AUSSTELLUNGEN
89
Ausstellungen
SOMMERAUSSTELLUNG DER
NOVEMBERGRUPPE
TAicse Berliner Gruppe stellte geschlossen in den
Räumen der Secession aus, da sie ja offiziell
auf keiner der großen Frühjahrs- und Sommer-
veranstaltungen vertreten war. An Umfang ist es
nicht viel, was sie bringt. Wenn sie aber nach
ihrem Programm entgegen dem l’art pour hart
die Beziehungen zum Leben wiederherstellen will,
so tut sie das bis heute auf einem Gebiete, in
der Architektur. Darin liegt unstreitig auch der
Schwerpunkt dieser Kollektion, und dagegen ver-
blaßt alle Problematik, die die »freien« Künste hier
so gern und hartnäckig aufweisen. (In der rich-
tigen Wertung soll die architektonische Abteilung
auch demnächst geschlossen in der Akademie zu
Kassel gezeigt werden.) Alle diese Modelle und
klaren Zeichnungen der Peter Behrens — darunter
eine beachtenswerte kath. Kirche, Saalkirche (Rel-
linghausen bei Essen) — H. Kosina, des früheren
Mitarbeiters Mendelsohns (Kraftwerk), der Brüder
Luckhardt Reihenhäuser, Hans Poelzigs Theater
zu Rheydt und Industriebauten des Rotterdamers
J. J. P. Oud u. a. beweisen selbst da, wo das Kon-
struktive überbetont erscheint, daß man in den
Sinn der überleitenden Zeit und in die Ausnutzung
der neuen Baustoffe schon bewußt und sicher
hineingewachsen ist. Immer wieder verspürt man
die führende Kraft der Architektur als der Mutter-
kunst. Auf diesem Gebiete liegt auch die histo-
rische Aufgabe einer Novembergruppe. Im Mittel-
punkt der Maler steht diesmal der Fünfziger Segal,
im übrigen aber noch viel Konstruktivismus, meh-
rere »Sous-Cezannes« und naiv tuende »Sous-
Rousseaus«. Und Russen ! G.
GEMÄLDE ALTER MEISTER AUS
BERLINER PRIVATBESITZ
Ausstellung des Kaiser- Friedrich-
Musen ms-Vereins
Tn den Räumen der Berliner Akademie (Pariser
1 Platz) sind zur Zeit an fünfhundert Gemälde der
italienischen, niederländischen, deutschen, spani-
schen, französischen und englischen Schulen, zeit-
lich also der älteren Kunst bis zum 18. Jahrhundert
einschließlich, ausgestellt. Veranstalter ist der Kai-
ser-Friedrich-Museums-Verein, der noch eine Reihe
namhafter Gäste mit aufgefordert hat und nach
dem Verlust so manchen Sammlers und mancher be-
trächtlichen Sammlung auf diese Weise die Reihen
wieder auffüllt. In den bedeutsamen Ausstellungen
alter Kunst, die der Verein in kurzer Aufeinander-
folge, wie noch vielen erinnerlich, zwischen den
Jahren 1906 und 1914 — so etwa die feine Bildnis-
ausstellung 1909 — ebenfalls in der Akademie ver-
anstaltet hatte, ließen der Krieg und seine Nach-
wirkungen eine größere Pause eintreten. Es ist
aber erstaunlich und vor allem der nie versagen-
den Energie sowie der unermüdlichen Beratung
eines Mannes wie Bode zu danken, was der Verein
und seine Freunde ungeachtet der schweren Jahre
heute aufweisen können. Diese neue Ausstellung
ist zu einer der größten Überraschungen in unserm
Kunstleben geworden. Es handelt sich überwie-
gend um Bilder, die bisher in Berlin und anderen
deutschen Plätzen noch nicht gezeigt worden sind;
da bei der Auswahl noch weniger bekannte Schu-
len und seltenere Meister berücksichtigt wurden,
kommt der gezeigte Besitz auch der Kunstge-
schichte, nicht bloß der Sammleridee zustatten.
Diese reichste Ausstellung, die je- aus Berliner
Privatbesitz zusammenkam, läßt nur mittelbar
etwas von der »Umschichtung« im Kunsterwerb
oder Kunstbesitz verspüren; in Fällen, wo es sich
aus nur zu erklärlichen materiellen Gründen nicht
mehr um »Spitzen«, also erste Werke der Großen
handeln kann, treten beste intime Stücke an
deren Stelle : die kleine »Hl. Familie (1509)« von
Dürer, der frühe Rembrandt »Die beiden Gelehr-
ten«, Rubens’ »Gregor d. Gr.« — man versteht
Delacroix! —oder gar die verblüffende »Genre-
szene« Grecos seien hierzu herausgegriffen. Aber
es gibt noch mehr Überraschungen, dabei solche,
die den untrüglich guten Blick der Berliner Kunst-
freunde besser zeigen, als es das »Auffahren von
Kanonen« vermag. Das gilt auch für die Art,
mit der man den inneren Reichtum all der vie-
len guten Meister ausschöpfte, die sich um die
ganz Großen gruppieren, diesen folgen oder sie
abWandeln.
Trotz einer dichten Hängung ist die Ausstellung
klar und übersichtlich angeordnet; manche, nach
Zeit und Land einheitlich gehaltene Säle wirken
museumsfertig. Das gilt für den großen Flamen-
oder den repräsentativen Italienersaal nicht anders
als' für die Kabinette der Spanier oder der späten
Deutschen des 18. Jahrhunderts.
Die ältesten, hier gezeigten Stücke finden wir bei
den Italienern, wo uns noch hieratisches Mittel-
alter und melodiöses Madonnentum in sienesi-
sch?n Meistern des 14. und 15. Jahrhunderts be-
grüßt. Ihnen folgt in zahlreicheren Stücken die
schon klassisch ansetzende .Frührenaissance, dar-
unter zwei Cassonebilder, toskanisches Quattro-
cento, fröhlich phantastische Szenen aus dem
Psychemythos; man könnte an Domenico Vene-
ziano denken.. Wahrhaft repräsentativ und von
reifer Schönheit Cima da Coneglianos »Madonna
mit Heiligen« (Lord d’Abernon), innig eine das
Kind anbetende Madonna Filippino Lippis (M.
Michalski), vom selben Thema ein Signorelli. Bes-
ser als die fast fehlende Hochrenaissance ist
das ausgehende 16. Jahrhundert, einschließlich der
»Manieristen«, vertreten ; angefangen mit Baglio-
nes, des Römers, »Himmlischer und irdischer
Liebe« oder Zucchis »Bathseba« (beide Ital. Bot-
schaft), den Bassanos, über Ant. Carracci zu Luca
Giordanos, gen. Fapresto, großer »Hochzeit zu
Kana« (die man schon bei Matthiessen sah) ; dann
aber folgt mit auserlesenen Werken das italienische
17. und 18. Jahrhundert, voran Magnasco, der jetzt
hochgeschätzte Genueser, mit drei Bildern, als
stärkstes wohl die »Landschaft mit den Wäsche-
rinnen« (Michalski), sechs Tintorettos, so eine voll-
tönende »Auffindung Mosis« (van Diemen) oder
die malerisch fesselnden Skizzen zur »Kreuzauf-
findung«. Den Höhepunkt bildet der Venezianer
Rokokosaal, den erstaunliche Guardis und schmis-
sige Tiepolos beherrschen, dazwischen der eine
oder andere prickelnde Rotari und Longhis ele-
gantes Frauenbildnis. Hier sei angereiht eine Kol-
lektion aus Altberliner Privatbesitz, gesammelt
noch im 18. Jahrhundert selbst von Sig. Streit,
der seine zum Teil recht umfangreichen Cana-
lettos, die Bilder von Nogari und Amigoni, der
auch das Bildnis dieses ersten Berliner Sammlers
malte, einstmals dem Gymnasium zum Grauen
Die christliche Kunst XXL 12.
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Ausstellungen
SOMMERAUSSTELLUNG DER
NOVEMBERGRUPPE
TAicse Berliner Gruppe stellte geschlossen in den
Räumen der Secession aus, da sie ja offiziell
auf keiner der großen Frühjahrs- und Sommer-
veranstaltungen vertreten war. An Umfang ist es
nicht viel, was sie bringt. Wenn sie aber nach
ihrem Programm entgegen dem l’art pour hart
die Beziehungen zum Leben wiederherstellen will,
so tut sie das bis heute auf einem Gebiete, in
der Architektur. Darin liegt unstreitig auch der
Schwerpunkt dieser Kollektion, und dagegen ver-
blaßt alle Problematik, die die »freien« Künste hier
so gern und hartnäckig aufweisen. (In der rich-
tigen Wertung soll die architektonische Abteilung
auch demnächst geschlossen in der Akademie zu
Kassel gezeigt werden.) Alle diese Modelle und
klaren Zeichnungen der Peter Behrens — darunter
eine beachtenswerte kath. Kirche, Saalkirche (Rel-
linghausen bei Essen) — H. Kosina, des früheren
Mitarbeiters Mendelsohns (Kraftwerk), der Brüder
Luckhardt Reihenhäuser, Hans Poelzigs Theater
zu Rheydt und Industriebauten des Rotterdamers
J. J. P. Oud u. a. beweisen selbst da, wo das Kon-
struktive überbetont erscheint, daß man in den
Sinn der überleitenden Zeit und in die Ausnutzung
der neuen Baustoffe schon bewußt und sicher
hineingewachsen ist. Immer wieder verspürt man
die führende Kraft der Architektur als der Mutter-
kunst. Auf diesem Gebiete liegt auch die histo-
rische Aufgabe einer Novembergruppe. Im Mittel-
punkt der Maler steht diesmal der Fünfziger Segal,
im übrigen aber noch viel Konstruktivismus, meh-
rere »Sous-Cezannes« und naiv tuende »Sous-
Rousseaus«. Und Russen ! G.
GEMÄLDE ALTER MEISTER AUS
BERLINER PRIVATBESITZ
Ausstellung des Kaiser- Friedrich-
Musen ms-Vereins
Tn den Räumen der Berliner Akademie (Pariser
1 Platz) sind zur Zeit an fünfhundert Gemälde der
italienischen, niederländischen, deutschen, spani-
schen, französischen und englischen Schulen, zeit-
lich also der älteren Kunst bis zum 18. Jahrhundert
einschließlich, ausgestellt. Veranstalter ist der Kai-
ser-Friedrich-Museums-Verein, der noch eine Reihe
namhafter Gäste mit aufgefordert hat und nach
dem Verlust so manchen Sammlers und mancher be-
trächtlichen Sammlung auf diese Weise die Reihen
wieder auffüllt. In den bedeutsamen Ausstellungen
alter Kunst, die der Verein in kurzer Aufeinander-
folge, wie noch vielen erinnerlich, zwischen den
Jahren 1906 und 1914 — so etwa die feine Bildnis-
ausstellung 1909 — ebenfalls in der Akademie ver-
anstaltet hatte, ließen der Krieg und seine Nach-
wirkungen eine größere Pause eintreten. Es ist
aber erstaunlich und vor allem der nie versagen-
den Energie sowie der unermüdlichen Beratung
eines Mannes wie Bode zu danken, was der Verein
und seine Freunde ungeachtet der schweren Jahre
heute aufweisen können. Diese neue Ausstellung
ist zu einer der größten Überraschungen in unserm
Kunstleben geworden. Es handelt sich überwie-
gend um Bilder, die bisher in Berlin und anderen
deutschen Plätzen noch nicht gezeigt worden sind;
da bei der Auswahl noch weniger bekannte Schu-
len und seltenere Meister berücksichtigt wurden,
kommt der gezeigte Besitz auch der Kunstge-
schichte, nicht bloß der Sammleridee zustatten.
Diese reichste Ausstellung, die je- aus Berliner
Privatbesitz zusammenkam, läßt nur mittelbar
etwas von der »Umschichtung« im Kunsterwerb
oder Kunstbesitz verspüren; in Fällen, wo es sich
aus nur zu erklärlichen materiellen Gründen nicht
mehr um »Spitzen«, also erste Werke der Großen
handeln kann, treten beste intime Stücke an
deren Stelle : die kleine »Hl. Familie (1509)« von
Dürer, der frühe Rembrandt »Die beiden Gelehr-
ten«, Rubens’ »Gregor d. Gr.« — man versteht
Delacroix! —oder gar die verblüffende »Genre-
szene« Grecos seien hierzu herausgegriffen. Aber
es gibt noch mehr Überraschungen, dabei solche,
die den untrüglich guten Blick der Berliner Kunst-
freunde besser zeigen, als es das »Auffahren von
Kanonen« vermag. Das gilt auch für die Art,
mit der man den inneren Reichtum all der vie-
len guten Meister ausschöpfte, die sich um die
ganz Großen gruppieren, diesen folgen oder sie
abWandeln.
Trotz einer dichten Hängung ist die Ausstellung
klar und übersichtlich angeordnet; manche, nach
Zeit und Land einheitlich gehaltene Säle wirken
museumsfertig. Das gilt für den großen Flamen-
oder den repräsentativen Italienersaal nicht anders
als' für die Kabinette der Spanier oder der späten
Deutschen des 18. Jahrhunderts.
Die ältesten, hier gezeigten Stücke finden wir bei
den Italienern, wo uns noch hieratisches Mittel-
alter und melodiöses Madonnentum in sienesi-
sch?n Meistern des 14. und 15. Jahrhunderts be-
grüßt. Ihnen folgt in zahlreicheren Stücken die
schon klassisch ansetzende .Frührenaissance, dar-
unter zwei Cassonebilder, toskanisches Quattro-
cento, fröhlich phantastische Szenen aus dem
Psychemythos; man könnte an Domenico Vene-
ziano denken.. Wahrhaft repräsentativ und von
reifer Schönheit Cima da Coneglianos »Madonna
mit Heiligen« (Lord d’Abernon), innig eine das
Kind anbetende Madonna Filippino Lippis (M.
Michalski), vom selben Thema ein Signorelli. Bes-
ser als die fast fehlende Hochrenaissance ist
das ausgehende 16. Jahrhundert, einschließlich der
»Manieristen«, vertreten ; angefangen mit Baglio-
nes, des Römers, »Himmlischer und irdischer
Liebe« oder Zucchis »Bathseba« (beide Ital. Bot-
schaft), den Bassanos, über Ant. Carracci zu Luca
Giordanos, gen. Fapresto, großer »Hochzeit zu
Kana« (die man schon bei Matthiessen sah) ; dann
aber folgt mit auserlesenen Werken das italienische
17. und 18. Jahrhundert, voran Magnasco, der jetzt
hochgeschätzte Genueser, mit drei Bildern, als
stärkstes wohl die »Landschaft mit den Wäsche-
rinnen« (Michalski), sechs Tintorettos, so eine voll-
tönende »Auffindung Mosis« (van Diemen) oder
die malerisch fesselnden Skizzen zur »Kreuzauf-
findung«. Den Höhepunkt bildet der Venezianer
Rokokosaal, den erstaunliche Guardis und schmis-
sige Tiepolos beherrschen, dazwischen der eine
oder andere prickelnde Rotari und Longhis ele-
gantes Frauenbildnis. Hier sei angereiht eine Kol-
lektion aus Altberliner Privatbesitz, gesammelt
noch im 18. Jahrhundert selbst von Sig. Streit,
der seine zum Teil recht umfangreichen Cana-
lettos, die Bilder von Nogari und Amigoni, der
auch das Bildnis dieses ersten Berliner Sammlers
malte, einstmals dem Gymnasium zum Grauen
Die christliche Kunst XXL 12.
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