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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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BUCHERSCHAU


JULIUS SEIDLER

TYMPANON DER KIRCHE IN EICHENBÜHL

die europäische Kunst nach dem Geschmack der
Kunst fremder Weltteile und ferner Zeiten beur-
teilen zu wollen. Die Natur ist ihm die Mutter
der Kunst, obwohl diese über die Natur hinaus-
zustreben habe. In seinen Augen vertragen sich
die verschiedenartigsten Standpunkte der Schaffen-
den aller Zeiten und Völker mit dem Ausspruch
Dürers: »Wahrhaftig steckt die Kunst in der Na-
tur; der sie heraus kann reißen, der hat sie.« —
Der erste Band der II. Auflage behandelt die
Kunst der Urzeit, die alte Kunst Ägyptens, West-
asiens und der Mittelmeerländer. Der Stoff ist in
vier Bücher eingeteilt: I. Die Kunst der vorge-
schichtlichen Urzeit; II. Die alte Kunst des Mor-
genlandes (die ägyptische Kunst, die mesopota-
mischeKunst, die vorhellenischeKunstKleinasiens,
Syriens und des östlichen Mittelmeeres, die ägäi-
sche Kunst); III. Die griechische Kunst; IV. Die
Kunst Altitaliens und des römischen Weltreichs.
Die Kunst der Menschen, über deren Geschichte
Finsternis liegt, beweist, daß diese Menschen nicht
nur Sinn für Schmuck und die Schönheit lebloser
Dinge und lebender Wesen besaßen, sondern auch
die nur dem Menschen gegebene Fähigkeit hatten
und ausübten, die Umwelt geschickt nachzubilden
und sich der Nachbildungen zu freuen, daß ihnen
also künstlerisches Sehen und Gestalten eignete.
Es sind Tierbilder aus jener Zeit von überraschen-
der Frische der Beobachtung entdeckt worden
und man ist über die Höhe des Stilgefühls erstaunt.
Aus der älteren und jüngeren Steinzeit und der
Bronzezeit geben uns über das Fühlen damaliger
Menschen nur die wenigen erhaltenen und ent-
deckten Reste einigen Aufschluß. Auch für spätere,
historische Zeiten bilden die von den alten ge-
schichtlichen Völkern geschaffenen Kunstwerke
eine besonders ergiebige Quelle für die Erforschung
zunächst ihrer Gesinnung und Kultur, dann aber
auch ihrer äußeren Schicksale. Letzteres trifft am
weitestgehenden bei den Ägyptern zu. Wörmann
hält es für wahrscheinlich, daß die ältesten Denk-
mäler sich nicht auf babylonischem Boden, sondern
am Nil erhalten haben. Unsere Kenntnis Ägyptens

verdanken wir zum großen Teil der Beschaffenheit
seines Bodens, der die dauerhaftesten Steine lie-
ferte, seinem trockenen Himmel, wodurch selbst
Werke von Holz und gewebte Stoffe erhalten
blieben, und den auf uralten Vorstellungen beruhen-
den Gebräuchen seiner einstigen Bewohner, welche
die Tempel der Gottheiten und die Grabmäler ihrer
Fürsten für die Ewigkeit zu bauen suchten. Die
Art des Unsterblichkeitsglaubens der Ägypter, für
welche die getreue Nachbildung der Gegenstände
des Gebrauches große Bedeutung besaß, machte
sie zum ersten wirklichen Kunstvolk der Welt.
Die Entwicklung dieser Kunst legt Wörmann im
I. Abschnitt des 2. Buches dar. Daran reiht sich
die mesopotamische Kunst. Sie entwickelte sich
zwar unabhängig neben ägyptischer Kunst, zeigt
aber immerhin Züge uralter Verwandtschaft. Die
Baukunst Altmesopotamiens entwickelte ihre For-
mensprache aus dem heimatlichen Material, dem
Ziegel; von dem Aussehen der riesigen Bauten des
Landes können wir uns kein sicheres Bild rekon-
struieren; besser unterrichten uns die erhaltenen
Reste über die Ornamentik und Plastik, die einen
guten Geschmack und neben überraschendem Ge-
fühl für das Charakteristische der Bewegungen,
namentlich beim Tiere, ausgesprochenes Verständ-
nis für Monumentalität verraten. Die vorhelleni-
sche Kunst Kleinasiens, Syriens und des östlichen
Mittelmeeres hat mehr Anregungen für den Kultur-
forscher als für den Kunstgenießer. Weit näher,
als die altorientalische Kunst, steht unserm Emp-
finden die ägäische Kunst, die in Wechselbeziehung
zur ägyptischen stand und die Vorläuferin der
Kunst der Helenmen war, die schließlich in rascher
Entwickung zu höchster Vollendung gelangt, Eu-
ropa, Asien und Afrika eroberte und auch heute
noch eine große Macht ausübt. Welchen Eigen-
schaften diese Kunst ihren Ewigkeitswert verdankt,
weiß Wörmann (S. 209 u. 210) klar zu formulieren.
Die Entwicklung der griechischen Kunst ging or-
ganisch vor sich, kein Künstler brach schroff mit
der Überlieferung. Als die Römer zur Herrschaft
der Welt gelangten, übernahmen sie die Kunst
 
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