Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

DOI Heft:
Beiblatt
DOI Artikel:
Neue Kunstwerke
DOI Artikel:
Denkmalpflege
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0351

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NEUE KUNSTWERKE. — DENKMALPFLEGE

29

wie sonst so oft, sitzen und den horizontal aus-
gestreckten Körper des Sohnes auf dem Schoße
halten. Sondern sie steht aufrecht und hält in
der gleichen Stellung auch den Leichnam Christi
mit beiden Händen unter den Armen fest. Seine
Haltung zeigt das willenlose Zusammensinken des
Toten. So wird die Vertikale dieses Körpers zu
einer sanft S fömig gebogenen Linie, die zu der
lebendig aufrechten Haltung der Mutter in vor-
züglich wirkendem Gegensätze steht. Der Aus-
gleich der Massen wird hergestellt durch die Fi-
gur eines rechts (vom Beschauer) neben Christus
am Boden knienden trauernden Engels. Der Akt
des nach rechts sich neigenden Christuskörpers
ist mit äußerster Sorgfalt durchgeführt. Der Kopf
ist von edler Herbigkeit. Das Antlitz Marias richtet
sich gen Himmel mit dem Ausdrucke tiefen
Schmerzes, aber auch der demutvollen Ergebung
in Gottes Willen. Sie trägt über ihrem Gewände
einen weiten Mantel, das Haupt ist verschleiert.
Mantel und Schleier sind leicht blaugrau lasiert, das
übrige in zartem warmem Elfenbeinton gehalten.
Die Kapelle mit ihrem schönen Altarwerke ist ein
wahrhaft würdiges Denkmal, das von den Stadt-
bewohnern auch nach Gebühr geschätzt wird. Von
großem Interesse ist es, die in der Werkstatt des
Künstlers befindlichen früheren Entwürfe mit dem
fertigen Zustande zu vergleichen und zu sehen,
wie während der Arbeit die rechte plastische Lö-
sunggefunden wurde, wie sich die Gedanken wesent-
lich andere Ausgestaltung gesucht haben, auch
wie zumal bei der Muttergottes eine erhebliche
Vertiefung der religiösen Stimmung Platz gegriffen
hat. — Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit auch
das Kriegerdenkmal, das Balthasar Schmitt für
Aschach geschaffen hat — denselben Ort, in dessen
Friedhofskapelle seine im Märzhefte d. J. abgebil-
dete und besprochene Beweinungsgruppe aufge-
stelltist. Des Kriegerdenkmals figürlicher Schmuck
besteht aus einer sitzenden gekrönten Muttergottes
mit dem Kinde, das mit einer Lanze die Schlange
durchbohrt. Doering
NEUE GLASGEMÄLDE VON
ALBERT FIGEL
TJür eine Kirche in Amerika hat Albert Figel drei
-*■ Glasmalereien entworfen, die in der Mayerschen
Kunstanstalt zu München ausgeführt worden sind
und daselbst im August einige Tage lang ausge-
stellt waren. Alle drei haben längliche, hohe, schmale
Form. Jedes besteht aus zwei Teilen, die durch
eine Mittelsäule getrennt sind; jede Hälfte ist oben
halbkreisförmig geschlossen. Diese obere Partie,
sowie der untere Teil jedes Bildes ist mit ornamen-
talen Teppichmustern gedeckt, in welchen rechts
eine Stiftungsinschrift eingefügt ist. Der bildliche
Schmuck besteht bei zweien aus je einem figür-
lichen Gemälde, das sich über die beiden Hälften
der Kompositionen hinzieht. Das dritte Fenster
zeigt sechs Medaillons. Sie sind in eckige Acht-
pässe hineinkomponiert und zeigen von oben nach
unten: links den Matthäusengel, das Lamm und
den Markuslöwen, rechts den Johannisadler, den
Pelikan und den Lukasstier. Feurig und tief sind
die Farben, in der reichen Ornamentmosaik herrscht
ein glutvolles Rot vor. Die beiden anderen Fenster
geben eine Verherrlichung des Altarssakramentes
und zwar das eine mit einer Darstellung des letzten
Abendmahles Christi, das andere mit dem typo-
logischen Bilde des Opfers Melchisedechs in Gegen-

wart Abrahams. Die Figur des letzteren, der von
seinen Mannen begleitet ist, füllt die linke Hälfte
des Fensters. Er kniet in kriegerischer Rüstung,
das Haupt unbedeckt, seine bewaffneten Begleiter
stehen hinter ihm. Auf der rechten Hälfte sieht
man den aus rauhen Steinen errichteten Altar.
Davor rechts steht der Priesterkönig, beide Hände
betend erhoben. Majestätisch steht er da, lang
wallt der graue Bart hernieder. Die Gestalt ist
dem Beschauer voll zugewandt. Über einem roten
Unterkleide trägt Melchisedech ein reich gesticktes
Pluviale und braunen Mantel.—Die außerordentliche
Vereinfachung der Kompositionen, zu welcher die
Rücksicht auf die Anforderungen der Monumen-
talität der Glasmalerei und überdies jene auf die
Eingeschränktheit des Raumes zwang, macht sich
noch fühlbarer bei dem Gemälde des dritten Fensters
geltend. Statt der zwölf Apostel müssen ihrer sechs
genügen — eine künstlerische Freiheit, die durch
die Not, aber auch durch den Erfolg gerechtfertigt
wird. Zwanglos schafft sich bei diesem allbekannten
Gegenstände die Phantasie Ergänzung des Fehlen-
den. Der weiß gedeckte lisch, an welchem der
heilige Vorgang vonstatten geht, zieht sich als
gemeinsames, verbindendes Glied über beide Bild-
hälften hin. Von ihnen zeigt die linke den Heiland
mit dem Lieblingsjünger und den zu schärfstem
Kontraste dienenden Verräter, rechts sind vier
Jünger gruppiert. Die Stilisierung mit ihrer Strenge
und Einfachheit schließt das erzählende Moment
aus; das ganze Bild ist fast nur Symbol. In den
herb gezeichneten Gesichtern spricht sich die all-
umfassende Liebe des Heilandes, Liebe, Demut,
Glaube und Vertrauen der Jünger und beim Judas
das Widerspiel aller dieser Empfindungen aus,
alles über das persönlich Individuelle erhoben, zur
Allgemeinheit abgeklärt. Auf dem Tische stehen
zwei Kelche. Aus der Fülle der tiefen Farben
leuchtet das — statt des Weiß, um dessen Über-
menge zu verhüten, gewählte — Rosa des Heiland-
gewandes hervor. Starken Gegensatz bildet „das
Dunkelviolett und Grün des Rockes und Mantels
des Judas. Der Hintergrund ist blau mit roten
Kreuzen. Stark stilisiert ist überall die Zeichnung
der scharfen parallel angeordneten Falten. Alle
drei Bilder zeigen eine hohe, an besten alten Vor-
bildern zur Selbständigkeit erhobene Vollendung.
Doering
Denkmalpflege
WANDGEMÄLDE AUS DER KEL-
TISCH-IRISCHEN EPOCHE
LJinSchatzvonhöchstemkunsthistorischen Werte
■*—' wurde in einem äußerst bescheidenen Land-
kirchlein Tirols entdeckt, der von dem bekannten
Kunsthistoriker Tirols Professor Dr. Pater Adel-
gott Schatz mit Recht als »einzig in der Welt
dastehend« bezeichnet wurde. In dem kleinen
Sankt Proculuskirchlein, einem einfachen vier-
eckigen Bau, von Naturns, heute Naturno, einer
aus vorrömischer Zeit stammenden Ansiedlung,
15 km von Meran, an der uralten Römerstraße
im Vintschgau gelegen, fand man unter zwei
Schichten späterer Übermalung Wandgemälde aus
der keltisch-irischen Periode, deren Entstehung
in das 7. oder in den Anfang des 8. Jahrhunderts
fällt. Frau Maria Boccalari aus Venedig begann
im August 1923 mit einem Gehilfen und einer
Gehilfin im Auftrag des königl. italienischen
 
Annotationen