LOUIS FELDMANN-DÜSSELDORF GANG NACH EMMAUS
DAS PROBLEM DER CHRISTLICHEN KUNST
Von GEORG LILL
A 7'orliegender Aufsatz erschien im Jahre 1922 im »Hochland« XX, S. 131 ff. als Schlußfolgerung aus den
* damaligen höchst bezeichnenden drei Ausstellungen für christliche Kunst, die im Sommer 1922
in München stattfanden. Wenn er hier (mit einer kleinen Änderung tatsächlicher Art) nochmals
abgedruckt wird, so geschieht dieses, weil man das, was die Redaktion bei der neuen Übernahme der Lei-
tung programmatisch als ihre Stellung zu der heutigen Lage der christlichen Kunst zu sagen hätte,
nicht viel anders ausdrücken könnte. Zudem wird nur ein geringer Teil unserer Leserschaft den
Aufsatz früher zu Gesicht bekommen haben. Wir bitten die Ideen, die in diesem Aufsatz nieder-
gelegt sind, so ruhig und sachlich zu überprüfen, wie sie aus einer möglichst objektiven Stellung-
nahme und aus Liebe zur Sache niedergeschrieben sind. Mancher wird vielleicht an einem oder andern
harten Wort Anstoß nehmen. Gerade solche, die einer bisher ungewohnten Anschauung in der ersten
Aufwallung Widerspruch entgegensetzen, möchten wir bitten, zu bedenken, daß häufig ein offenes Wort
zur rechten Zeit besser ist als ein künstliches Verhüllen und Nicht-Sehen-Woilen.
Der Abdruck geschieht mit besonderer Erlaubnis und durch gütiges Entgegenkommen der Redak-
tion des »Hochlands». Die Redaktion.
T Tm — wenigstens für einen katholischen
Christen — mit einem Paradoxon zu
beginnen: Angenommen,eine ungeheure Ka-
tastrophe vernichte die ganze christliche Weit,
nach Jahrtausenden suche eine ganz andere
Kultur- und Weltanschauungsperiode aus
den ausgegrabenen Denkmälern unserer heu-
tigen Zeit unser Geistesleben zu rekon-
struieren. Reine Zufälligkeiten überliefer-
ten den Forschern einen romanischen Dom
am Rhein, eine gotische Kathedrale in Nord-
frankreich, ein spätgotisches Landkirchlein
in Bayern, Trümmer der Renaissancekirchen
in Rom, eine Barockklosterkirche in Öster-
reich und schließlich auch irgendeine Kirche
in einem kleinen Landstädtchen um 1890
herum oder auch einen bedeutenderen Bau
der Neuzeit, wie die Herz-Jesu-Kirche auf
dem Montmartre zu Paris oder die Votiv-
kirche zu Wien. Aus diesen mehr oder
Die christliche Kunst. XXI. Januar—Februar 1925
IO
DAS PROBLEM DER CHRISTLICHEN KUNST
Von GEORG LILL
A 7'orliegender Aufsatz erschien im Jahre 1922 im »Hochland« XX, S. 131 ff. als Schlußfolgerung aus den
* damaligen höchst bezeichnenden drei Ausstellungen für christliche Kunst, die im Sommer 1922
in München stattfanden. Wenn er hier (mit einer kleinen Änderung tatsächlicher Art) nochmals
abgedruckt wird, so geschieht dieses, weil man das, was die Redaktion bei der neuen Übernahme der Lei-
tung programmatisch als ihre Stellung zu der heutigen Lage der christlichen Kunst zu sagen hätte,
nicht viel anders ausdrücken könnte. Zudem wird nur ein geringer Teil unserer Leserschaft den
Aufsatz früher zu Gesicht bekommen haben. Wir bitten die Ideen, die in diesem Aufsatz nieder-
gelegt sind, so ruhig und sachlich zu überprüfen, wie sie aus einer möglichst objektiven Stellung-
nahme und aus Liebe zur Sache niedergeschrieben sind. Mancher wird vielleicht an einem oder andern
harten Wort Anstoß nehmen. Gerade solche, die einer bisher ungewohnten Anschauung in der ersten
Aufwallung Widerspruch entgegensetzen, möchten wir bitten, zu bedenken, daß häufig ein offenes Wort
zur rechten Zeit besser ist als ein künstliches Verhüllen und Nicht-Sehen-Woilen.
Der Abdruck geschieht mit besonderer Erlaubnis und durch gütiges Entgegenkommen der Redak-
tion des »Hochlands». Die Redaktion.
T Tm — wenigstens für einen katholischen
Christen — mit einem Paradoxon zu
beginnen: Angenommen,eine ungeheure Ka-
tastrophe vernichte die ganze christliche Weit,
nach Jahrtausenden suche eine ganz andere
Kultur- und Weltanschauungsperiode aus
den ausgegrabenen Denkmälern unserer heu-
tigen Zeit unser Geistesleben zu rekon-
struieren. Reine Zufälligkeiten überliefer-
ten den Forschern einen romanischen Dom
am Rhein, eine gotische Kathedrale in Nord-
frankreich, ein spätgotisches Landkirchlein
in Bayern, Trümmer der Renaissancekirchen
in Rom, eine Barockklosterkirche in Öster-
reich und schließlich auch irgendeine Kirche
in einem kleinen Landstädtchen um 1890
herum oder auch einen bedeutenderen Bau
der Neuzeit, wie die Herz-Jesu-Kirche auf
dem Montmartre zu Paris oder die Votiv-
kirche zu Wien. Aus diesen mehr oder
Die christliche Kunst. XXI. Januar—Februar 1925
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