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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 11
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Biermann, Georg: Ein Museum antiker Architektur in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0362

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Ein Museum antiker Architektur

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Von GEORG BIERMANN

GINGE es allein nach dem öffentlichen Aufwand der von allen Seiten heran-
gefuhrten Hilfstruppen, die Geheimrat Wiegand einzeln — wie die Prominenten
seiner archäologischen Fachgenossen — oder in Verbänden mit gutachtlichen
Äußerungen im Kampf um seine musealen Pläne herbeigeholt hat, dann wäre
heute bereits die Position des Kultusministeriums in der Frage der Aufstellung
antiker Baukunst von Grund auf erschüttert. Indes, wie so oft im Streit um
künstlerische Prinzipien, scheint auch in dem neuesten Berliner Museumskrieg der
gewaltige Einsatz von Mitteln auf der bedrängten Seite mehr für die an sich schwache
Stellung als für die Güte des Standpunktes zu zeugen, und wären nicht jener
Seite, die zuerst die Überzeugung des preußischen Kultusreferenten in der Öffent-
lichkeit vertreten hat (Karl Scheffler in der „Frankfurter Zeitung“ und dann in
„Kunst und Künstler“), ein Paar polemische Entgleisungen untergekommen, die
etwa mit dem einen Wort „Archäologenhirn“ eine zu Unrecht beleidigte ganze
Klasse moderner Wissenschaft auf den Plan riefen, die Auseinandersetzung selbst
würde sich vielleicht in beruhigteren und äußerlich angenehmeren Formen ab-
gespielt und vielleicht längst den Weg der Verständigung gefunden haben.
Denn dies muß zuerst gesagt werden: Auch die Einrichtung des werdenden
Deutschen Museums auf der Spreeinsel ist immer bis zu einem gewissen Grade
abhängig von den historischen musealen Voraussetzungen. Diese aber sind nicht
nur rein künstlerischer Art, sondern ebensosehr wissenschaftlich bedingt. So
wünschenswert es vielleicht auch wäre, allgemein die Neuordnung der öffent-
lichen Sammlungen nur unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Qualitäts-
frage oder des allein für diese unsere Generation Bedeutsamen durchzuführen,
so scheint es im Moment und wahrscheinlich auf Jahrzehnte hinaus dennoch
nicht möglich, um eines neuzeitlichen Prinzips willen alles das von heut und
morgen einfach zu verneinen und zu eliminieren, was mehrere Generationen in
Sammeleifer und Entdeckerfreude zusammengetragen haben, nur weil der modernen
künstlerischen Einstellung dieses oder jenes Monument oder gar eine einzelne
Epoche der Kunstgeschichte weniger liegt als es z. B. bei der Generation von
1890 noch der Fall war. Daß wir innerhalb der Museen selbst gottlob längst
zu geschmacklich reiferen Lösungen gekommen sind, daß wir bei den Aufstel-
lungen wieder mehr dem Eigenwert des einzelnen Werkes und der Gesamt-
stimmung eines Raumes Rechnung tragen, bedeutet an sich schon einen eminenten
Fortschritt gegenüber den Anschauungen der vorletzten Vergangenheit.
Aber wenn es sich schlechthin um die Berechtigung musealer Repräsentation
ganzer Kunstepochen oder wie jetzt im neuesten Berliner Museumskrieg um die
Darstellung eines großen zusammenhängenden Gebietes antiker Kunst handelt, dann
heißt es, das Kind einfach mit dem Bade ausschütten, wenn man von vornherein
diese Aufstellung verhindern will, nur weil unsere Zeit vielleicht der klassisch-
humanistischen Bildung nicht mehr die Bedeutung zuerkennt, die sie viele Gene-
rationen hindurch für den Aufbau unseres geistigen Lebens in Europa tatsächlich
gehabt hat.
Anders die Frage, ob es Sache der Museen überhaupt sein kann, Architek-
turen im Original oder in Rekonstruktionen in sich aufzunehmen. Da freilich
darf gesagt werden, daß das von Geheimrat Wiegand für seine antike Baukunst
geforderte Vorrecht kaum noch in seinen Folgen ausdenkbar wäre, wollte man

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