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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 50-75 März
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Kreisverküudigmigsblatt für üeu Kreis Heidelberg unü amtliches Verkündigungsblatt für die Amts- und Amts-
Gcrichtsbezirkc Heidelbcrg uud Wicsloch uuü den AmtsgerichtSbezirk Ncckargemünö.

M Sv Donnerstag, I März 18««.

* Politische Umschau.

Der klerikale „Monde", welcher bekanntlich
bishcr immer dem Absolutismus in Preußen
daS Wort redcte, äußerl über die Vorgange in
Preußen: „Die preußische Kammer ist vertagt,
die Session geschlossen. Herr v. BiSmarck be-
hätt daS letzle Wort durch ein sehr ejnfaches
Eerfahren; er schneidet seinen Gegnern die
Zunge ab. Wir glauben jcdoch nicht, daß dies
zur Klärung der Situation viel beitragen wird.
Preußen genießt eines parlamentarischcn Negi-
ments, allein diefer Genuß ist so kümmerlich
wic nur möglich. Warum dieser Widerstreit
zwischcn dem Necht und dop Thatsache? Wenn
Herr v. Bismarck stch stark gcnug glaubt, die
Last aücin.zu tragen und wenn Preußen damit
cinverstanden ist, so möge cr offen die Krone
Prenßcns zum absoluten Königthum erheben."

Der preußische „Staats-Anzeiger" vom 2?.
Februar enthält eine Bekanntmachung des
Ministeriums des Jnnern, Grafen zu Eulen-,
burg, durch welche die fernere Verbreitung der
„Neuen freien Presse" in Preußen verboten
wird.

Ein von Seiten der OpPosition zum Adreß-
entwurf des gcjctzgebenden Körpers in Frank-
reich eingebrachtcs Aprendement bezüglich der
Gasteincr Convention lautct: Allein, um daüer-
haft zu sein, muß dieser Friede ans der Ach-
tung des Nechts beruhen. Wir können nicht
sehen, daß man dieses Necht in Deutschland
verlctzte, ohne unsere Mißbilligung lant kund-
zugcben. Frankreich, das sich cS zum Nuhm
anrechnet, das Dogma der VolkSsouveränetät
wiedcr hergestellt zu haben, ist es sich selber
schuldig, gegen die Conventioncn zu protestiren,
in welchcn die Gewalt über die Völker verfügt.

Der kleine „Moniteur" findet heute sich zu
der Erklärung veranlaßl, daß, nach den Erklöl-
rungcn, welche der Cardinalstaatssecretär An-
tonelli auf Anfrage dcs sranzösischen Gesandten.
in Nom abgcgeben hat, die Prügclstrafe in dcr
päpstlichen Armee nicht bcstehs.

Mazzini ist zum Dcputirten in die italien.
Kammer gcwahlt worden.

Der gegcn die „Vcrschwörer im Friaul" zu
Venedig geführte Prozeß endigte mit der Ver-
urtheilung von 3 Angcklagten zu bjähriger
Eisenstrafe wegen Hochverraths; gcgen 49 fnns-
jährige; 15 Angeklagte wurden wegen Mangel
an Deweis und 3 als unschuldig freigclassen.

-f* Ernst Moritz Arndt.

Vortrag von Herrn Airchenrath vr. Schenkel.

(Fortfttzung.)

Immer weitrr wälzte sich die g'vße Armee, nicht
wie eine wachsende, sondern wie eine schmelzende
Lawine dahin; eS kam zur furchtbaren Schlacht
von Borodino, in Petersburg läutete man Sieges-
glocken, aber man wußte wohl, daß die Scklacht
vrrloren war, dann kam die Kunde von der Ein-
nahme MoskauS und dic weitere, daß die alte
heilige Stadt in Flammen stehe. Stein erhielt die
Depesche von dem Brande Moskaus, alS er sich
eben mit Arndt in einer fröhlichen Gesellschaft be-
fand; die Depesche macht auch auf die Anwesenden'
einen furchtbaren Eindruck. viele Gesichter erbleichen,
aber Stein ergreift das GlaS: Schenkt ein, stoßt
an, der Sieg ist unser! und elektrisch zuckte das
Wort durch alle Herzen — der Steg ist unser!

Noch bedurfte eS biS dahtn eines langen KampfeS,
nicht auf dem Schlachtfelb, sondern gegen daS weiche
Gemüth des Kaisers, daS von allcn Seiten um
Frieden bestürmt wurde, und erst als Kaiser Alrran-
der standhaft blieb, war der Steg unser.

Deutschland.

-f* Karlsruhe, 27. Fcbr. Verhandlungen
der zweiten Kammer über die Motion des Abg.
Eckhard, dic Einführung der Civilehe betr.
Fortsetzung.

B c ck fährt fort: Ein juristisches Mitglied
deS Hauses (Prestinari) habe geäußert: „eS
enlspreche dem Wesen der Ehe nicht, sie bloß
als ein privatrechtliches Verhältniß anfzufassen."
Dicse Aenßernng auS dcm Munde eines Ju-
riften müsse auffallcu; denn das gerade Gegen-
theil sei das Nichtige; nichts sci mehr privat-
rechtlicher Natur, d. i. des Menschcn eigcnstes
natürliches Recht, als die Schließung cincs
Ehebundes. Auch betone gerade daö altkatholi-
sche odcr kanonischc Necht diesen Eharakter dcs
ehelichen BündnisscS. DicS brückc schon die ka-
tholische Trauungsformel aus: mutrimonium
inter vo8 oontrrlotum eonllrmo u s. w.,
d. i. den Pfarrer erklärt das von zwei Perso-
nen verschiedenen Geschlcchts geschlossene
Bündniß zur ehclichen Gemeinschaft des Le-
bens und feiner Güter als zu Necht bestehcnd,
weil dieS Bündniß deu Bedingungen Nicht wi-
dersprechc, welche der Slaat oder die Kirche in
dieser Beziehung anfzustellen für gecignet hal-
ten. Die Tranung bestehe demnach ihrem
Wesen nach in nichts anderem als in der feier-
lichen Giltigkeitserklärung deffen, worüber Mann
und Wcib für sich übereingekommen. Die Trau-
ung sei demnach eine doppelte, eine bürgcrliche
durch das Organ des Staates und eine kirch-
liche durch daS dcr Kirche. Die erstere sci aber

lichc bedingt rtnd ohne welche letztere innerhalb
deS SlaatSgebieleS durchaus ungiltig sei. BiS-
her jeien beide Trauungen durch einc und die-
selbe Person, nämlich den zuständigen Pfarrer
ersolgt, der die bürgerliche Trauung nicht für
sich, sondcrn als Beaufti agter und Bevollmäch-
tigter der StaatSgewalt vollzog. Diese Vereini-
gung beidcr Funktionen in der Person deS
PfarrerS könne künftig nicht mehr stattfindcn,
weil die Geistlichcn in Folge der Freiheit und
Unabhängigkeit der Kirchen vom Staate auf-
hören müßten, als Organe des Staates zu
funktioniren; denn dieser habe über die Geist-
lichen und ihre amtlichen Handlungen keine Ge-
walt mehr und die Geistlichen selbst woüten
als solche dcm Staatc keine Autorität über sic
mehr zuerkennen. Es bleibe darum nichts übrig,

alS für diese wichtigen und für dic Wohlfahrt
deS Staates und seiner Angehörigen so ein«
flußreichen öffentliche Acte eigene dem Staate
verantwortliche Organe zu schaffen. Man habe
gesagt: mau solle mit Einführung der Civil-
trauung warten, bis etwa die oppositionelle
Haltung dcs CleruS gegen dcn Staat einem
friedlicheren Sinne gewichen. Dann müßte
man wohl wartcn biS zum jüngsten Tag; daS
Prinzip von der sogenannten Freiheit der Kirche
sei bis jetzt Niemand als der Kirche selbft zu
gut gekommen; dcm Staalc selbst sei bis. jetzt
darauS nur Streit und Hader erwachsen und
zwar deShalb, weil man staatlicher Seits auf
halbem Wege stehen blieb und das Prinzip in
seinen Conscquenzen nicht auch zum Vortheil
deS Staate's zur Geltung brachte. Ueberhaupt
sei man in einem großen Jrrthum betroffcn,
wenn man glaube, die Freiheit dcr Kirche werde
den Clerus versöhnlicher gegen die moderne
Ordnung deS StaatcS stimmen, jene Freiheit
werde nur dazu beitragen, die exclusiv-hierar-
chische Gcstaltung dcs CleruS und damit deffen
friedlichen Gegensatz zu den Anforderungen der
neuern Civilisation zu verstärken.

Für die Motion sprechen noch Huffchmid,
Pagenstecher, Heilig, Knies, v. Roggenbach,
lctzterer wenigstenS unter gewiffen Beschränkun-
°gen; dagegen erhoben sich Noßhirt, Haager,
letzterer jedoch nur, weil cr die facultative Ci-
viltrauung vvrzieht.

Staatsminister Stab el erklärt: Die Regie-
rung habe nichts gegen die Motion einzuwen-
den, sie sei viclmehr verdienstlich, weil sie das
richtige Verständniß dcr Frage zu fördern bei-
tragen werde. Die Civilehe habe man bereitS
in Baden; eS handle sich nur um die Tren-
nung der bürgerlichen von der kirchlichcn Trau-
ung; dcnn es könne nach biblifchcm AuSspruch
Nicmand zweicn Herren dienen. Jn gleichem
Sinne spricht sich StaatSrath Dr. Lamey
aus, dcr sich sür die vom Abg. Beck vorgctra-
gene Ansicht bezüglich der eigentlichen Bedeu-
tung der Frage crklärt. Nach dem Ncsume deS
MotionSstcllers erfolgte nach mehr als 3stün-
diger Verhandlung die Abstimmung, dercn Re-
sultat schon mitgetheilt ist

Gegen die Motion stimmcn die Abgg. Fede-
rer, Grimm, Haager, Kiejer, Prestinari und
Roßhirt.

-f-j- Aus Baden, 26. Febr. Die „Heidel-
bcrger Zeitung" hat neuerdingS mehrere be-

Am 5. Ianuar 1813 fuhr Arndt mit Stein in ;
einkm Scklittcn von Pktersburg ab; rS war rine !

Kanoncn/zcrschlagene Bagagewagen und verlorene
Waffen aller Ärt. In Wilna fand man alle
Spuren der Zcrstörung und Vcrwüstung, welche ,
die große Armee zurückgelassen.

Jn Königsberg erfuhren sie, was Uork gethan
am 30. Dec. 1812. Die Fesseln waren gesprengt,
die große Aera der Freiheitskriegc war eröffnet,
und mit einem Male brauste es durch^anz Preußen.
wie der Sturmwind elnes verjüngenden LebenS,
und vor Allem Königsberg, Ostprcußen ging voran,
und was hatte diese Provinz Alles gclitten. In
Folge drr Eontinentalspcrre war der Handel ge-
lähmt. Einquartirrungen, R.equifitlonen, Erpres-
sungen aller Art hatten der Provinz das Blut auS
drn Adern gctrieben, eine Mißernte war hinzu-
gkkommen, unv gleichwohl nur ein Hauch der
Brgristerung burch dte ganze Brvölkerung, Nur
ein Wille, nur ein Sinn: Laßt uns das Ioch
zerbrechen, lieber derr Tod alS die Knechtfchaft!

Das waren die Tagc, wo Deutschland wie ein

„übrr Landsturm unv Landwehr^, die auch Thaten,
nicht bloß Schriften gewrsen sind.

Der SoldatenkatechismuS ist in der Bibelsprache
geschrieben, aber kein Anflug von Frömmelei darin:
eS gibt jetzt nur eine Religion, daß wir unser Va-
terland über Allcs lieben und die Knechtschaft über
Alles hassen, und in der Schrift über Landwehr
und Landsturm: Auf ihr Männer alle vom 20.
biS zum 60 Zahr! Ihr vom 20. biS zum 36. Iahr,
sckließt euch der Armee an, und thr Andern, schützt
daheim den Herd, aber auch biS aufS Blut, und
den Gelrhrten, den Professoren rief er zu: Ihr
nehmt euch nicht gut aus in dcn Waffen, aber ihr
habt ein andereS Schwert in den Händen, das sind
eure Federn. Ietzt einmal gegen den Fkind eure
Fcdern gespitzt, und so AlleS voran, AlleS naH
einem Ztele hin.

Während des Waffenstillstandes, der auf den
Maifrldzug 1813 folgte, befand fich Arndt tn

Mensch kümmerte sich um thn, den Mißliebigen,
 
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