoschka,
Pechsteins letzten Fortis, mit dem neuen Dom-
scheit, Kirchner oder auch Zeller müssen wir be-
sonders bewerten. Auf der Gegenseite wiederum
liebe gegenständliche Welt derer um Julius Jacob,
Hans Herrmann, Hoffmann v. Fallersleben. Quali-
tät bindet Extreme. Das Bildnis wird diesmal auch
noch nach Corinth in Höhepunkten gezeigt. Lie-
bermann; sein Selbstbildnis mit Mütze und das in
farbiger Antithese wie Harmonie gar nicht mehr
zu überbietendeKinderbildnis, höchster Geschmack,
ohne vordringlich nur Geschmack zu sein. Kraus-
kopfs Männerbildnisse sind malerische und psy-
chologische Glanzleistungen, die ob ihrer kühnen

Die christliche Kunst. XXL 10.

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