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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Gehrig, Oscar: Der Bildhauer Jakob Blaser
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0139

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DER BILDHAUER JAKOB BLASER
Von OSCAR GEHRIG

TJ"s gibt unter uns viele Kunstliebhaber,
die mit innigem Entzücken, ja mit Rüh-
rung ein schönes altes Bauwerk, ein gutes
Gemälde oder eine sinnvolle Radierung zu
betrachten wissen, ■— eine Plastik dagegen
sagt ihnen wenig oder gar nichts.“ Diesen
Stoßseufzer kann man allenthalben selbst
in der Kunstwelt hören; leider. Wir sind
uns ja auch darüber im Klaren, daß nach
dem Abbruch der großen plastischen Tradi-
tion — die sich der künstlerischen überhaupt
einfügt — heute ein zäher Kampf um die
Wiedergewinnung plastischen Sinnes und
Verständnisses gekämpft wird; da verbrei-
terte auch noch die Not der Zeit die alte
Wunde. Im Rahmen der Kirche ist aller-
dings glücklicherweise die Verbindung mehr
als sonstwo im ganzen erhalten geblieben;
mit überliefertem plastischem Gut sind weite
Kreise, ja Gemeinden irgendwie eng vertraut,
und an neueren und neuesten Schöpfungen
von künstlerischem Reiz oder Wert herrscht
kein allzufühlbarer Mangel. Dies alles ist
um so anerkennenswerter, als gerade hier seit
Jahrzehnten obendrein durch eine sogenannte
Kunstindustrie ein recht böser, gipserner
Feind erstanden ist, dessen Verdrängung als
besondere Aufgabe neben der religiös-künst-
lerischen steht; denn niemand kann an der
Reinigung von bildnerischem Kitsch und see-
lenloser Massenware größeres Interesse haben
als eben die Kirche selbst. Die Orientierungs-
möglichkeiten über die Plastik der verschie-
denen klassischen Epochen wie allgemein
über die Plastik der Vergangenheit gibt es
genug; unsere vornehmste Pflicht ist es, das
Schaffen unserer gegenwärtigen Meister
weitreichend ins Auge zu fassen und somit
Möglichkeiten auszukunden, sie unseren
künstlerischen und religiösen Absichten
dienstbar zu machen. Der Lebende soll
in seiner Zeit zu seinem Rechte kommen;
ermunterndes Lob wie bessernde Kritik mö-
gen weise verteilt werden. Aus wievielen
„Nachrufen“ klingt sonst ein verhaltenes:
Zu spät!
Im Folgenden wenden wir uns einem Bild-
hauer zu, der den Freunden und Auftrag-
gebern christlich-religiöser Kunst kein Un-
bekannter mehr ist, der aber eine Würdigung
im Zusammenhang noch nicht gefunden hat.

Die „Jahresmappen1) weisen verschiedent-
lich nennenswerte Proben seines Könnens
auf. Jakob B 1 a s e r ist N u r - Bildhauer;
er geht in seinem plastischen und skulpturel-
len Wirken restlos auf. Als geborener Süd-
Württemberger (geb. zu Ravensburg imjahre
1874) hat er hauptsächlich im nahen München
gelernt; in und außerhalb der Akademie. Hier
war er Schüler Syrius Eberles, dort arbeitete
er für Taschner. Als Künstler echten, alten
Schlages ist er von Grund aus Handwerker,
Beherrscher der Technik. Mit dem Meißel
geht er ebenso vertraut um wie mit dem
Schneidemesser. Ein durch und durch inner-
licher Mensch lebt er nur für,,seine Braut“,
die Kunst, wie er scherzhaft zu sagen pflegt;
mit unbeschreiblicher Bescheidenheit hauste
er jahrelang von der Welt fast abgeschlos-
sen, erhob sich des Morgens mit der Sonne,
ruhte erst, als der Tag’ sich neigte und es
dunkel wurde um ihn herum. Zu einem
Modekünstler hätte er von Geburt an und
aus Anlage nie das Zeug gehabt. Uber der
Arbeit hat er fast stets vergessen, wie er litt
und stritt. Nur wenige Eingeweihte kannten
seinen Karlsruher „Pferdestall“, den er
sich als Werkstatt eingerichtet hatte. Heute,
als einem Fünfziger, ist ihm endlich das
Glück zuteil geworden, eine seinem We-
sen und Willen entsprechende Berufung zu
erhalten, indem die Benediktiner - Abtei
Schweiklberg (Niederbayern, bei Pas-
sau) den Künstler ganz zu sich geholt hat,
damit er ihre Kirche mit dem erforderlichen
plastischen Schmuck und Figurenschatz aus-
statte — eine Arbeit auf Jahrzehnte hinaus,
ohne Aufträgen nachlaufen zu müssen. Für
Jakob Blaser der richtige Fall; hoffen wir,
daß er an seinem neuen Wirkungsort auch
seine ureigenste, aus unabhängig freiem
Gestalten entstehende künstlerische Lösung
finden wird2).
Greifen wir nun einige seiner bisherigen
Hauptschöpfungen heraus. Schon frühe ler-
nen wir ihn als flotten, geschmackvollen
Skizzierer kennen. Seine „Hl. Cäcilia“ (1901
bis 1902) ist ebenso anmutig empfunden wie
Vgl. Jahresmappen d. „Deutschen Gesellsch.
f. christliche Kunst“ 1909, 1915, 1917, 1920.
2) Neuerdings ist er in die Abtei Münsterschwar-
zach b.Würzburg übergesiedelt. (Anm. d. Schriftltg.)

Die christliche Kunst. XXI. März 1925
 
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