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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Fräbel, P. Alfred: Ein neuer Bischofsstuhl in St. Gabriel in Mödling (Nied.-Öst.)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0284

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248

EIN NEUER BISCHOFSSTUHL
IN ST. GABRIEL IN MÖDLING (Nied.-Öst.)
Von P. ALFRED FRÄBEL

Dei den in unserer Klosterkirche häufig statt-
findenden Pontifikalfunktionen wurde
schon seit langem das Fehlen eines würdigen
bischöflichen Thronsessels als Mangel em-
pfunden. Der neue Bischofsstuhl, den ich den
Lesern der Christlichen Kunst nebenstehend
im Bilde vorführe, ist in viermonatiger Arbeit
in der Werkstätte unseres Klosters fertig-
gestellt und bei der Erteilung der hl. Priester-
weihe an 27 unserer Alumnen durch Se.
Eminenz, den Herrn Kardinal Piff 1 am 13. Mai
zum ersten Male in Gebrauch genommen
worden. Der Gesamtentwurf und die Zeich-
nungen zu den Details stammen vom Schreiber
dieses. Die Schnitzarbeiten führte ein in
unserem Kloster lebender Bildhauer, Mathias
Männeken aus Aachen sehr korrekt und
sauber aus. Die Schreiner und Polsterar-
beiten wurden von Laienbrüdern unseres
Klosters hergestellt. Der Stuhl ist in allen
seinen Teilen aus Eichenholz, nur die ring-
tragenden, im Sinne der romanischen Kunst
stilisierten Löwenköpfe sind in Gelbguß her-
gestellt und ein Geschenk des durch seine
Freigebigkeit für kirchliche Zwecke rühm-
lichst bekannten Herrn Arthur Krupp, Ex-
zellenz in Berndorf, N.-Österreich. Der rot-
goldfarbene Seidenbrokat wurde mir als
Gegengeschenk für einen Paramenten-Ent-
wurf von der Wiener Seiden-Paramenten-
firma Flemmichs Söhne überlassen. Nur so
war es uns möglich, uns trotz der Not der
Zeit ein so verhältnismäßig prunkvolles Stück
zu leisten. Hölzerne Thronsessel aus roma-
nischer Zeit konnten mir bei Anfertigung
des Entwurfes nicht zur Anregung dienen,
denn meines Wissens existieren aus dieser
Zeit nur noch einige steinerne Bischofs-
und Abtstühle. Einer von diesen, der in der
Michaelsabtei zu Siegburg aufgefunden und
im XXXIV. und letzten Jahrgange der Düssel-
dorfer Zeitschrift für Chr. Kunst von Egid
Beitz besprochene Sessel des Abtes Kuno I.
zeigt auf der Lehne ein Brustbild der Mutter-
gottes, die von den beiden Evangelistentieren
Stier und Löwe flankiert wird. Unter dem
Sitz ist das dritte Evangelistensymbol, der
Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Das vierte
Symbol wäre derjenige selbst, der auf dem
Throne sitzt. Dieselbe merkwürdige Sym-
bolik zeigen auch eine Anzahl italienischer
Kanzeln und Ambonen, wo den vierten Evan-
gelisten derjenige bezeichnet, der die Kanzel
oder den Ambo besteigt. Ohne Sinn ist es

bei der Siegburger Kathedra auch nicht,
»daß der Adler unter dem Sitze steht, daß
er die Schwingen breitet und in stolzer
Haltung aufblickt, als wolle er im nächsten
Augenblicke mit dem, der auf dem Sessel
sitzt, zur Sonne, ja höher noch, zum Throne
Gottes fliegen«. Die tiefsinnige Symbolik
dieser Kathedra, die so recht der Entstehungs-
zeit derselben, dem XII. Jahrhundert ent-
spricht und vom Verfasser des erwähnten
Artikels auf die Anregung keines Geringeren
als des Rupert von Deutz, des intimen Freun-
des des Abtes Kuno zurückgeführt wird,
habe ich mir bei unserem Stuhl auch zu
eigen gemacht und deshalb in den drei Fül-
lungen der Vorderseite unterhalb des Sitzes
in der Mitte den Adler mit ausgebreiteten
Schwingen dargestellt, ihm zur Seite Löwe
und Stier. Durch den Löwen wird auch die
zu den Kardinaltugenden gehörende Stärke
oder Tapferkeit versinnbildet. Auch die Tu-
gend der Mäßigung kommt auf einem Löwen
oder Elefanten sitzend vor. Der Adler ist
das Sinnbild der Gerechtigkeit. In den seit-
lichen Füllungen unseres Bischofsstuhles
sind Greifen, Fabeltiere mit Löwenleibern,
Adlerflügeln und -köpfen. Man sieht sie oft
an romanischen Kirchenportalen als Wäch-
ter des Heiligtums und sie können hier als
Sinnbilder des obersten Wächteramtes des
Bischofs gelten. Löwen, Greifen, Adler, Dra-
chen und ähnliches Getier sehen wir auch oft
als symbolische Zier an Leuchterfüßen, als
Verkörperungen des guten und bösen Prin-
zips, die miteinander im Kampfe liegen. Sie
sind deshalb auch eine passende Zier für
einen Bischofsstuhl, denn er ist gleichsam
auch ein Kandelaber, »denn der, der die
Kathedra einnimmt, ist ein Licht der Kirche«.
Fügen wir nun noch bei, daß in dem Bogen-
feld der Lehne der romanisch stilisierte,
Christus versinnbildende Weinstock zu sehen
ist, so hätten wir alles gesagt, was über
den symbolischen Schmuck dieses Thron-
sessels zu sagen ist. Die edle Behandlung
des Eichenholzes in seinem bräunlichen
warmen Ton, die Vergoldung der orna-
mentalen Teile, der Knäufe und Rosetten,
das tiefe, leuchtende Kobaltblau der Orna-
ment- und Reliefgründe zusammen mit dem
rot-gold schimmernden Seidenbrokat des
Kissens und des Rückenpolsters geben
eine vorzügliche, wahrhaft festliche Gesamt-
wirkung.
 
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