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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Berichte aus dem Auslande
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0349

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BERICHTE AUS DEM AUSLANDE

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Schriften des Landes, gerade nicht erstklassig,
insbesondere möchte man die Klischees des öftern
klarer und kräftiger, weniger verwaschen sehen,
während der Druck auf der Höhe der Zeit steht
Was nun ihren Inhalt und ihre Ziele betrifft, so
läßt sich insbesondere über den letzten Punkt kein
deutliches Bild gewinnen. Das Organ verfolgt
wohl die Absicht, die Bestrebungen der modernen
Kunst auf chrislichem Boden zu fördern und zu
propagieren, aber um es gleich vorwegzunehmen,
die geistigen und künstlerischen Mittel sind un-
zureichend, sowohl nach der rein virtuellen Seite
hin als auch in Ermangelung eines klaren konzen-
trierten Programms. Auch ohne zu vergessen, daß
die moderne Kunst allgemein in einer Krise sich
befindet und daß Italien insbesondere nur spär-
liche künstlerische Talente der Gegenwart aufzu-
weisen hat, kann man sich des Eindrucks nicht
erwehren, daß in der Zeitschrift bei weitem nicht
die Bestrebungen der jüngeren künstlerischen Ge-
neration zu Worte kommen. Soweit jedoch das
Neue in der allmonatlichen Publikation zutage
tritt und durch zahlreiche Abbildungen erhellt
wird, darf auch beim ausländischen Betrachter
kein Zweifel darüber walten, daß es der modernen
christlichen Kunst Italiens an einer starken Be-
gabung gebricht. Auf dem Gebiete der kirchlichen
Architektur begegnen wir, sofern es sich um Neu-
bauten handelt, stets jenem falsch verstandenen
Eklektizismus,der mit byzantinischen, romanischen
oder gotischen »Formen« eine ärmlich konzipierte
Anlage umkleidet. Zu sehr ist zwar der Italien-
reisende schon an die beispiellose Verirrung der
modernen Baukunst Italiens, die jede Fühlung
mit den genialen Schöpfungen ihrer Vergangen-
heit verloren hat, gewöhnt, als daß er hier auf
der Suche nach einem gelungenen Bauwerk der
Neuzeit ausgehen möchte. Im wesentlichen be-
schränkt sich ja auch die Tätigkeit auf Restaurie-
rungsarbeiten der alten Monumente, wobei frei-
lich ein verhältnismäßig kleiner Ted nur berück-
sichtigt wird und vielfach ehrwürdige Denkmale
kiichlicher Kunst, sei es aus einer gewissen Sorg-
losigkeit, meist aber aus gänzlichem Mangel an
Mitteln ihrem Ruin entgegengehen. — Weit pro-
duktiver ist die Malerei der christlichen Kunst.
Zahlreiche Konkurrenzausschreiben und Wettbe-
werbe für Jubiläen, für größere dekorative Auf-
gaben (Schmückung einer Kapelle), rufen die
Künstler auf den Plan. Aber aus der Quantität
des Gebotenen auch nur eine zukunftverheißende
Qualitätsleistung zu wählen, würde schwerfallen.
Die einen — und das sind die wenigeren — su-
chen mangels eigener Phantasie ihren Anschluß an
die große Tradition ; von den sogenannten Pri-
mitiven des Trecento in Florenz und Siena suchen
sie sich zu inspirieren ; aber sie unterliegen in mehr
als einer Hinsicht noch mehr als vor 100 Jahren
die Nazarener bei uns, dem Schicksal in ein kläg-
liches Epigonentum zu verfallen. Denn schon die
nicht geringe Zahl der zeitgenössischen Nachzügler
und handwerklichen Maler, die immerhin bis zu
einem gewissen Grad auch am geistigen Erbe ihrer
Zeit teil hatten, gerieten in einen Manierismus, der
uns Heutigen bloß deswegen noch nicht zum Be-
wußtsein gekommen ist, weil die Geschichte der
Malerei jener Epoche noch ihrer kritischen Sich-
tung harrt und zugleich die Sammler mit Vorliebe
dieser Zeit ihr Augenmerk schenken. Jene Mo-
dernen aber haben nicht allein den Kontakt mit
dem ganz anders gearteten religiös - mystischen
Sentiment der Menschen des 14. Jahrhunderts ver-

loren — und alle Doktrinären könnten ihnen die
einmalig historisch bedingte Grundgesinnung nicht
zum äquivalenten Erlebnis verhelfen —, es ist ihnen
und dies steht natürlich nicht völlig außer Zusam-
menhang mit der eben bezeichneten Geistesrich-
tung — das Formgefühl, die jener Zeit ebenso ur-
eigene Linien- und Farbenempfindlichkeit (neben
der gewissen Tendenz nach plastisch-räumlichen
Wirkungen in Florenz) abhanden gekommen. So
bleibt es unvermeidlich, daß solche Anlehnungen
an die Vergangenheit durch den Verzicht auf eigene
schöpferische Ideen formal in eine ausdruckslose
Kunst münden oder zu einer Verfälschung führen,
zumal ja auch die künstlerischen Mittel wie Zeich-
nung, Farbe, Komposition nie ihre moderne Wurzel
verleugnen. Daß dabei gleicherweise das Inhalt-
liche, weil nicht erlebt, sondern im besten Fall
»eingefühlt«, seines originellen Kernes beraubt wird,
muß gerade deshalb betont werden, weil immer
wieder sich das Publikum mit dem Stofflichen,
wenn es nur religiös ist, bescheidet und alle Wer-
tung außer acht läßt. — Nicht ermutigender sind
die Eindrücke, die wir von der anderen, sagen wir
traditicnslosen Richtung der Malerei, empfangen.
Hier sind Wege eingeschlagen, die nicht nur von
uns längst verlassen und der von allen Einsich-
tigen gebührenden Mißachtung anheimgegeben sind,
sondern auch an sich zu einer Stagnation aller
Kunst führen müssen. Es überkommt einen das
Gefühl des Mitleids über die Verirrung und Arm-
seligkeit dieser Modernen, wenn man z. B. jenen
Zyklus von Franziskusbildern anläßlich des Con-
corso artistico Francescano 1924 betrachtet. So
wenig zu wünschen wäre, daß diese Kunst in Ab-
hängigkeit von den Alten geriete, so sehr hätten
ihr die prachtvollen Fresken in der Oberkirche
von Assisi eine Idee vom franziskanischen Geist
geben können. Aber in welch leere Pathetik und
Deklamation verfällt dieser Franziskus und wie
saftlos und dünn ist seine Landschaftsauffassung ;
statt der seraphischen Glut des Heiligen begegnen
wir einem blasierten Ausdruck und an Stelle einer
begeisterten Gemeinde nur matten Gebärden. Diese
Malerei hat im besten Falle noch illustrativen Cha-
rakter unter Beiseitesetzen jedes strengeren episch-
dramatischen Elements. Versuche auf dem Gebiete
der Wandmalerei sind mir nicht bekannt geworden,
doch läßt sich aus der allgemeinen künstlerischen
Verfassung ohne weiteres erkennen, daß für die pri-
märe Forderung dieser Gattung: die Monumentali-
tät, keine zulänglichen Kräfte vorhanden sind. Die
schon angedeutete überwuchernde Tendenz nach
dem Dekorativen ist auch in der Plastik vorwaltend
und unterbindet ein tektonisch-kubisches Gestalten.
Dabei ist das Prinzip des Dekorativen nicht so sehr
Ausdruck eines spezifisch malerischen Strebens, als
vielmehr das mehr oder weniger offene Eingeständ-
nis bildhauerischen Versagens überhaupt. Am
deutlichsten tritt denn auch das Fragwürdige die-
ser Formgebung am Grabdenkmal zutage, wo statt
eines Zusammenklangs der Ornamentik mit dem
Figuralen und des Gesamtbildwerkes mit seiner
Umgebung eine schreiende Gegensätzlichkeit klafft.
Zu diesem kurzen Überblick über den gegen-
wärtigen Stand der christlichen Kunst Italiens, der
leider nur allzusehr negativ ausfallen mußte, mag
über das literarische Organ noch einiges gesagt
werden. Die Zeitschrift versäumt nicht neben den
Beiträgen über die moderne Kunst auch der alten
einen gebührenden Platz einzuräumen. Aufsätze
über einzelneKünstlerpersönlichkeiten.über ikono-
graphischeFragen und öftersauchüber altesKunst-

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