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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Doering, Oskar: Zwei schriftstellerische Fragmente Joseph Führichs, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0172

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i44 ZWEI SCHRIFTSTELLERISCHE FRAGMENTE JOSEPH FÜHRICHS

reichen Monstrantz, und dem mit bedeut-
sammen Bildwerck geschmückten Kelche,
von der prachtvoll gearbeiteten reich gra-
vierten Waffenrüstung, bis zum schön ge-
stickten Meßgewandt, von dem Kreutze und
der Dencksäule an der Landstraße, dem
Bildstocke am Feldraine wo kindliche From-
michkeit die schönsten der ersten Blumen
und Früchte opfernd aufgehängt, und der
Muttergotteskappele im einsammen Walde,
bis zum Wunderbau des gothischen Mün-
sters. Das Stadtthor, über welchem im schö-
nem Steinbilde der Herr mit den beyden
Jüngern auf dem Wege nach Emaus sich
zeigt, wie sie ihn mit den bittenden Worten :
Herr bleib bey uns, denn es will Abend
werden herein nöthigen, oder dem heil.
Michael der schützend es mit seinem Schilde
deckt indem er den Feind unter seine Füße
triet, das Bürgerhauß mit seinen Eerckern,
Wappen, schöngetäffelten Stuben und ge-
schnitzten Wandschräncken mit seinen bieb-
lischen Sprüchen und Bildern von außen,
der künstliche Brunnen am Marckte, das
Rathhauß mit dem sinnreich verzierten Ge-
richtssaal wo Christus zwischen Maria und
Johannes als Weltrichter den Angeklagten,
den Kläger, und den Richter an den großen
Tag der allgemeinen Abrechnung erinnert,
sammt der Uhr, die den Lauf der Planeten
zeigt und die Pulsschläge der Zeit höhren
läßt, wo der Todt die Stunden schlägt, er-
rinnernd an den Werth der Zeit und die
Ungewießheit und Hinfälligkeit des Lebens;
sind Werck deßselben Geistes der den kühnen
Dom mit seinen Thürmen über dem Aller-
heiligsten gewölbt mit allem Schmucke sinn-
reicher Frömigkeit im Innern, der kunst-
reichen Kanzel der Taufkappelle mit dem
schönen Taufsteine vor allem dem Sackra-
mentshäußlin das ein zweiter Dom im Dome
seinen aufstrebenden steinernen Blumen-
schaft bis an die Gewölbe emportreibt von
wo es, sich gleichsam an die heilige Gegen-
wart errinnernd die es in seinem Innern
birgt, demüthig die noch geschloßne letzte
Knospe abwärts krümmt, die herrlichen
Flügelaltäre mit goldschimmerndem Grunde
mit den Schutzheiligen der Stadt und den
fromm schlichten Donatoren welche diese
dem Herrn und seiner Mutter empfehlen,
den Altären der Bruderschaften und Corpo-
rationen wohin diese an Festtagen in langen
Zügen mit Hymnen und Gebeth und schön
gemalten Fahnen ziehn, wenn die schön ge-
stimmten Glocken ruffen bey derem Guße
Fraun und Jungfraun mit ihrem Schmuck
und silbernen Geräthe sich herzudrängten,

um es in die kochende Form zu werfen,
die Orgel, diese gewalltige Erfindung des
frommen Mittelalters die die Stimmen der
Luft des Sturmes und des Donners zum
Lobe und Preise des Herrn durch ihre
Metallröhren und Register treibt, deßselben
Geistes der außen in der Dom Nische das
Bild des Herrn am Oelberg mit den schla-
fenden Jüngern hingestellt wo oft späth
Abends noch ein einsamer Bether sein Kreutz
und den geheimen Kummer seines Herzens
ins göttliche Herz des Königes der Liebe
und der Schmerzen außschüttet. Deßselben
Geistes der mitten unter die Gräber der
Verstorbenen Gemeinde die mit dem Lichte
des Glaubens uns vorangegangen die kunst-
reiche Lampe mit dem ewigen Lichte, dem
Bilde jenes Lichts das ihnen jenseits leuch-
ten soll gesetzt, und die geziert mit Christi
Kreutztodt und Auferstehung, uns an die
seelige Hoffnung durch sein Blut trost-
reich errinnert, und ihr mildes Licht wie
die gemeinsamme Liebesflamme die die
Schlafenden in den Gräbern und die noch
dießseits Pilgernden verbindet über den
Rasen ihrer Hügel außgießt die des Heiles
Zeichen tragen, es ist derselbe Geist, der hier
in der lauten rührigen Werkstädte das Lämp-
chen vor dem Muttergottesbilde anzündet,
und dort um die Weihnachtskrippe fromme
Kinderseelen versammelt, wo unter Hirten-
melodieen mitten im Winter ein lieblich
Paradies um die arme Wiege des Herrn
erblüht, derselbe Geist ist es der die Pisaner
die Erde zu ihrem Campo Santo aus dem
heilgen Lande auf Schiffen holen läßt, und
diesen Gottesacker wo ihre Todten ruhn
mit unsterblicher Kunst verherlichet wo
man an Gräbern die gewaltigen Kunst-
schöpfungen der Giotisten Pisani Gozoli
und den tiefsinnigen Orgagna noch heute
von ewigen Dingen zu uns sprechen sieht,
derselbe Geist der selbe Glaube und diselbe
Liebe ists, die die Via dolorosa von Jerusalem,
in allen Christligen Ländern mit genauen
Maaßen der verschiedenen Entfernungen an
tausend Kalvarienhügeln hinauf führt, und
von Station zu Station die Geheimniße un-
rer Erlösung im Bilde darstellt und so
den Kreutzweg und das Heil Grab in un-
zählbaren Kopien unter schattigen Bäumen
zu einem heiligen Spatziergange für fromme
Seelen macht, der uns das Häußlein der heil
Familie von Nazaret das Wunder von Loretto
wohin die Engel es übers Meer gebracht,
im treuen Nachbild an hundert Orten zeigt,
wie St. Franziskus Kirchlein Porciuncula.
(Schluß folgt)
 
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