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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Hoffmann, Richard: Der Kirchenneubau in Obermenzing
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0166

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138

DER KIRCHENNEUBAU IN OBERMENZING

rück. Es war keine leichte Aufgabe für die
Gegenwartskunst, mit einem Neubau eine
Lösung zu finden, die in der Nachbarschaft
dieser hochbedeutsamen alten Kirchenschöp-
fungen sich behaupten kann. Eine Fülle von
künstlerischen Rücksichten kam in Betracht:
Die Eigenart der Landschaft sowie die zahl-
reichen aus ihr sich erhebenden Kirchen-
bauten mit den beherrschenden Türmen
durften durch die neue Passionskirche in
keiner Weise beeinträchtigt werden. Unge-
zwungen und natürlich muß die neue Kirche
in ihre Umgebung sich einfügen. Aber auch
das weitere Landschaftsbild darf keine Schä-
digung erfahren. Nach wie vor sollte das
schöne gewohnte Bild der ruhig sich brei-
tenden Gegend mit den daraus sich erheben-
den Ortschaften, die in der Kunstgeschichte
einen so bedeutenden Ruf besitzen, gewahrt
bleiben. All dem vermochte nur ein Künst-
ler gerecht zu werden, der mit diesen Ein-
drücken vertraut geworden ist, den Liebe
zur Heimat beseelt, der von Ehrfurcht gegen
das Alte erfüllt ist und zugleich die Fähig-
keit besitzt, frei und selbständig zu gestalten.
Regierungsbaurat GeorgBuchner, ein Neff e
des verstorbenen Bildhauers Professor Josef
Floßmann und ein Schüler Theodor Fischers,
ist der Architekt der Obermenzinger Pas-
sionskirche. Die architektonische Gestalt
löste er in basilikaler Anlage, die jedoch
eine originelle Motivierung dadurch fand,
daß das nördliche Seitenschiff in das Kir-
chendach miteingezogen ist, während das
südliche dem Mittelschiff vorgelagert ist.
Auf diese Weise tritt nach außen hin nur
von Süden her das basilikale System in
die Erscheinung. Hier kommt außerdem
noch durch den polygonen zierlichen Bau
derTaufkapelle an der Südwestecke Bewe-
gung in die Baumasse.
Der Haupteingang ist an der Westseite.
Zudem führt noch je ein Zugang an der
Nord- und Südseite ins Innere des Langhau-
ses, während eine schlichte Türe an der
nördlichen Ecke der Westfassade zunächst
in einen Nebenraum geleitet und von da
in die obere Empore gelangen läßt. Außer-
dem vermittelt eine Art Vorzeichen, das in
die östliche Ecke von Abschlußwand des
nördlichen Seitenschiffes und Chormauer
sich einschmiegt, den Zugang zur Empor-
kirche von außen her. Somit ist reichlichst
Gelegenheit für Ein- und Ausgänge geboten.
Eine weitere schwierige Aufgabe brachte
dem Architekten die Turmgestaltung, ist
doch diese für das engere Architektur- und
weitere Landschaftsbild in ihrer Dominante

noch von entscheidenderer Bedeutung wie der
Kirchenbau selbst. Der Turm erhebt sich
südlich vom Chor. Die einfache Natürlich-
keit, in der die Ausführung des Turmes uns
entgegentritt, ist die beste Gewähr für die
durchaus befriedigende bauliche Lösung.
Der breit auf dem Boden stehende Lang-
hausbau findet in dem massiven, mit einer
behäbigen Kuppel gekrönten Turm jene
charakteristische Silhouette, die im Ein-
klang mit dem Ortscharakter schon aus
weiter Ferne die gemütliche oberbayerische
Landkirche erkennen läßt. Von welcher
Seite nur immer wir den Bau betrachten, er
hält gegenüber den stilistisch reinen und
durch das Alter geadelten Bauten der näch-
sten Umgebung stand. Der Baumeister von
Obermenzig ist in der freudigen Bewunde-
rung für die altgotischen Kirchenbauten
seiner Heimat befähigt geworden, in der ge-
gliederten Wucht des Aufbaues und in der
Durchführung der Einzelheiten einen aus
der Zeit geborenen Neubau zu schaffen, in
dem die architektonische Kraft der Gegen-
wart sich offenbart. Überall herrscht Leben,
auch an jenen Partien, wo ungegliederte
Mauerflächen sich hinziehen. Das Geheim-
nis liegt in der Beherrschung der Maßver-
hältnisse und in der wohlberechneten mit
künstlerischem Blick empfundenen Abwä-
gung der Proportionen zu einander. Wie
famos sitzt das mächtige Steildach mit ro-
ten Ziegeln bedeckt auf den kalkweißen
Mauern auf! Wie trefflich wirkt der gedrun-
gene Zwiebel des behäbigen Turmes 1 Seine
Lärchenschindeldachung schimmert matt-
golden in der Landschaft. Wie bei jedem
glücklich gelösten Bau, so werden wir
auch hier anfänglich in Bezug auf die Di-
mensionen getäuscht. Erst bei eingehende-
rer Betrachtung nehmen wir die kraftvolle
Größe dieser Landkirche wahr, wie sie ru-
hig und sicher in der Landschaft thront.
Die äußere Gesamtlänge der Basilika be-
trägt 58 m, die Außenbreite 26 m, die Höhe
des Dachfirstes 27 m, die Höhe des Turmes
bis zur Kreuzspitze 44.70 m. Der Zwiebel
allein ist 13.50 m hoch. Die Grundfläche des
Turmes umfaßt 9.50 m im Quadrat. Das ist
etwa der LTmfang der Grundfläche eines Ein-
familienhauses. Wollte man den Turm aus-
füllen, so könnte man 14 solche Einfamilien-
häuser aufeinander stellen. Die Glocken-
stube des Turmes faßt 5 Bronze-Glocken.
Das allein gibt schon einen Begriff von der
respektablen Größe der Obermenzinger
Passionskirche.
Der Kirchenbau soll zur Ehre Gottes er-
 
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