RUNDSCHAU
Sammlungen
DIE NEUORDNUNG DER MANN-
HEIMER KUNSTHALLE
Am i. August ist der Kunstverein, an den
die Säle im Obergeschoß des westlichen
Flügels seit 1911 vermietet waren, ausgezo-
gen, und das ganze von Billing errichtete
Gebäude mit seinen Anbauten steht jetzt
der Kunsthalle allein zur Verfügung. Damit
ist endlich den häufigen Verwechslungen:
zwischen Kunsthalle und Kunstverein, die
miteinander — auch geistig — nichts zu tun
hatten, ein Ende gesetzt, und gleichzeitig
ist die große Raumnot, unter der die Kunst-
halle zu leiden hatte, wenigstens fürs Erste
behoben. Die Neuordnung, die mit dem
Raumzuwachs verbunden war, ist durchge-
führt, sämtliche Säle sind neu hergerichtet,
z. T. neu bespannt worden; am 12. Septem-
ber ist die neue Kunsthalle der Öffentlich-
keit übergeben worden. — Entsprechend
dem besonderen Charakter der Kunsthalle
wurden bei der räumlichen Disposition zwei
Hauptgruppen gebildet: die Säle der ständi-
gen Gemäldegalerie und die Räume für
wechselnde Ausstellungen. Die ständige
Gemäldegalerie wurde im Obergeschoß
untergebracht. Der Rundgang beginnt in
den kleinen Sälen des östlichen Flügels. Er
führt zunächst von den Klassizisten über
die Romantiker und Nazarener bis zu Schir-
mer. Daran schließt sich der berühmte
Franzosensaal, der im wesentlichen unver-
ändert blieb. Nur durch eine neue Wandbe-
spannung ist hier den Bildefn ein schöner,
warm brauner Grund gegeben worden. Der
anschließende Feuerbachsaal ist einheit-
licher geworden. Die impressionistischen
Bilder wurden daraus entfernt. Neben Feuer-
bach sind jetzt hier Thoma, Haider und der
frühe Trübner vertreten. Dazu ist eine der
wichtigsten und größten Neuerwerbungen
der letzten Jahre gekommen: das bekannte
große Doppelporträt Hildebrand-Grant, das
zu den Hauptwerken Hans von Marees ge-
hört. Durch raschen Zugriff Hartlaubs und
glückliche Einstimmigkeit der Kommission
konnte das Bild im letzten Juli erworben
werden. — Die späten Bilder von Trübner
hängen im ersten großen Saal des westli-
chen Flügels zusammen mit denen der
deutschen Impressionisten: Liebermann,
Slevogt, Corinth, zu denen sich Kokoschka
gesellt. Es folgt der erste Expressionisten-
saal, in welchem Hodler und Munch und
vor allem die Künstler der Brücke vereinigt
sind. Im zweiten Expressionistensaal hän-
gen Bilder von Weißgerber und Hofer, um
nur die wichtigsten zu nennen. Der letzte
Saal schließlich enthält die Bilder der Jüng-
sten: Beckmann, Dix, Groß, dann Kanoldt,
Georg Scholz, Dawringhausen usw. Vermit-
telnd steht zwischen den beiden Flügeln
der obere Umgang um die Eingangshalle,
in dem die Bilder der naturalistischen
Künstler des vorigen Jahrhunderts ihren
Platz gefunden haben. Diese kleine Abtei-
lung wird ergänzt durch die Bestände der
großen Oberlichthalle im Erdgeschoß, wo
Bilder aus der Zeit von etwa 1890—igio auf-
gehängt sind. Namen wie Lenbach und Eg-
ger-Linz mögen den Inhalt dieser Halle
charakterisieren. —
Den durch die ständige Gemäldegalerie
belegten Räumen stehen die Aüsstellungs-
säle des Erdgeschosses gegenüber. Der
ganze westliche Flügel und zwei Säle ne-
ben dem graphischen Kabinett sind dafür
reserviert worden. Einer der früheren Aus-
stellungsräume beim graphischen Kabinett
wurde zur Bibliothek gezogen, die durch
ihre großen Ankäufe der letzten Jahre em-
pfindlich unter Platzmangel zu leiden hatte.
Zwischen den beiden Abteilungen stehen in
ihrer Verwendung die Räume des westli-
chenAnbaues. Dieser bisher ausschließlich
Ausstellungszwecken dienende Bau ist vor-
übergehend zur Galerie gezogen worden,
um bei Gelegenheit größerer Ausstellungen
wieder geräumt zu werden. Hier sind die
Bilder der badischen und besonders Mann-
heimer Künstler untergebracht worden, die
bisher in Bureaus und Sitzungssälen auf-
gehängt waren. Die kleine lokale Abteilung
gibt einen guten Überblick über das, was
zur Zeit vor allem in Mannheim gemalt
wird. Neben ein paar älteren Bildern sind
da alle Namen der wichtigeren Mannheimer
Künstler vertreten. Stohner an der Spitze,
Dillinger, Oertel, Fuhr, Otto, Oeser und
noch eine ganze Reihe anderer Namen fin-
den wir dort, aber auch Haueisen, Hilden-
brand, Babberger, den frühen Karl Hofer
und Kanoldt. — Die Neuordnung der Kunst-
halle bedeutet zugleich Klärung und Inten-
sivierung. Das kleine Museum, von dem so
lebendige Kräfte ausstrahlen, verspricht un-
ter Hartlaubs Leitung, getreu den von Wi-
ehert aufgestellten Grundsätzen, zur gro-
ßen, erstklassigen Qualitätssammlung zu
werden. Str.
Anmerkung des Herausgebers. In
Heft 20 des Cicerone wurde aus der Feder
von Dr. Eckardt unter den Anzeigen einiger
Museumsschriften eine kritische Bemer-
kung über die Neuerwerbungen der Mann-
heimer Kunsthalle veröffentlicht, die durch-
aus die persönliche Meinung des Referen-
ten widergibt, mit der sich aber der Her-
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Sammlungen
DIE NEUORDNUNG DER MANN-
HEIMER KUNSTHALLE
Am i. August ist der Kunstverein, an den
die Säle im Obergeschoß des westlichen
Flügels seit 1911 vermietet waren, ausgezo-
gen, und das ganze von Billing errichtete
Gebäude mit seinen Anbauten steht jetzt
der Kunsthalle allein zur Verfügung. Damit
ist endlich den häufigen Verwechslungen:
zwischen Kunsthalle und Kunstverein, die
miteinander — auch geistig — nichts zu tun
hatten, ein Ende gesetzt, und gleichzeitig
ist die große Raumnot, unter der die Kunst-
halle zu leiden hatte, wenigstens fürs Erste
behoben. Die Neuordnung, die mit dem
Raumzuwachs verbunden war, ist durchge-
führt, sämtliche Säle sind neu hergerichtet,
z. T. neu bespannt worden; am 12. Septem-
ber ist die neue Kunsthalle der Öffentlich-
keit übergeben worden. — Entsprechend
dem besonderen Charakter der Kunsthalle
wurden bei der räumlichen Disposition zwei
Hauptgruppen gebildet: die Säle der ständi-
gen Gemäldegalerie und die Räume für
wechselnde Ausstellungen. Die ständige
Gemäldegalerie wurde im Obergeschoß
untergebracht. Der Rundgang beginnt in
den kleinen Sälen des östlichen Flügels. Er
führt zunächst von den Klassizisten über
die Romantiker und Nazarener bis zu Schir-
mer. Daran schließt sich der berühmte
Franzosensaal, der im wesentlichen unver-
ändert blieb. Nur durch eine neue Wandbe-
spannung ist hier den Bildefn ein schöner,
warm brauner Grund gegeben worden. Der
anschließende Feuerbachsaal ist einheit-
licher geworden. Die impressionistischen
Bilder wurden daraus entfernt. Neben Feuer-
bach sind jetzt hier Thoma, Haider und der
frühe Trübner vertreten. Dazu ist eine der
wichtigsten und größten Neuerwerbungen
der letzten Jahre gekommen: das bekannte
große Doppelporträt Hildebrand-Grant, das
zu den Hauptwerken Hans von Marees ge-
hört. Durch raschen Zugriff Hartlaubs und
glückliche Einstimmigkeit der Kommission
konnte das Bild im letzten Juli erworben
werden. — Die späten Bilder von Trübner
hängen im ersten großen Saal des westli-
chen Flügels zusammen mit denen der
deutschen Impressionisten: Liebermann,
Slevogt, Corinth, zu denen sich Kokoschka
gesellt. Es folgt der erste Expressionisten-
saal, in welchem Hodler und Munch und
vor allem die Künstler der Brücke vereinigt
sind. Im zweiten Expressionistensaal hän-
gen Bilder von Weißgerber und Hofer, um
nur die wichtigsten zu nennen. Der letzte
Saal schließlich enthält die Bilder der Jüng-
sten: Beckmann, Dix, Groß, dann Kanoldt,
Georg Scholz, Dawringhausen usw. Vermit-
telnd steht zwischen den beiden Flügeln
der obere Umgang um die Eingangshalle,
in dem die Bilder der naturalistischen
Künstler des vorigen Jahrhunderts ihren
Platz gefunden haben. Diese kleine Abtei-
lung wird ergänzt durch die Bestände der
großen Oberlichthalle im Erdgeschoß, wo
Bilder aus der Zeit von etwa 1890—igio auf-
gehängt sind. Namen wie Lenbach und Eg-
ger-Linz mögen den Inhalt dieser Halle
charakterisieren. —
Den durch die ständige Gemäldegalerie
belegten Räumen stehen die Aüsstellungs-
säle des Erdgeschosses gegenüber. Der
ganze westliche Flügel und zwei Säle ne-
ben dem graphischen Kabinett sind dafür
reserviert worden. Einer der früheren Aus-
stellungsräume beim graphischen Kabinett
wurde zur Bibliothek gezogen, die durch
ihre großen Ankäufe der letzten Jahre em-
pfindlich unter Platzmangel zu leiden hatte.
Zwischen den beiden Abteilungen stehen in
ihrer Verwendung die Räume des westli-
chenAnbaues. Dieser bisher ausschließlich
Ausstellungszwecken dienende Bau ist vor-
übergehend zur Galerie gezogen worden,
um bei Gelegenheit größerer Ausstellungen
wieder geräumt zu werden. Hier sind die
Bilder der badischen und besonders Mann-
heimer Künstler untergebracht worden, die
bisher in Bureaus und Sitzungssälen auf-
gehängt waren. Die kleine lokale Abteilung
gibt einen guten Überblick über das, was
zur Zeit vor allem in Mannheim gemalt
wird. Neben ein paar älteren Bildern sind
da alle Namen der wichtigeren Mannheimer
Künstler vertreten. Stohner an der Spitze,
Dillinger, Oertel, Fuhr, Otto, Oeser und
noch eine ganze Reihe anderer Namen fin-
den wir dort, aber auch Haueisen, Hilden-
brand, Babberger, den frühen Karl Hofer
und Kanoldt. — Die Neuordnung der Kunst-
halle bedeutet zugleich Klärung und Inten-
sivierung. Das kleine Museum, von dem so
lebendige Kräfte ausstrahlen, verspricht un-
ter Hartlaubs Leitung, getreu den von Wi-
ehert aufgestellten Grundsätzen, zur gro-
ßen, erstklassigen Qualitätssammlung zu
werden. Str.
Anmerkung des Herausgebers. In
Heft 20 des Cicerone wurde aus der Feder
von Dr. Eckardt unter den Anzeigen einiger
Museumsschriften eine kritische Bemer-
kung über die Neuerwerbungen der Mann-
heimer Kunsthalle veröffentlicht, die durch-
aus die persönliche Meinung des Referen-
ten widergibt, mit der sich aber der Her-
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