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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Daun, Berthold: Der Giesser der Callimachus-Grabplatte
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Lenz, Oskar: Der Dürersche Holzschnitt "Das Abendmahl" von 1523
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0266

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232 DER DURERSCHE HOLZSCHNITT »DAS ABENDMAHL« VON 1523

daß der Stilcharakter der Platte tief in das
zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts ver-
weist und daß die Zwickelfiguren des kämp-
fenden Engels und des Teufels von der-
selben energischen Hand modelliert zu sein
scheinen, die die bewegte Kampfszene un-
ten auf der Tafel des Gotthard Wi-
gerinck in der Marienkirche zu Lübeck
(Abb. 42 in der Vischer-Monographie), der
1518 gestorben ist, geschaffen hat. Demzu-
folge ist die Annahme berechtigt, daß der

Guß der Callimachus-Tafel bald nach 1515
in der Vischerschen Werkstätte1) vollzogen
ist, obwohl der Florentiner Humanist und
Sekretär des Königs Kasimir Jagello be-
reits 1496, wie die Grabschrift meldet, ge-
storben war.

’) Ob Peter Vischer d. J. für die Ornamentik
in Frage kommt, soll einer spätern Untersuchung
überlassen bleiben, ebenso ob der junge Peter
Vischer der geniale Schöpfer der Peter Salomon-
Platte ist.

DER DÜRERSCHE HOLZSCHNITT »DAS ABENDMAHL« VON 1523
Von OSKAR LENZ

TAie Gegenüberstellung von Werken glei-
eben Inhalts aus der Früh- und Spät-
zeit eines Künstlers bietet nicht nur den
Reiz, zu sehen, wie der Künstler in einer
seinem Stilwillen entsprechenden Form fort-
schreitet, wie also seine Anschauung sich
klärt und seine Hand seinen formalen Ab-
sichten gefügiger wird; sie vermittelt uns
auch die Erkenntnis, wie seine Auffassung,
die menschliche Anteilnahme an dem Dar-
gestellten sich ändert, läutert und vertieft.
Diese neben der Formentwicklung nicht nur
einhergehende, sondern sie auch in gewissem
Sinne bedingende Entwicklung der Auffas-
sung, die größere Empfänglichkeit, die tie-
fere Einfühlung dem Inhalt gegenüber, dür-
fen vielleicht erst als das Zeichen ange-
sehen werden, daß man es mit einem Künst-
ler zu tun hat, dessen Name nicht nur der
Kunst-, sondern auch der Menschheitsge-
schichte angehört.
Das Thema des letzten Abendmahles wurde
von Dürer viermal behandelt, und zwar um
das Jahr 1510 in der großen und kleinen
Holzschnittpassion (B 5 bezw. B 24) und
dann nach etwa 13 Jahren in einer Zeichnung
(L 579) und in einem Holzschnitt (B 53).
Dieser gehört zu einer geplanten Passions-
folge, wovon er allein zur Ausführung kam.
Von einigen andern Darstellungen derselben
besitzen wir noch die zeichnerischen Ent-
würfe, zu denen wohl auch die genannte
Zeichnung des Abendmahles zu zählen ist.
Die Abendmahldarstellungen in der klei-
nen undgroßen Holzschnittpassion sind einan-
der nahe verwandt; was von dieser gesagt
wird, gilt ebenso von jener, bei der übrigens
der Holzschneider so übel gewirtschaftet hat,
daß der Genuß stark beeinträchtigt ist. Wir

können uns deshalb bei ihrer Charakteri-
sierung auf die der großen Passion beschrän-
ken (Abb. 2). Innerhalb des durch die frü-
heren Darstellungen der Folge vor der
Jahrhundertwende schon gegebenen Hoch-
formates sind in kellerartigem Gewölbe, um
einen kleinenTisch zusammengedrängt, Chri-
stus und die zwölf Apostel versammelt; letz-
tere keineswegs alle klar in der Plazierung im
Bilde; es wirkt noch wie ein Rudiment go-
tischer Gruppendarstellung, daß man von
einzelnen nur die Köpfe zu sehen bekommt.
Die Gebärdung der Apostel ist aufgeregt,
die Inbeziehungsetzung der einzelnen Ge-
stalten geht durcheinander, ihre Unterhal-
tung ist lebhaft. Christus in der Mitte, an
dessen Brust Johannes ruht, neigt das Haupt
zur rechten Schulter und hat die linke Hand
erhoben. Am klarsten lösen sich die beiden
Vordergrundfiguren heraus, Judas mit dem
Beutel und der Schenkwirt, der mit viel Be-
dacht einen Becher füllt; auf dem Tisch
endlich unter anderem die Reste des Oster-
lammes. Deutlich, fast zu deutlich veranschau-
lichen gerade diese beiden letzten Umstände
die Situation. Daß es sich aber dabei nicht
um eine gewöhnliche Mahlzeit, sondern um
das letzte Abendmahl handelt, geht aus den
Typen Christi und der Apostel, dem Nim-
bus des Herrn, dem Beutel des Judas her-
vor, also lediglich aus äußeren Merkmalen.
Das Gehaben der Versammelten jedoch läßt
die Stimmung des biblischen Vorganges ver-
missen. Wo bleibt die Bangigkeit, die die
Apostel in dieser Stunde erfüllen muß? Frei-
lich es ist nicht notwendig, daß eine Abend-
mahldarstellung gerade darauf eingeht; der
Künstler kann auch den historisch bedeut-
samen Moment der Einsetzung des Abend-
 
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