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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Ehmcke, F. H.: Lob der Grafik
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Nowak, Hans: Bemerkungen zum Thema Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0378

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Terror einer Zeitidee, wie ihn heute etwa die Pro-
pagierung eines sogenannten Maschinenstiis
darstellt.

Wenn man schon einen Wertmesser ange-
wandt wissen will, der nicht aus dem Künstleri-
schen selbst gewonnen ist, so ist weit besser, da-
für die Zweckmäßigkeit der Leistung zu nehmen.
Nicht nur in der Architektur dient die Zweck-
bestimmung als die Grundlage und als wesent-
licher Maßstab für die Beurteilung der Arbeit.
Auch auf jedem anderen Kunstgebiet ist die Vor-
stellung eines gedachten Zweckes (oder wenn
man den bloßen Nützlichkeitsstandpunkt ver-
meiden will: eines gedachten Anlasses) immer ein
heilsamer Zwang, eine bindende Grenzsetzung
gewesen. Es kann nur nicht ernsthaft genug ge-
warnt werden, einmal vor der schon oft und
immer noch nicht genug bekämpften Gefahr des
Akademismus, der sein Heil im Primat der soge-
nannten „richtigen" Naturabschilderung sieht, als
auch vor einem übertriebenen Kult des Werk-
stättenunferrichts, der durch Überbetonung des
Materialhaften und der handwerklichen Ge-
schicklichkeit den eigentlichen Sinn des Künstleri-
schen verwischt, dessen Sphäre in der Formulie-
rung seelischer Spannungen liegt oder in der
„Sichtbarmachung von Gesichtssinneseindrücken",
v/ie Gustav Britsch es formuliert.

Dieser hat in seinem bedeutenden Buch von der
„Theorie der bildenden Kunst" die Besonderheit
des Künstlerischen wie kein anderer noch klar-
gelegt. Kein Zeichenunterricht dürfte heute mehr
an seiner Methode vorübergehen.

Die Schulwerkstätten sollen wohl technische
Kenntnisse vermitteln, aber allgemein nicht mehr
als notwendig, um zu verstehen, wie sich das Er-

fundene im Material ausdrücken läßt. Höchstens
für einzelne ihrer Verbreitung nach beschränkte
Gebiete ist die alte Verbindung von erfinde-
rischer und technischer Arbeit noch in Geltung,
etwa bei der Handbuchbinderei, der Keramik,
Goldschmiedekunst, Handweberei oder so sel-
tenen Techniken wie Email und Intarsia.

Als weitere Stufe ist dann noch die Reform der
Zeichenlehrerausbiidung nötig. Wir werden im
Kunstpädagogen für unsere höheren und Volks-
schulen viel weniger den „Zeichenlehrer" nach
heutiger Vorstellung sehen müssen, als vielmehr
den Führer der Jugend in die ganze weite Weit
des Künstlerischen. Erst wenn der Zeichen-
unterricht an all unseren Schulen von dem natura-
listischen Drill der üblichen Schuimeisterei befreit
sein wird, ist ein echtes, reines künstlerisches Ge-
stalten, ist ein unvoreingenommenes Erfassen
dieses Geschaffenen durch das Volk wieder zu
erhoffen.

Was wir heute erleben, ist immer wieder ein
übergreifen Unberufener in die hohen Bezirke
der Kunst. Die vordringliche technische Gschaftl-
huberei der Typografen in der modernen Pro-
paganda ist schließlich ebenso unerquicklich wie
das zeichnerische Virtuosentum der Akademiker,
die mit der „Richtigkeit" ihrer Darstellungen die
Langeweile des modernen Daseins zu einer tät-
lichen machen.

Erst wenn der Ballast der Übererziehung,
der „Verbildung" beseitigt ist, werden wir des
ganzen Reichtums des Grafischen gewahr
werden, der jetzt durch ein scheinbares Gegen-
einander von Auffassungen und Richtungen ver-
dunkelt und verhüllt ist.

Bemerkungen zum Thema Werbung

HAN S N O W A K

In den Formen des Werbens bilden sich die
Formen des Wirtschaftens ab. Das fundamentale
Prinzip des kapitalistischen Systems, der in der
Philosophie des Naturrechts vorgebildete Satz
vom freien Spiel der Kräfte, wird nirgends deut-
licher manifest als in der Art der neuzeitlichen
Propaganda. Nichts ist natürlicher, als daß der
grundsätzlich individualistischen Haltung kämp-
fender Wirtschaftszellen eine Werbung ent-
spricht, die, von Fall zu Fall improvisierend, nur
die eine Regel für sich gelten läßt: die Wahr-
nehmung des Einzelinteresses dient dem Gesamt-
interesse. Oder wie es in der Werbedevise der
letzten großen Reklameschau hieß: „Reklame ist
der Schlüssel zum Wohlstand der Welt."

Jeder Versuch zu einer Systematik der Werbe-
methoden, sei es auf dem Wege über ein Re-
klameforschungsinstitut, sei es durch gewisse Leit-
sätze der Gesetzgebung, muß jeden skeptisch
stimmen, der sich jene Entsprechung zwischen
Wirtschaftsform und Werbeform klarmacht. So-
lange die Wirtschaft sich zum Prinzip der Elasti-
zität bekennt, solange muß die Propaganda
wesentlich elastisch bleiben; solange keine Pla-
nung, sondern nur jeweils eine Taktik besteht,
muß die Werbung nach wie vor „privat", das
heißt systemlos, bleiben.

Die Systemlosigkeit unserer Propaganda hat
es mit sich gebracht, daß die Wohnstätten und
Wege der Menschen des 20. Jahrhunderts zu

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