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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Bramm, Hans: Ein Frühwerk Hans Leinbergers
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Hoffmann, Richard: Die Kriegergedächtnis-Kapelle in Ruhpolding
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0291

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EIN FRÜHWERK HANS LEINBERGERS

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Datierung, doch behalte ich mir die Aus-
führung hierüber im größeren Rahmen vor.
Nach diesen Feststellungen scheint es
möglich, auch die Madonna von St. Kassian
als eigenhändiges Werk Hans Leinbergers
anzunehmen. Wir hätten in ihm ein weiteres
Frühwerk erhalten, ein zweites in Regensburg.
Man darf daraufhin vielleicht annehmen, daß
Leinberger, bevor er im Jahre 1516 in die
Dienste Herzog Ludwigs X. in Landshut trat,
in Regensburg selbst tätig war. Diese An-
nahme wird gestützt durch die Tatsache, daß
Leinberger sowohl in der St.-Kassians-Ma-
donna, wie in der Moosburger Madonna, deren
Entstehung in den Jahren 1513—1515 ge-
sichert ist, schon denTyp der »schönen Maria«
bringt, also in einer Zeit, in der ihr Kult in
Regensburg noch nicht den großen Ruf und
Zulauf hatte und sich noch kein Altdorfer mit
Holzschnitten der »schönen Maria« beschäf-
tigte. 1519 erst, nach der Judenvertreibung,
wird die Verehrung der »schönen Maria«
allgemein. — Leinberger hat also, wohl an
Ort und Stelle und als Mensch, der sich
auch für künstlerische Leistungen früherer
Zeit interessierte, das alte Gnadenbild in der
alten Kapelle gekannt, und ihm bei der Über-
setzung in sein plastisches Schaffen die Be-
reicherung in der Gewandung angedeihen
lassen. Das bestätigt neben der bekannten
Gewandung, Mantel mit Kapuze, Ornament-
streifen, Fransen, Sternen auf den Schultern
und der Brosche am Halse (vgl. Moosburger
Madonna) vor allem das Christuskind, das,
wie es das alte Bild zeigt, bekleidet gegeben
wird und zwar nur bei unserer Figur und in
Moosburg. Sonst bildet Leinberger seine
Christuskinder nackt.
Daraus würde sich weiterhin ergeben, daß
wohl, als sich Altdorfer nach 1519 bis ca.

1522 im Dienste der »schönen Maria« künst-
lerisch betätigte, Hans Leinberger der Ge-
bende war, daß sich Altdorfer an die »schöne
Maria« Leinbergers hielt, ebenso wie es wohl
auch Erhard Heydenreich getan hat. Beides
erkennt man aus dem Schnitt Ostendorfers1),
der uns die Wallfahrtende Menge vor dem
Holzkirchlein und der »schönen Maria« auf
der Säule zeigt: Nach Beginn der Wallfahrt
(1519) hatte Heydenreich eine steinerne
Maria auf der Säule aufgestellt. Wenn sich
Ostendorfer bei seinem Schnitt an die Wirk-
lichkeit gehalten hat, so sind, wie sie hier
sichtbar, die Faltensysteme von Leinberger
übernommen. Wenn wir uns auf eben diesem
Holzschnitt Altdorfers Fahne ansehen, deren
Figuren wirklich altdorferisch anmuten und
dessen Farbenholzschnitt dazunehmen, so
könnte uns das Christuskind in der Drallheit
seiner kleinen Glieder und am ehesten in
dem vollen Köpfchen des Farbenholzschnit-
tes einen Begriff davon geben, wie das Kind
unserer St.-Kassians-Madonna ausgesehen
haben mag. Es kann nicht viel anders als
das Kind der Moosburgerin gewesen sein,
das dem letztgenannten Altdorferschen sehr
ähnlich ist.
Mit der Aufnahme der um 1512 entstan-
denen St. Kassians-Madonna in Hans Lein-
bergers Kunstschaffen ist nicht nur eine er-
weiterte Basis für die Erkenntnis der künst-
lerischen Entwicklung des Meisters selbst
geschaffen, sondern auch gerade in diesem
Stück das Meister-Vorbild für eine große
Anzahl von Schulwerken, die dem zweiten
und dritten Jahrzehnt des Jahrhunderts an-
gehören, wiedergefunden.

’) Abb. siehe Tietze: Albrecht Altdorfer, Leip-
zig 1923, S. 131.

DIE KRIEGERGEDÄCHTNIS-KAPELLE IN RUHPOLDING

Von RICHARD HOFFMANN

'Tu den Perlen des Traungaues gehört Ruh-
polding in dem tief herausgearbeiteten
Alpenquertal der Weißen Traun auf sanft-
hügeligem ausgedehntem Talboden gelegen.
Die Schönheit der Lage ist vor allem durch
die immerwechselnden Kulissen des Tales
der Seetraun und in der Urschlau wie durch
die malerischen Schluchtentälchen des Sulz-
und Westerberges bedingt. Für das engere
Ortsbild ist der Hügel mit der Pfarrkirche

St. Georg und dem Friedhöfe bestimmend.
Wegen der über der Ortschaft gelegenen
Kirche hieß früher wohl auch das Dorf Kirch-
bichl (Kirchbühel). Auf diesem malerischen
Hügel spielte sich seit Jahrhunderten das
kirchliche Leben des Ortes ab. Auf ihm er-
hebt sich der eindrucksvolle Bau der Pfarr-
kirche. Sie ist eine sehr stattliche architek-
tonische Anlage, die, würde sie im Flach-
lande stehen, ihre über das Mittelmaß hinaus-

Die christliche Kunst. XXI. il

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