Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

DOI Artikel:
Boecking, Alexander: Soziale Grünanlagen im Städtebau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SOZIALE GRÜNANLAGEN IM STÄDTEBAU

ALEXANDER BOECKING

Durch das stetige Wachsen der Städte und
durch die damit verbundenen hygienisch ungün-
stigen Begleiterscheinungen wurden die Grün-
anlagen im Stadtgebiet nunmehr zu lebenswich-
tigen Organismen. Die Möglichkeiten einer folge-
richtigen und zielbewußten Grüngestaltung inner-
halb des Stadtkörpers werden aber durch die
unlogische und systemlose Entwicklung der
Städte bis zum heutigen Tage erheblich ver-
ringert und die faktischen Werte derartiger An-
lagen dadurch stark beeinträchtigt. Diese Grün-
anlagen in Gestalt von Grünplätzen, Schmuck-
anlagen und Innenparks können wohl durch ihre
Bepflanzung zur Verschleierung des chaotischen
Stadtbildes wesentlich beitragen, sie werden
aber ihre Aufgaben als reine Erholungsanlagen
für die Masse im wahrsten Sinne des Wortes
nicht restlos erfüllen können. Die vielen und un-
überlegten Gegebenheiten, die bei der Gestal-
tung mit berücksichtigt werden müssen, lassen
in den meisten Fällen eine vollkommene und voll-
wertige Lösung nicht zu. Trotz hoher Boden-
Herstellungs- und Pflegekosten werden diese
Anlagen daher nicht restlos befriedigen, sie wer-
den immer zusammenhangslose, unorganische
Grünpunkte, bestenfalls Grünfetzen innerhalb
des Stadtbildes bleiben, die keine vollständigen
Funktionen leisten können. Es gilt daher, diese
vorhandenen Fehler, die nur in den seltensten
und mutigsten Fällen auf radikale Art behoben
werden können und dürfen, durch intensive Aus-
nutzung der Freiflächen zu mildern und zu ver-
bessern. Die Grünanlagen im Stadtgebiet sind
als eine Oase in der Stadtwüste aufzufassen
und müssen selbst auf kleinstem Raum voll-
wertige Dienste erfüllen, sie müssen bis auf den
letzten Quadratmeter ganz für den Stadt-
menschen, für die Allgemeinheit benutzbar sein.

Was wünscht und erhofft sich der Mensch
von diesen Anlagen? Diese Frage allein sei Leit-
motiv beim Gestalten derartiger Grünanlagen.
Erst die absolute Durchführung rein mensch-
licher Forderungen wird es ermöglichen, daß die
ungesunden Einwirkungen der Stadt auf den
menschlichen Körper und Geist durch derartige
programmatische Grünanlagen erfolgreich unter-
bunden, zumindest aber stark reduziert werden.
Der Stadtmensch fordert:

Die Grünanlage mit ihren vielseitigen Er-
holungsmöglichkeiten und Naturerlebnissen;

Die Grünanlage mit ihren hygienischen Werten
und ausreichenden Spielmöglichkeiten;
Die Grünanlage, welche den Stadtkern ent-
lüftet und die Stadt mit der Natur verbindet.
Die großen Ziele aber: Die Grünanlage un-
mittelbar vor den Wohnungen der Städter und
die Grünanlage, die den Stadtkern mit der Natur-
landschaft innig verbindet, müssen so lange
Utopien bleiben, bis die krankhaften Symptome
unserer Städte geheilt oder endgültig entfernt
werden können. Die mehr für das Auge ge-
schaffenen und auf monumentale Effektwirkung
eingestellten üblichen gärtnerischen Platz-
oder Schmuckanlagen müssen abgelöst werden
durch Anlagen, die den Stadtmenschen nicht
nur Sonntags, sondern vor allem auch Werktags
voll und ganz Werte vermitteln. Interessant ist
festzustellen, wie verhältnismäßig wenig eine
vollwertige Grünanlage an Pflanzenmaterial und
Ausstattungsobjekten beansprucht und wie kom-
pliziert und überladen unsere derzeitigen noch
sehr unvollkommenen Anlagen sind. Unsere
jetzigen Grünanlagen im Stadtgebiet erfüllen
ihre Aufgabe den Stadtmenschen gegenüber
schlecht. Sie zeigen im allgemeinen wenig von
einem zielbewußten, logischen Gestaltungs-
gedanken, der den Menschen im Stadtelend wirk-
lich vollwertige Dienste leistet. Entweder sie er-
starren im Formalismus oder sie verlieren sich
in romantisch-naturalistischen Kopien und ver-
gessen dabei vollständig den Menschen, für den
allein doch diese Anlagen und Plätze geschaffen
werden sollen. Wohl der größte Teil derartiger An-
lagen gleicht Ausstellungsplätzen spielerischer
Gestaltungsideen und zeigt museenhaft kost-
bare Anpflanzungen hinter häßlichen Einfriedi-
gungen und oft auch sogar — durchaus keine
Seltenheit —■ hinter vielspitzigem Stacheldraht,
der diese Pflanzungen vor Schaden durch Men-
schenhand schützen soll. Die recht erheblichen
Pflegekosten solcher dekorativen und repräsen-
tativen Plätze stehen in keinem tragbaren Ver-
hältnis zu ihrem tatsächlichen Wert dem und den
Menschen gegenüber, und es wäre für unsere
Städte ein großes Gewinnen, würde man nach
dieser Tendenz hin die Brauchbarkeit und das
weitere Fortbestehen derartiger Anlagen im
Stadtgebiet gewissenhaft überprüfen.

Weitgehendste Erfüllung menschlicher Forde-
rungen bestimmt erst die tatsächlichen Werte

123
 
Annotationen