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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Lill, Georg: Das Problem der Christlichen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0108

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DAS PROBLEM DER CHRISTLICHEN KUNST

im allgemeinen vorhanden ist — wird die
in einer Übergangszeit nicht immer leicht
festzustellende Grenze finden können, wo
dies aufhört und das reine Experiment aus
bloßer Neuerungssucht beginnt.
Gegendiese falsche Neuerungssucht richtet
sich vor allem der vor einiger Zeit vom
Reichskunstwart Edwin Redslob in der
»Frankfurter Zeitung' als sehr bedenklich
angesprochene Kanon 1279 des neuen kirch-
lichen Rechtsbuches. Ich führe ihn wegen
seiner Wichtigkeit hier wörtlich an:
§ 1. Nemini licet in ecclesiis etiam exemp-
tis, aliisve locis sacris ullam insolitam po-
nere vel ponendam curare imaginem, nisi ab
Ordinario loci sit approbata.
§ 2. Ordinarius autem sacras imagines pu-
blice ad fidelium venerationem exponendas
ne approbet, quae cum probato Ecclesiae
usu non congruant.
Es wird in diesem Kanon keineswegs jede
»insolita imago', d. h. jedes ungewöhnliche
Bild verboten, sondern nur wenn es der Or-
dinarius der Kirche nicht genehmigt. Diese
Genehmigung muß versagt werden, wenn es
mit dem gebilligten Gebrauch der Kirche
nicht übereinstimmt. Das heißt aber nicht,
wenn es in einem nicht althergebrachten
kirchlichen Stil geschaffen ist, sondern wenn
es nicht durchdrungen ist vom religiösen
Geist der kirchlichen Gemeinschaft, z. B.
vom Glauben an die transzendente Göttlich-
keit des gekreuzigten Gottessohnes. Gerade
das von Redslob angeführte Beispiel des
hl. Bernward von Hildesheim mit seinen für
damalige Zeit ,ungewöhnlichen' Leuchtern
und Türen bekräftigt obige Auslegung, weil
sie eben zwar im Stil neu, in der religiösen
Auffassung dagegen bei dem erprobten Ge-
brauch blieben. Nur ein engstirnigei’ Stand-
punkt könnte den obigen Satz anders aus-
legen wollen, und dann fiele er dem einzelnen,
nicht der notwendigen, doch weitherzigen
Vorschrift der Kirche zur Last. Niemals
wird die katholische Kirche als solche einen
Damm errichten, der die kirchliche Kunst
zur Stagnierung verurteilt; sie wird auch
nicht eine kirchliche Weltkunst vorschreiben,
wie dies einzelne vor einigen Jahren erträum-
ten, sondern sie wird Zeit wie Volkstum in
ihrer künstlerischen Frömmigkeit zu Worte
kommen lassen.
Ob unsere Zeit das Problem der christ-
lichen Kunst nicht nur als Ausdruck äußerer
Repräsentanz und ästhetischer Anziehungs-
kraft, sondern als eines Mittels innerer Er-
neuerung in seinem ganzen Umfang richtig
erkennen und gar lösen wird, das ist die

bange Frage, die sich am Schlüsse erhebt.
Viele gibt es, die meinen, wir müßten noch
tiefer sinken, sinken bis in die Kammern
der Katakomben; unsere Scharen müßten
erst zerkleinert werden, ehe es eine neue
Auferstehung für uns gäbe. Andere sehen
in der außerordentlichen Intensität des Glau-
bensbewußtseins eines Teiles unserer Jugend,
die vor zwanzig Jahren noch undenkbar
geschienen hätte, in der neuen Liebe zur
Eucharistie und Liturgie, in dem heftigen
Sehnen philosophisch und weltanschaulich
gerichteter Außenstehenden nach der Kirche
die ersten Zeichen einer neuen, großen kom-
menden Welle der Religiosität, die mit an-
deren so sehr notwendigen Erneuerungen
auch eine neue Periode christlicher Kunst
bringen müßte. Eine solche Gnade können
wir nur erflehen, nicht erzwingen. Deswegen
ist es nicht notwendig, die Hände in den
Schoß zu legen, sondern wir müssen auch
in ungünstiger Zeit an der Arbeit bleiben.
Kardinal Bertram von Breslau hat am 11. Sep-
tember 1922 auf der Tagung für christliche
Kunst in seiner warmen Rede an den christ-
lichen Künstler die künstlerischen Aufgaben
als ,so hoch und heilig' bezeichnet, ,daß viele
andere Fragen, die heute sich in den Vorder-
grund drängen wollen, davor zurücktreten'.
Dieses zeitgemäße Wort eines Kirchenfürsten
muß aber lebendig werden in allen katho-
lischen Kreisen. Unsere Ordinariate müssen
mit Konsequenz, eventuell mit Strenge ge-
gen die Verunreinigung des Heiligen ein-
schreiten. In ihrem Schoß muß ein Vertreter
christlicher Kunst sich befinden, der nicht
nur im Nebenamt einige dilettantische Kennt-
nisse hat, sondern das Gebiet beherrscht, ein
selbständiges Urteil hat und es auch durch-
zusetzen versteht. Auf unseren Priester-
seminaren darf nicht mehr der Kunstunter-
richt als Stillehre gegeben, sondern er muß
von den rein künstlerischen Gesichtspunkten
des heutigen Bedürfnisses und vom denkmal-
pflegerischen Standpunkt aus erteilt werden,
ähnlich wie der Pastoralunterricht nicht die
geschichtliche Entwicklung der Beicht und
der Seelsorge vorträgt, sondern den jungen
Priesterkandidaten lehrt, wie er der heutigen
Not der Seelen gerecht werden kann. Un-
sere Zeitschriften für christliche Kunst, auch
unsere Familienzeitschriften müssen mehr
wie bisher auf die Spannungen des heutigen
Zustandes hinweisen und dürfen nicht glau-
ben, in einer falschen Toleranz Gut wie
Schlecht ohne kritisches Urteil vorführen
zu dürfen. Ein kühner, frischer Wagemut
ist auch hier vonnöten.
 
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