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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

DOI Artikel:
Lenz, Oskar: Der Dürersche Holzschnitt "Das Abendmahl" von 1523
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0267

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DER DÜRERSCHE HOLZSCHNITT »DAS ABENDMAHL« VON 1523 233


ABB. 1. ALBRECHT DURER,

DAS ABENDMAHL VON 1523

mahles oder den dramatischen Moment der
Ankündigung des Verrates durch Judas wäh-
len. Ist bei Lionardos Abendmahl diese letz-
tere Beziehungklar, bei dem DürerschenHolz-
schnitt von 1510 kann man zweifeln. Zwar
spricht die Aufregung unter den Aposteln
für diese Deutung; aber was bedeutet die
Geste Christi? Und was soll der Wirt, der
allein, wie gesagt, schon geeignet ist, den
ganzen Vorgang in einen profanen umzu-
deuten? Wir wissen, warum er, ohne daß
der Bibeltext hiezu Anlaß gibt, erscheint.
Er soll im Sinne einer allerdings sehr äußer-
lichen Symmetrie auch auf der linken Seite
der Christus-Johannesgruppe die Zahl der
sechs Personen ergänzen und das Gegen-
gewicht zur Gestalt des Judas bilden. Das
formale Prinzip beherrscht also hier den In-
halt der Darstellung.
Gerade umgekehrt ist es aber bei dem
Holzschnitt von 1523 (Abb. 1). In einem
in die Breite sich dehnenden Raum sitzt an
langem Tische Christus mit den elf getreuen
Aposteln, von denen nun ein jeder trotz des
knappen Platzes an den Tischenden genug

Raum hat, um in seiner Haltung ganz klar
zu werden. Durchweg ist ihre Gebärdung
gedämpfter und doch eindrucksvoll. In der
Gestaltung der Gebärden bedeutet hier die
Vielzahl der Apostel für den Künstler keine
Verlegenheit; er benützt sie vielmehr, um
durch sie die Stimmung auszudrücken. Mag
manche Figur herausgenommen vielleicht
gleichgültig sein, im Zusammenhang wird
sie mit Träger der gedrückten Stimmung,
die durch die Figur links, die mit dem
Messer gedankenverloren in dem Tischtuch
bohrt und durch die rechts, die vornüber
gebeugt die Rechte auf die Schulter des
Nachbarn legt, angeschlagen ist. Um wie
viel bedeutender ist dann hier die Geste
Christi, obwohl ähnlich der im Holzschnitt
von 1510, geworden, weil sein Blick ihr
folgt. Wie wirkt sie nun auch ruhiger,
da der Ellenbogen einen Halt auf dem
Tische zu finden scheint. Die Stimmung
der Versammelten, nicht nur die Typen der
Dargestellten, die, nebenbei gesagt, viel höher
gegriffen sind als 1510, und nicht nur der
Kelch und der Nimbus Christi zeigen an,
 
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