AUSSTELLUNGEN
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tun not, nicht Programme. Erleichtert steht man
danach vor den fest fundierten, gesunden Porträts
eines Schulte im Hofe; äußerst persönlich die
schmissige Skizze nach dem alten Menzel.
Zur allgemeinen Abteilung: Hier sind die Spann-
weiten zwischen Hergebracht-Akademisch und
Sezessionistisch-Expressionistisch größer, als sich
zuerst unter der gegenwärtigen Aera vermuten
ließ. Einige Abstriche ganz rechts und dem hier
überflüssigen extrem links hätten gut getan. Im
ganzen aber herrscht ein anständiges Niveau an
Malerei, so wie sie dem Bedürfnis der Zeit zu
dienen hat, mag der „Konsument“ sich nun mehr
zu einer naturalistischen oder idealistischen Auf-
fassung bekennen. Die solide Kunst von gestern
steht trefflich vertreten neben der Sucherin neuer
Wege. Hatten wir bei der „Akademie“ von einer
ersichtlichen Klärung der Standpunkte als solcher
gesprochen, die objektiv genug Qualität vor Rich-
tung stellt, so können wir hier, wo wir es mit
einem Nebeneinander der deutschen Kunstregionen
zu tun haben, trotz säuberlicher „geographischer“
Scheidung von einem nicht minder sichtbaren Aus-
gleich reden. Wie sich dort schon die Münchner
nicht mehr so „münchnerisch“ gebärdeten, so ver-
spüren wir hier ein noch stärkeres Zusammen-
wachsen von Provinz zu Provinz, können einen
breitwirkenden Konsolidierungsprozeß innerhalb
der deutschen Kunst feststellen. Dabei wollen wir
immer wieder bedenken, daß es fruchtlos ist, von
jedem Kunstwerk, das nichts als seinerzeit dienen
will und kann, Ewigkeitswerte -zu verlangen; die
Einsicht, daß die Gegenwart genau wie frühere
Epochen genügend hochstehende Mittelkunst zur
Bestreitung ihres kulturell unerläßlichen Verbrauchs
besitzt, mag manchem vorlauten Schwärmer für
„ältere“ Kunst, an der er oft genug doch nur,
weil sie eben alt, Vorzüge findet, die er unserer
anders gearteten absprechen zu müssen glaubt,
etwas mit den lebenden Künstlern versöhnen. Um
nur wenige herauszugreifen, so seien es unter den
Berlinern älterer Richtung der treffliche Kurt
Agthe, Hoffmann v. Fallersleben als Landschafter
von reiner Gesinnung und technischer Klarheit,
im Gefolge mit tonigen Landschaften Erich Müller
und kirchlich-figürlichem Interieur Koch-Zeuthen.
Erfrischende Wandlungen weisen manche, so etwa
Hartig, als Aquarellisten auf, als solche auch die
feinen Karlsruher Gehri und Vocke. Sicher fun-
diert und charakterlich Fritz Heinsheimer, als
Landschafter wie Bildnismaler; an Religiöses klingt
Blanke an, mit beachtlichen figuralen Leistungen
sind Hilbert und Kretschmann vertreten, bekannt
von Secession und Akademie, sodann mit fast
schon witzigen, sicher aber geistreichen Porträts
Auguste v. Zittzewitz. Bestes birgt diesmal die
exquisite graphische Abteilung: Slevogts Guaschen
auf den Holzstöcken zum neuen Don Giovanni,
die Bildnisradierungen des zuchtvollen Orlik, die
Kollektion von radierten, gehaltstiefen Blättern
Paul Herrmanns. Höhepunkte der Ausstellung.
Größere Innenspannungen als die Berliner —
das hängt mit der örtlichen Struktur zusammen —
weisen die Gruppen Dresden, München und Stutt-
gart auf, Karlsruhe und Düsseldorf sind wieder
in sich gemäßigter. Mehrfach begegnen uns auch
hier altmeisterlich arbeitende Künstler, wie Friedr.
Stahl (Feldafing) oder Baierl (München), der fast
memlinghaft weich ist, von wundersamem Fluß
der Linie und Schmelz der Farbe. Ferner wirken
ähnlich die Arbeiten von Siebert aus Dresden oder
Schmetz (Düsseldorf). Unter den starken Aus-
wirkungen Hans Thomas steht der Karlsruher
Saal, beherrschend darin das Bildnis des Alt-
meisters als des Bewahrers des heimlichen Schatzes
deutscher Kunst von Hans Ad. Bühler. Als Male-
reien vortrefflich die saftigen Landschaften eines
Herrn. Strübe.
Im Skulpturensaal gibt weithin sichtbar die
speerwerfende Amazone Franz Stucks den Ton
an; der Meister ist ausschließlich mit Plastiken
vertreten. Fein empfunden seine Statuetten Helena
und Monna Vanna. Wie stets prachtvoll erfaßt
und durchgeführt die Büsten Isensteins und Ja-
kinows, eine frei bewegte, doch im großen Format
vergriffene Tänzerin von Bauch, scharfkantige, in
Haltung beherrschte Figuren von Schliepstein.
Das religiöse Gebiet, vertreten Jos. Limburg, mit
einer innigen, formedel durchgestalteten Madonna
Immaculata und Wilh. Roeder mit dem mehr-
figurigen Hochrelief Caritas. Was die neudeutsche
Buchkunst vermag, beweist in unübertroffenen
Leder- und Pergamenteinbänden der Jacob-Krauße-
Bund, der Vitrinen mit köstlichen Inhalten ange-
füllt hat unter Beteiligung der Mitglieder aus dem
ganzen Reiche. Alles in allem: Haben wir heuer
auch nicht die eigentliche „Große Berliner“ Aus-
stellung vor uns, so hat man sich doch mit einer
wohlgesichteten Deutschen Kunstschau geschickt
aus der Affäre gezogen.
III. „Berliner Kunst 1925“
Die Ausstellung der „Arbeitsgemeinschaft“ im
Verein Berliner Künstler. Draußen in den Sälen des
Charlottenburger Opernhauses, als dritte größere
Veranstaltung das Ergebnis künstlerischer Innen-
politik. Man will weniger protestieren als sich
vielmehr behaupten. Meist Jüngere, die nicht über-
stimmt werden wollen, angeführt von Baluschek,
Dettmann, Hauschild, begleitet von Künstlern wie
Sandrock, Ulrich Hübner, Konst. Starck, Ernst
Wenck, O. H. Engel u. a. Das möge genügen ! Um
den organisatorischen Teil hat sich F. M. Lünst-
roth, der auch auf der Ausstellung selbst mit
nennenswerten, stark dekorativ aufgefaßten Ar-
beiten vertreten ist, verdient gemacht. Man ist
durchweg sehr klug vorgegangen; wer etwa in
dieser Sonderveranstaltung Radikalismus erwartet,
wird nicht auf seine Kosten kommen. Das Ge-
samtbild ist so, daß wir im Untergründe schon
wieder die Möglichkeit einer Einigung auf breiter,
hoffentlich das kulturelle Leben Berlins von neuem
befruchtender Basis verspüren. Es handele sich
dabei um nichts anderes als um die stärkere Aus-
nutzung geeigneter treibender Kräfte. Lasse man
sie den gebührenden Platz an der Sonne einneh-
men, gehe man über die Vereinsangelegenheit hinaus.
Im oberen Hauptsaal dominiert unstreitig Lud-
wig Dettmann, mehr noch als mit seiner feierlich
ernsten Komposition „Nordland“ mit dem vor dem
Objekt in unglaublicher technischer Freiheit und
Beherrschung zugleich hingesetzten „Kirschbaum
in Blüte“, einer Riesenguasche, von der man sich
kaum trennen mag, so sehr überträgt sich die
darin festgehaltene unmittelbare Naturempfindung
auf den Beschauer. Den stimmungsmäßigen Gegen-
pol stellen die drei tiefgefühlten Bilder Hans Balu-
scheks dar; unter ihnen der „Müll“ von Tragik
schon überweht. Als Manifestant ist der Meister
ruhiger geworden, an Überzeugungskraft hat er
gewonnen; an bildlicher Geschlossenheit haben wir
kaum Besseres von ihm gesehen als hier draußen.
Wie immer schon spürt Leonh. Sandrock mit kräf-
tigem Pinselschlag den im Industriebild liegenden
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tun not, nicht Programme. Erleichtert steht man
danach vor den fest fundierten, gesunden Porträts
eines Schulte im Hofe; äußerst persönlich die
schmissige Skizze nach dem alten Menzel.
Zur allgemeinen Abteilung: Hier sind die Spann-
weiten zwischen Hergebracht-Akademisch und
Sezessionistisch-Expressionistisch größer, als sich
zuerst unter der gegenwärtigen Aera vermuten
ließ. Einige Abstriche ganz rechts und dem hier
überflüssigen extrem links hätten gut getan. Im
ganzen aber herrscht ein anständiges Niveau an
Malerei, so wie sie dem Bedürfnis der Zeit zu
dienen hat, mag der „Konsument“ sich nun mehr
zu einer naturalistischen oder idealistischen Auf-
fassung bekennen. Die solide Kunst von gestern
steht trefflich vertreten neben der Sucherin neuer
Wege. Hatten wir bei der „Akademie“ von einer
ersichtlichen Klärung der Standpunkte als solcher
gesprochen, die objektiv genug Qualität vor Rich-
tung stellt, so können wir hier, wo wir es mit
einem Nebeneinander der deutschen Kunstregionen
zu tun haben, trotz säuberlicher „geographischer“
Scheidung von einem nicht minder sichtbaren Aus-
gleich reden. Wie sich dort schon die Münchner
nicht mehr so „münchnerisch“ gebärdeten, so ver-
spüren wir hier ein noch stärkeres Zusammen-
wachsen von Provinz zu Provinz, können einen
breitwirkenden Konsolidierungsprozeß innerhalb
der deutschen Kunst feststellen. Dabei wollen wir
immer wieder bedenken, daß es fruchtlos ist, von
jedem Kunstwerk, das nichts als seinerzeit dienen
will und kann, Ewigkeitswerte -zu verlangen; die
Einsicht, daß die Gegenwart genau wie frühere
Epochen genügend hochstehende Mittelkunst zur
Bestreitung ihres kulturell unerläßlichen Verbrauchs
besitzt, mag manchem vorlauten Schwärmer für
„ältere“ Kunst, an der er oft genug doch nur,
weil sie eben alt, Vorzüge findet, die er unserer
anders gearteten absprechen zu müssen glaubt,
etwas mit den lebenden Künstlern versöhnen. Um
nur wenige herauszugreifen, so seien es unter den
Berlinern älterer Richtung der treffliche Kurt
Agthe, Hoffmann v. Fallersleben als Landschafter
von reiner Gesinnung und technischer Klarheit,
im Gefolge mit tonigen Landschaften Erich Müller
und kirchlich-figürlichem Interieur Koch-Zeuthen.
Erfrischende Wandlungen weisen manche, so etwa
Hartig, als Aquarellisten auf, als solche auch die
feinen Karlsruher Gehri und Vocke. Sicher fun-
diert und charakterlich Fritz Heinsheimer, als
Landschafter wie Bildnismaler; an Religiöses klingt
Blanke an, mit beachtlichen figuralen Leistungen
sind Hilbert und Kretschmann vertreten, bekannt
von Secession und Akademie, sodann mit fast
schon witzigen, sicher aber geistreichen Porträts
Auguste v. Zittzewitz. Bestes birgt diesmal die
exquisite graphische Abteilung: Slevogts Guaschen
auf den Holzstöcken zum neuen Don Giovanni,
die Bildnisradierungen des zuchtvollen Orlik, die
Kollektion von radierten, gehaltstiefen Blättern
Paul Herrmanns. Höhepunkte der Ausstellung.
Größere Innenspannungen als die Berliner —
das hängt mit der örtlichen Struktur zusammen —
weisen die Gruppen Dresden, München und Stutt-
gart auf, Karlsruhe und Düsseldorf sind wieder
in sich gemäßigter. Mehrfach begegnen uns auch
hier altmeisterlich arbeitende Künstler, wie Friedr.
Stahl (Feldafing) oder Baierl (München), der fast
memlinghaft weich ist, von wundersamem Fluß
der Linie und Schmelz der Farbe. Ferner wirken
ähnlich die Arbeiten von Siebert aus Dresden oder
Schmetz (Düsseldorf). Unter den starken Aus-
wirkungen Hans Thomas steht der Karlsruher
Saal, beherrschend darin das Bildnis des Alt-
meisters als des Bewahrers des heimlichen Schatzes
deutscher Kunst von Hans Ad. Bühler. Als Male-
reien vortrefflich die saftigen Landschaften eines
Herrn. Strübe.
Im Skulpturensaal gibt weithin sichtbar die
speerwerfende Amazone Franz Stucks den Ton
an; der Meister ist ausschließlich mit Plastiken
vertreten. Fein empfunden seine Statuetten Helena
und Monna Vanna. Wie stets prachtvoll erfaßt
und durchgeführt die Büsten Isensteins und Ja-
kinows, eine frei bewegte, doch im großen Format
vergriffene Tänzerin von Bauch, scharfkantige, in
Haltung beherrschte Figuren von Schliepstein.
Das religiöse Gebiet, vertreten Jos. Limburg, mit
einer innigen, formedel durchgestalteten Madonna
Immaculata und Wilh. Roeder mit dem mehr-
figurigen Hochrelief Caritas. Was die neudeutsche
Buchkunst vermag, beweist in unübertroffenen
Leder- und Pergamenteinbänden der Jacob-Krauße-
Bund, der Vitrinen mit köstlichen Inhalten ange-
füllt hat unter Beteiligung der Mitglieder aus dem
ganzen Reiche. Alles in allem: Haben wir heuer
auch nicht die eigentliche „Große Berliner“ Aus-
stellung vor uns, so hat man sich doch mit einer
wohlgesichteten Deutschen Kunstschau geschickt
aus der Affäre gezogen.
III. „Berliner Kunst 1925“
Die Ausstellung der „Arbeitsgemeinschaft“ im
Verein Berliner Künstler. Draußen in den Sälen des
Charlottenburger Opernhauses, als dritte größere
Veranstaltung das Ergebnis künstlerischer Innen-
politik. Man will weniger protestieren als sich
vielmehr behaupten. Meist Jüngere, die nicht über-
stimmt werden wollen, angeführt von Baluschek,
Dettmann, Hauschild, begleitet von Künstlern wie
Sandrock, Ulrich Hübner, Konst. Starck, Ernst
Wenck, O. H. Engel u. a. Das möge genügen ! Um
den organisatorischen Teil hat sich F. M. Lünst-
roth, der auch auf der Ausstellung selbst mit
nennenswerten, stark dekorativ aufgefaßten Ar-
beiten vertreten ist, verdient gemacht. Man ist
durchweg sehr klug vorgegangen; wer etwa in
dieser Sonderveranstaltung Radikalismus erwartet,
wird nicht auf seine Kosten kommen. Das Ge-
samtbild ist so, daß wir im Untergründe schon
wieder die Möglichkeit einer Einigung auf breiter,
hoffentlich das kulturelle Leben Berlins von neuem
befruchtender Basis verspüren. Es handele sich
dabei um nichts anderes als um die stärkere Aus-
nutzung geeigneter treibender Kräfte. Lasse man
sie den gebührenden Platz an der Sonne einneh-
men, gehe man über die Vereinsangelegenheit hinaus.
Im oberen Hauptsaal dominiert unstreitig Lud-
wig Dettmann, mehr noch als mit seiner feierlich
ernsten Komposition „Nordland“ mit dem vor dem
Objekt in unglaublicher technischer Freiheit und
Beherrschung zugleich hingesetzten „Kirschbaum
in Blüte“, einer Riesenguasche, von der man sich
kaum trennen mag, so sehr überträgt sich die
darin festgehaltene unmittelbare Naturempfindung
auf den Beschauer. Den stimmungsmäßigen Gegen-
pol stellen die drei tiefgefühlten Bilder Hans Balu-
scheks dar; unter ihnen der „Müll“ von Tragik
schon überweht. Als Manifestant ist der Meister
ruhiger geworden, an Überzeugungskraft hat er
gewonnen; an bildlicher Geschlossenheit haben wir
kaum Besseres von ihm gesehen als hier draußen.
Wie immer schon spürt Leonh. Sandrock mit kräf-
tigem Pinselschlag den im Industriebild liegenden
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