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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Wolf, G. J.: Julius Seidler
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0039

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JULIUS SEIDLER

GEDENKTAFEL ZU GABRIEL VON SEIDLS 60. GEBURTSTAG
Tölz. — Text S. 23

JULIUS SEIDLER
(Zu den Abb. dieses Heftes)

Julius Seidlers, des Münchner Bildhauers,
Lebenswerk macht auf den, der es in sei-
ner Gesamtheit überblickt, trotz der Fülle
mannigfaltigster Ausformungen, trotz des
Reichtums der Aufgaben, die dem Künstler
gestellt waren und der Vielzahl der Gestal-
tungen, die er dafür fand, einen absolut ge-
schlossenen Eindruck. Seidler schreibt nicht
nur eine sehr markante Handschrift, sondern
seine Persönlichkeit manifestiert sich in
einem ihr gemäßen Stil: wie der Mensch, so
sein Werk. Und doch ist es kein Leichtes,
mit ein paar Worten oder Sätzen die stili-
stische Eigenart Seidlers zu umschreiben.
Die knorrige Eigenwilligkeit, das aufrechte,
oft auch herbe Manntum des Künstlers ist
in ihnen, aber es tritt auch etwas fast Wei-
ches, Melancholisches hinzu, und zuweilen
löst den bei Seidler gern vorschlagenden
Humor ein Moment feierlicher Stille, der
Zug ins Monumentale ab.
Die Wurzeln dieser Kunst sind aufs festeste
im süddeutschen, besonders im alemanni-
schen Wesen verankert. Später traten Münch-
ner Einflüsse hinzu, aber beides, das Scholle-
gewächs der Heimat und das Erfühlte und
Erlebte in der zweiten, in der künstlerischen
Vaterstadt, war nichts Oberflächliches, nichts

Angeflogenes, sondern wuchs tief in ihn
hinein, körperte sich ihm ein, wurde ganz
sein Eigen. Daher diese schöne, selbstver-
ständliche Geschlossenheit und dieser per-
sönliche Ausdruck, dessen keine Arbeit aus
Seidlers Hand ermangelt.
Julius Seidler ist ein Konstanzer von Ge-
burt. In der wunderschönen Stadt am Bo-
densee, deren Münster ihn begeisterte und
ihm heute noch als der Quell seines künstle-
rischen Wesens erscheint, erblickte er am
24. Februar 1867 das Licht. Die tüchtige
handwerkliche Ausbildung, die er von 1881
bis 1886 bei dem Konstanzer Meister Hans
Baur erfuhr, vermittelte ihm die ausgezeich-
nete Materialkenntnis und vor allem den Re-
spekt vor dem rein manuellen Können, die
seinem späteren Wirken außerordentlich zu-
gute kam. Aber eines Tages war es doch
soweit, daß der nunmehr neunzehnjährige
Julius Seidler bei Baur, den er stets in Ehren
hielt, nichts mehr lernen konnte, und daß er
sich entscheiden mußte, ob er fortan im
Handwerklichen und Gewerblichen oder im
Künstlerischen Weiterarbeiten, ob er sein
Leben und Schaffen im tüchtigen, aber klei-
nen Bezirk der Aufgaben, die der künstle-
rischen Lösung nicht bedürfen, oder im luf-

Die christliche Kunst. XXI. November 1924

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