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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Bramm, Hans: Ein Frühwerk Hans Leinbergers
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0287

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249

EIN FRÜHWERK HANS LEINBERGERS

Von HANS BRAMM

Tn der Pfarrkirche St. Kassian zu Regens-
bürg steht auf dem Rokokoaltar des rech-
ten Seitenschiffes eine Madonna mit Kind.
Sie weist den Typ der sogenannten »schönen
Maria« auf, wie ihn Friedländer i) durch ein
mit Sternen auf Kopftuch und Schultern
geschmücktes Gewand, dessen Ärmel mit
geknüpften Fransen
behängt sind, charak-
terisiert sein läßt. —
Die holzgeschnitzte Fi-
gur (95 cm hoch) wird
im Handbuch Dehios
als »Gnadenbild«, eine
in Holz geschnitzte
Nachahmung der
»schönen Maria« ge-
nannt, in den »Berühm-
ten Kunststätten«2)
eine »linienschöne be-
malte Holzstatuette
des 16. Jahrhunderts«,
derentwegen nach ih-
rer Erwerbung aus der
Minoritenkirche, im
Interesse der Wieder-
belebung des Kultes
der »schönen Maria«,
die Kirche St. Kassian
unter Kanonikus Göz
von J. P. Göz restau-
riert wurde. O. C.
v. Weegmann (Diss.
München 1909) hebt
den »nachklingenden
gotischen Schwung«
an der »sehr feinen
Arbeit« hervor, hält
sie für Regensburger
Arbeit, die nichts mit
der Landshuter Schule
(Moosburg. Madonna)
zu tun habe. — Genaueres bringt H. v. Wal-
derdorff3). Er berichtet, was oben schon ge-
sagt, dazu aber, daß die Statuette »bis 1724
an einer Säule« in der Minoritenkirche ge-
standen, daß sie am 13. August 1747 in
St. Kassian aufgestellt wurde und die Re-
stauration von 1749—60 durch einen G. B.
T) Friedländer, Albrecht Altdorfer, Leipzig 1891.
-—2) Ber. Kunststätten Bd. 52, Regensburg, von H.
Hildebrandt, Leipzig 1910. — 3) H. v. Walderdorff,
Regensburg i. s. Vergangenheit und Gegenwart,
Regensburg 1896.

Göz (vgl. oben J. P. Göz) stattfand. Dabei
wurde das rechte Seitenschiff mit Gemälden
aus der Geschichte der Kirche zur »schönen
Maria« (heutige Neu-Pfarrkirche) ausge-
schmückt. Von Walderdorff beschreibt dann
die Figur und macht auf die Abweichung
von dem Typ der schönen Maria aufmerk-
sam, daß das Kind hier
einen Vogel halte. Er
erklärt sie ganz richtig
aus einem Mißerken-
nen des in Holz nach-
schnitzenden Künst-
lers. — Tatsächlich
zeigt das alte eigent-
liche Gnadenbild, das
Gemälde in der »Alten
Kapelle«1), über dem
Händchen des Kindes
einen Gürtelknopf, der
Farbenholzschnitt Alt-
dorfers2) aber eine
Pergamentrolle, die
beide bei ungenauem
Zusehen wie der Kopf
eines Vögelchens aus-
sehen, das aus der
Hand herausschaut. In
Mariae-Läng3) gibt
die Figur der schönen
Maria diese Abwand-
lung in einem sitzenden
Vögelchen. — In unse-
rem Falle wird wohl
die Gründlichkeit des
Restaurators des 19.
Jahrhunderts (1863/64
fand wieder eine Re-
stauration statt 4))
diese Unklarheit be-
seitigt haben, indem
er, nun nicht mehr zu
verkennen, ein Vögelchen mit gespreizten
Flügeln dem Kind in die Hand gab, d. h. ein
neues Kind mit dieser mit dem Körperchen
verwachsenen Korrektur schuf. Er lehnte
sich dabei allerdings wohl an Altdorfers
Farbenholzschnitt an, das Lockenköpfchen,
die kleinen Arme, besonders der eigentüm-
lich greifende rechte, wie das ganze Sitzen,
*) Walderdorff a. a. O., S. 257. — z) Jahrbuch
der Preußischen Kunstsammlung Bd. 7, Berlin 1886,
von Lippmann S. 154. — 3) Walderdorff a. a. O.,
S. 273. — 4) Walderdorff a. a. O., S. 272.


MUTTERGOTTES IN ST. KASSIAN
ZU REGENSBURG
 
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