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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0396

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AUSSTELLUNGEN

Formung verblüffen; daneben in vornehmer Zu-
rückhaltung die »Renee Sintenis« von E. R. Weiß,
das locker gemalte »Mädchen im Pelz« von Jaeckel,
der noch mit zwei anderen ausgezeichneten Stücken
vertreten ist. Unter den religiösen Werken steht
Paul Plontkes »Anbetung der Bauern« voran, ein
inniges, volkstümliches Bild in duftiger Malart.
Auf figürlichem Gebiete sieht man einige wirkliche
Bilder, zum Teil von Künstlern jüngsten Schlags,
die als »Neue« zugelassen sind. Mit Recht; den-
ken wir da an Wollheim, Kainz, Heidenreich oder
Teuber, dieser ferner ebensogut als Landschafter.
Unter der Jugend befinden sich einige Bewerber
um den diesjährigen Staatspreis. In den Land-
schaften im allgemeinen viel romantischer Geist;
es wird darin nicht nur mit Farbenakzenten ge-
malt, sondern man versucht wieder in sich ge-
schlossene Welten zu bauen. Ohne auf Details
einzugehen, unterstreichen wir das Symptoma-
tische.
Der Gegensatz zwischen erfüllender Leistung
und Versagern macht sich unter den verhältnis-
mäßig zahlreichen Plastiken heuer bemerkbar;
manches Werk, von klangvollem Namen hinge-
stellt, enttäuscht. Eins ist erfreulich: die Gipse
nehmen ab zugunsten materialechter Ausführung.
Die Linie reicht von Constantin Starck und Wenck
über Klinisch bis zu Scharff oder FiörL Kolbe
und vor allem Albicker springen in die Bresche,
wo Gleichbekannte Lücken offen lassen. Büsten
und Einzelfiguren herrschen vor, Gruppen meidet
man ängstlich bis auf wenige Beispiele: Lederer
bringt eine mächtige Gruppe für einen Brunnen
(Caritasbrunnen Leverkusen), Otto Hitzberger sein
vielfiguriges Nußbaumrelief» Verkauf des Joseph«.
Scharffs Liebermannbiiste, Abbos Bildnis Max
Friedlaenders, die Frauenbildnisse Albickers oder
Grusons seien aus der Fülle herausgegriffen etwa
neben den figuralen Schöpfungen von Bauroth und
Schiffner, dessen »Über der Welt sein« im Gegen-
satz zu seinen sonstigen manieristischen Holz-
schnitzereien zeigt, was er wirklich kann; neben
diesen fällt Kurt Edzard noch auf, dagegen sind
einige Versuche religiöser Plastik recht schwach
ausgefallen und es stünde nicht gut, wenn nicht
Hitzbergers feinempfundene, in sich gekehrte
»Empfängnis« oder die freudvolle Weihnachts-
krippe da wären.
II. Die Große Berliner Kunstausstellung
Im Glashaus am Lehrter Bahnhof. Dem Na-
men nach die Große Berliner. Infolge der letzt-
winterlichen Scheidung im Verein Berliner Künst-
ler hat der vorjährige, glänzend bewährte Präsi-
dent, Hans Baluschek, sein Amt zur Verfügung
gestellt, und die »Arbeitsgemeinschaft« innerhalb
des Vereins veranstaltet in diesem Jahre eine eigene
Schau. Die gegenwärtige »Majorität« des Vereins,
die bereits im Januar/Februar ds. Js. eine Künst-
lerhaus-Ausstellung zusammengebracht hatte, be-
streitet nun mit Hilfe reichhaltiger Einladungen
die diesjährige »Große Berliner«, in der zwar auch
die anderen örtlichen Organisationen wie Novem-
bergruppe, Bund Deutscher Architekten, der sich
zuletzt sehr ergiebig beteiligt hatte und die Seces-
sion fehlen, an deren Stelle aber die andern deut-
schen Kunstzentren, also München, Dresden, Kö-
nigsberg, Stuttgart, Karlsruhe und vor allem Düs-
seldorf getreten sind. Die im Vorjahre glücklich
begonnene Umgestaltung des bisher ja unerträg-
lichen Gebäudes hat den Grund dazu gelegt, daß
es sich, soweit dies für Monstreausstellungen gilt,

im Hause gut wandern läßt; nur der flammend
rote Ton des großen Plastikensaales macht in
Wandnähe die Betrachtung zur Augenqual.
In richtigem Gefühl wurde einem jüngst ver-
storbenen Altmeister der Ehrensaal eingeräumt:
Eduard von Gebhardt. Ernst und würdig reiht
sich Bild an Bild, Großes neben Kleinem, Intimem.
Hier verstummt vorlaute Kritik im Anblick dieses
mit überwältigendem Fleiße verbundenen Könnens,
das von einer echt empfindenden, gläubigen Seele
geleitet war. Vieles von dem, was da aus privatem
oder musealem Besitze zusammengetragen ist, ge-
hört der Kunstgeschichte an, man freut sich, die
Dinge im Zusammenhang und größeren Rahmen,
somit auch im Flusse sehen zu dürfen. Sechs Jahr-
zehnte einer ununterbrochenen Aufwärtsentwick-
lung; von Altmeisterlichkeit bis zur aufgehellten,
frischen Moderne. Was ist der »Junge Mann«,
eine der allerletzten Arbeiten, für ein Gegenwarts-
bild trotz des historischen Kostüms! Die Um-
setzung der ehedem und heute von Schwächeren
bis zur sklavischen Auffassung verkannten »Hi-
storie« ins heutige Erleben ist auf persönliche
Weise Gebhardt gelungen. Wenn man von seinen
Vorbildern, den alten Niederländern und Deutschen
redet, so ist das cum grano salis zu verstehen;
denn er hat doch immer einen Gebhardt aus den
Dingen gemacht, sich nicht an Formalismen ver-
loren, nicht einfach nachgeahmt, sondern seiner
gesunden Natur blieb es vorbehalten, das Alte wohl
zu studieren, aber Neues daraus zu bilden. Das
mag manchem vor dieser Kollektion klar werden,
etwa vor seiner vielfigurigen »Heilung des Gicht-
brüchigen« (Bes. Museum Breslau). An Malkultur
ragt der »Estnische Bauer«, der noch vor knapp
drei Jahren entstand, hervor.
Es ist weiterhin eine Anzahl Künstler, denen
diese Ehrung zukam, meist solche auch, die im
Vergangenen wurzeln, kollektiv vertreten, man
sieht da vielerlei Können, so wie man es seit Jahr-
zehnten sah, ohne heute noch davor ergriffen zu
sein, unter diesen auch Hugo Vogel mit Bildnissen
und großem Genre, ateliermäßig bleibenden »reli-
giösen« Bildern. Von ihm ferner im Hauptsaal
zwischen den Werken Gebhardts ein Riesenporträt
Hindenburgs als Reichspräsident in schwarzem
Rock, ein Schriftstück in der Rechten. Mit Aus-
nahme des Kopfes, den Vogel ja beherrscht, ein
bedenkliches Bild, dem das Format rein zum Ver-
hängnis wurde. Eine wahre Freude ist die Kollek-
tion von Max Rabes, Landschaften und Städte-
bilder aus der Heimat, den Niederlanden und Italien.
Sein Florenz, Mecheln oder Dürnstein a. D., jedes
ein funkelndes Bild, voll malerischer Freiheit und
meisterlicher Tongebung, wahrhaftig Natur, ge-
sehen durch ein Temperament, gegenständlich ge-
nug dabei, um nicht nur l’art pour l’art zu sein.
Der Danziger Fr. Aug. Pfuhle hat ebenfalls zu
Recht seine Koje erhalten; Tierstücke, Land-
schaften, Figürliches und Bildnis, alles tief erfaßt
und mit vielem Sinn für Bildmäßigkeit. Der Kas-
seler K. H. Nebel baut ein großes Triptychon »Tro-
pen« auf, aus dem glutvolle Lokalfarben leuchten,
eine Mischung von Exotik und Trecento. Ein Fall
für sich sind aber die in altmeisterlich-religiöses
Gewand gekleideten Flügel- und Kreuzbilder von
Rich. Guhr (Dresden). Ubergegenständlich ver-
lieren diese mühevollen Arbeiten jede Anschaulich-
keit. Gerade das äußerlich nachgeahmte Mittel-
alter war in sich viel klarer, als Guhr es hier sein
kann, der sich umbringt vor Hineingeheimnissen
unter Zuhilfenahme von reichlicher Schrift. Bilder
 
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