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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Villon, Pierre: Gebrauchsgerät in Frankreich: eine Ausstellung im Gewerbemuseum Basel
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0083

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gedacht ist und jede Erhöhung an ihm ihren Wert
als Versteifung hat, daß die aus Blech gestanzten
und zu Rohren zusammengebogenen Arme, deren
flache Enden die Scheibengelenke bilden, gerade
sind, nicht weil das dem formalen Ideal des Erfin-
ders entsprach, sondern weil das die billigste und
praktischste Art der Herstellung war. Derartige Er-
zeugnisse beweisen nicht nur, daß so entstandene
Dinge mindestens ebenso angenehm anzuschauen
sind wie Dinge, die noch ästhetischen Absichten ent-
springen, sondern auch, daß sie nie unmodern und
als Form überholt erscheinen, sondern höchstens
einmal technisch, in ihrer Zweckmäßigkeit oder in
ihrer Ausführung, überholt sein werden. Bemerkens-
wert ist auch, daß in Frankreich, ohne jede Beein-
flussung durch journalistische Propaganda für die
,,neue Gestaltung", diese Dinge ganz selbstver-
ständlich gekauft und benutzt werden. Auch wenn sie
bisher meist nur in die Arbeits- und Geschäftsräume,
oder allenfalls noch in die Küche und das Badezim-
mer eingedrungen sind, weil die Wohnräume noch
mit echten oder falschen Stilmöbeln oder mit „Arts
Decoratifs"-Möbeln vollstecken, so zeigt das doch,
daß unser französischer Individualismus und unser
Im Ausland vielgerühmtes Fingerspitzengefühl sich
sehr wohl mit solchen Serienwaren verträgt! Man
verwendet diese Dinge, ohne sie zu beachten, wie
man Werkzeuge verwendet. Wenn man sie aber
doch einmal beachtet und sich über sie freut, dann
i.ut man es, wie man sich über eine gut funktionie-
rende Maschine freut.

Zu diesen maschinell hergestellten Serienwaren
gehören in Frankreich die Feldbetten und Klapp-
tische aus Metallrohr, die von der Firma Flem & Pi-
cot hergestellt werden, die aus Blech gestanzten
Kaffeehausstühle „Multiples" zum Ineinanderschach-
teln, die verstellbaren Bücherregale von „Labor-
metal", Dinge also, die zum Teil seit über zwanzig
Jahren hergestellt werden!

Bei der großen Silberwarenfabrik Christofle fand
ich ein einfaches Hotelbesteck, welches seit sech-
zig Jahren ohne jede Veränderung hergestellt wird,
weil es billig anzufertigen und zweckmäßig-handlich
ist. während die verzierten Modelle derselben Firma
sich jedes Jahr der herrschenden Mode neu anpas-
sen müssen, nach kurzer Zeit aber schon wertlos
werden, weil ihre Form nichts mit ihrer Funktion
zu tun hat und sie sogar oft stört. Die Modelle, die
man auf den letzten Ausstellungen sah, mit ihren
scharfkantigen Abtreppungen, waren zum Beispiel
eher dazu gemacht, einem die Lust am Essen zu
nehmen als sie zu geben!

Auf einem Gebiet, auf dem die Zweckerfüllung in
den letzten Jahren endlich als erste Bedingung für
einen guten Absatz erkannt worden ist, auf dem der
Beleuchtungskörper, sind von der Industrie sehr
schöne, selbstverständliche Apparate herausge-
bracht worden. Daß diese manchmal noch mit simili-
schmiedeeisernen, stark ornamentierten Aufhänge-
vorrichtungen umgeben werden, beweist nur, in wel-
chem Maße die Geschmacksverbildung im großen
Publikum noch vorhanden ist und daß die Industrie
sie für ihre Taschen auszunutzen weiß. Aus einem
Gespräch mit dem kaufmännischen Leiter eines gro-
ßen Elektrizitätswerkes der Provinz, das Beleuch-
tungskörper an Private verkauft, entnehme ich aber
mit Genugtuung, daß langsam das Bewußtsein wach

Klappbett von Flem & Picot

Lit pliant
Folding bed

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Klappbett von Flem & Picot

Lit pliant
Folding bed

Tischlampe von Didier-des-Gächons & Ravel

Lampe
Table lamp

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