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Nr. 102 / 1. Jahrgang
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Breslau, 26. Auguſt Die Breslauer Neue-
ſten Nachrichten“ veröffentliden eine Unterre-
dung des Reichskanzlers Dr. Brüning mit dem
Berliner Chefkorrejpondenten der „United Preß“
Frederik Kubh. , Dr. Brüäning ſagt darin u. a.:
„Die Weltwirkfchaftskrije wird weiter gehen
_ und fih verfhärfen. Der einzige Ausweg be-
ftebt na meiner Anficht. in einem möglichft
engen Zujammenwirken, um dem Abgleiten der
Preife Einhalt zu tun. Die Kaufkraft Deukſch-
lands und Europas finkt, die Märkte ſchrumpfen
ein. Wenn ſich dieſe Entwicklung forkſeßt ſo
muß ſie zu einer Beſchränkung des Produktions-
apparate? in der ganzen Welt führen. Es iſt
unbedingt notwendig, daß die wirtſchaftlich ge-
Ichwächten Länder wieder in die Lage verſetzt
_ werden, zu kaufen. Das Berfkranuen in die ge-
jamte wirf{chaffliche Stabilität iſt erfchütfert.”
AUuf die Frage des Korrejpondenten, ob
Deukjchland und Defterreih, wenn das Out-
achten des Haager Gerichtshofes für ſie günſtig
ausfallen follte, die Zollunion ausführen wür-
den: „Wenn das Haaͤger Urteil für uns günſtig
ausfällt, fjo wird die Welt erkennen, daß
Denfkfehland das Weltproblem der Zoͤlle der Ls-
jung einen Schriff naͤher gebracht haf, Nach-
dem Deutfchland ſeine Bereitſchaft erklärt haf,
mif anderei Ländern über ähnliche Zollunionen
zu verhandeln, würden wir dann erwarlen, daß
uns die anderen Regierungen eine konſtrukkive
Löfung vorſchlügen.
„Der Reichstag wollle nur den ewigen
Streitereien über die Erſahbauten ein Ende
maͤchen aber die Reichsregierung hält ſich be-
züglich des Baues von 4 — nicht an
Daten gebunden.“ Ueber die vorausfichtliche
Lage im nächften Winker ſagke der Kanzler:
Ein unethörker Fall politiſcher Gewiſſen
loſigkeit heſchäfligt gegenwärtig die Beuthe-
ner polikiſche Polizei Dorkf wurden ſeit
_ einiger Zeit wichtige Akten und Schriftſtücke
vermißt, die wie es ſich herausſteilte durch
den Kriminalaſſiſtenken Wierzick an Polen
verkauft wurden. Dieſer ſonderbare Krimi-
naͤlaffiſtent, eine Leuchte der Beuthener S-
PD., deſſen Spezialgebiet in der „Ueber-
wachung“ nationalſozialiſtiſcher Verſamm-
lungen beſtand, ſteht weiter im Verdacht für
die polniſche Begierung gegen Bezahlung
Spionage betrieben zu haben. Seiner ver-
antwortlidhen Vernehmung hak ſich der ſau-
bere Hert durch die Flucht entzogen.
Bezeichnend iſt hieran wiedet mal, daß
die Hetzjournaille den Vorfall völlig ver-
jichweigtf. Man erinnere ſich im Vergleich
bierzu an die romanhaften Schilderungen
und Pamphlete, die von der Allſteinpreſſe
gegen die nakionalſozialiſtiſche Bewegung
ausgejpieen wurden, als ein pommerſcher
S.A.-Führer wegen Spionageverdacht ver-
haͤflet wurde. Gefliſſentlich unkerſchlug man
bierbei dann noch das Ergebnis der Unter-
juchung, welche die vollige Unſchuld des Na-
Tionalfozialiften feſtſtellen mußfe. Wo ez ſich
um einen SPD.-Mann handelt, der ſich der
Berantwortung durch feige Flucht enkzog,
hertfcht Schweigen im gaͤliziſchen Blätter-
walde!
Der deulſche Votſchafter in Moskau am
“ — Donnerstag in Verlin.
Berlin. Der deutſche Botjchafter in Mos-
kau, Dr. Dierkſen, trifft heute in Berlin
ein. Wie verlauket, wird der Bokſchafker
der Reichsregierung über die ruſſiſch· fran-
?öfiid)en und ruflifch-polnifchen Berhand-
ungen Bericht erſtatten. \
Katholikenverfolgungen.
Ernſte Unruhen in Nordſpanien.
London 25. Auguſt. Wie aus Madrid ge-
meldet wird, find ernfte Unruhen in Nordjpanien
3wijchen Anhängern der Regierung und den r6-
mi[cdh-kafholijchen Kreijen ausgebrochen. Die
Regierung fandie zwei weitere Kriegsichiffe und
weitere erhebliche Truppenmaſſen nach den has-
kijhen Provinzen, wo alle Garniſonen verdop-
pelf wurden. Die Katholiken halten überall im
Lande Proteſtverſemmlungen gegen die ge-
planten ankihirchlichen Bejtimmungen in der
neuen Berfajfung ab. In Barcelona wurden beim
Berlaffen einer folden Verſammlung verſchie
dene Kafholiken angegriffen und 13 von ihnen
verwundet. Auch in Burgos und Valeneia ſo-
wie Navarra kam es zu Zuſammenſtößen.
Strajverjahren gegen dreuitz
eingeltellt. |
Berlin Die Berliner Staaksanwaltſchaft
hat am Mittwoch das gegen den bisherigen
Vorſitzenden der Wirtſchafksparkei, Abge-
ordnefen Drewib, eingeleitete Stirafver-
fahren eingeſtellt! Orewitz war beſchuldigt
woͤrden, in ſeiner Eigenſchaft als Vorſttzen
der des Aufſichtsrates Unterſchlagungen und
Bilanzfälſchungen begangen oder geduldet zu
haben Der inkerne Krach wird alſo weiter-
gehen!
Für Deulſchland und die ganze Welt wird die-
jer. Winter mehr Schwierigkeiten bringen, als
man ‚in einem Jahrhundert erlebt hat. Indeſſen
bin ich hinſichklich Deutſchlends ſogar opfimi-
ſtiſch. Der Reichzhaushalt iſt im allgemeinen in
Ordnung. Ungeachtet der jüngſten Maßnahmen
und der darauf folgenden Mehreinnahmen ffie-
en dieſe Ausgaben infolge der Zunahme der
rbeitslofigkeit. Vielleicht werden wir in
Deutkfchland im nächſten Winker ſieben Mil-
lionen Arbeitsloſe haben.
*
_ Diejes Interview des Neichskanzlers ift
höchſt beunruhigend!
Die Erklärungen in Sachen Panzerkreuzer
und Zollunion ſind kaum anders als eine Bor-
bereifung der deukſchen Oeffenklichkeit auf den
ſchon beſchloſſenen doͤer doch beabſichtigken Ber-
3icht der Regierung zu werten.
Herr Brüning erklärfe „optimiftifch“ zu
jein in der Beurkeilung der Entwicklung
Deuffchlands und ſtellte feff, daß der Reichs-
haushalt „in Ordnung“ feil! Wieſo man
von Ordnung ſprechen kann, wo erſt kürzlich
amtlich ein ethebliches Defizit zugegeben wurde,
iſt uns unerfindlich und Herrn Brünings Opti-
migmus teilt höchſtens die Reichsregierung, wäh-
rend die Wirkjchaftk, ja das ganze Bolk, etwas
anders denkt!
Ein merhmürbi«gää Inkerview. Wir meinen,
es ſei nofwendig, es ſich ſehr genau einzuprägen.
Pleite bei Karſtadt?
Die Finanzen des Karſtadtkonzern werden
immer wackliger, zugleich kragen auch die Maß-
nahmen der Direktion zur Abwendung der
Pleite deutlich den Skempel der Verzweiflung.
So iſt die Verwaltung nicht in der Lage;, den
Genetalverſammlungsbeſchluß durchzuführen, der
die Gefellſchaft auf Koften der Aktionäre „fa-
nierte”, Eine Geſamkſumme von 10,2 Mil-
lionen ſoll durch die Anwendung der General-
verſammlungsbeſchlüſſe dem Konzern zufließen,
d. i eine Zuzahlung von 510,— AM pro Ahtie
Mit dem Ausfall dieſes Betrages ſtürzt jedoch
die lehte Bilanz völlig zulammen. Allzulange
wird man die endgülfige Pleite nicht mehr der
Oeffenblichkeik vorenthalten können.
Die Folgen der illegitimen Pettgenoſſen
ſchaft zbifehen Gewerkſchaften und dolitiſchen
Parteien, die den eigentlichen Aufgabenkreis
jabotierf, haf dem beuf?d)‘en Arbeiter die Augen
über. den eigentlichen Charakfer geöffnet. Die
ausfchließlich parteipolitiſchen 3Zwecken hörigen
Forderungen des Deufjchen Arbeifers 3zu
erfüllen. Die Geſchäftskriſe der Gewerk{chaften
für das vergangene Jahr Kkennzeichnet den
* ang der Mitgliederzahl.. GSelbftverftänd-
lih i
ring, denn keiner der jahre
ler wird auf die Rechte gegenü
ſchaftskaſſe verzichten. iel wichtiger aber iff
es, daß vor Allem der Zugang aus der jungen
Arbeiterfchaft vollkommen Afill liegt. Die jungen
ten
Die Geſamtmitaliederzahl des Allgemeinen
deutſchen Gewerkſchaftsbündes ging von ca, 5
Millionen Ende 1929 auf 4717000 Ende 1930
zurück. Der Rückgang beträgt annähernd 5
Prozent der SGefjamtkzahl. Der Mekallarbeiter-
verband hat naͤch eigenen Angaben 2,5 Prozent
jeiner Mikglieder verloren. Tratz alledem iſt
die finanzielle Grundlage der SGewerkichaften
keineswegs erſchütkert. Die SGefjchäftsteitung
verfteht im Gegenteil die „SGefahr“ des kapita-
liſtiſchen 2 viel zu guf, denn das
Heer der verdienken Bonzen will auch Beſchäf-
Filein in die SA
Oie englische Parallele.
„Jetzt, da es gilt, der wirtſchafklichen
Schwierigkeiken Herr zu werden und
Schlimmeres zu verhüten, kreken die po-
litijchen Gegenſätze zwiſchen rechts und
links immer {färker in den Hinkergrund.
Das gilt ſowohl für Mae Donald als auch
für die Führung der Oppoſikion, an de-
ren Halkung ſich manches andere Land
ein Vorbild nehmen könnte.“
(Germania, 25. 8. 31. Ar 197).
S.— Dieſer Saß zeigt — man fieht
direkt den lehthaft drohenden Finger — die
Meinung des Zenkrums über die „Pflich-
* der nakionalen Oppoſition in Deukſch-
and.
- Die „Germania“ lobt die jetzige Regie-
rungsbildung in England als eine Zuſam-
menfaſſung „aller zu ſachlicher Aufbauarbeil
bereiten Kräfte.
Die unausgeſprochene, aber für jeder-
mann erkennbare Schlußfolgerung iſt die:
Die deukſche Oppoſikion foll „{tillhalten“ und
ohne daß das Kabinett Brüning . zurück-
krete, es in ſeiner jehigen Zuſammenſetzung
ſtühen. Das geht auch aus den Erklärungen
Brünings auf der Stiuklfgarfer Tagung ein-
deulig hervor.
Man ſcheink im Zenkrum wirklich recht
einfällig zu ſein, wenn man dem Volk
vormachen will, die deukſche Zenkrumsfor-
derung bezüglich des Kabinetts entſpreche
4 Regelung in Eng-
and.
Sehen wir einmal zu, was
geſchah.
Es regierte die Labour-Pariy mit Unker-
Teiles der Liberalen. Sämt-
ſiche Miniſter gehörlen der Labour Party
an.
Mae Donald war in letzter Zeit offen-
ſichklich nicht mehr in der Lage, mif dem
hisherigen Kabinett gegen die undurchführ-
baren Wünſche der Gewerkſchaften zu re-
gieren. Selbſt aus dem Kabinett heraus
wurden ihm von ſeinen eigenen Kollegen
Schwierigkeiten gemachtk.
Nach kurzen Verhandlungen erklärke
das Kabinelt Mae Donald ſeinen Rüchtrikt,
der vom König angenommen wurde. Noch
nicht 24 Skunden ſpäter war die neue Re-
— wiederum unker Mac Donald als
iniſterpräſident mit der in England zur
7 gewordenen Schnelligkeit gebil-
2* A
* ſieht das neue, engliſche Kabinekt
in England
aus?
Dem engeren Fabinett gehören 10 Mi-
niſter, dem Geſamkkabinetk 19 Miniſter an.
Im engeren Kabinell ſind 4 Vertreter der
— 4 Konſervalive und 2 Libe-
rale, '
Das Geſamtkabinelt ſehk ſich zuſammen
aus 9 Verkretern der Konſervaliven, 4 der
Liberalen, 5 der Arbeiterparkei.
Beſonders erwähnenswerk iſt dabei, daß
die Atbeiterparteiler als Perſönlichkeiken
nicht als Vertreker ihrer Partei im Kabinett
ſihen, denn inzwiſchen hat Henderſon, der
bisherige Außenminiſter, die Oppoſilioͤn ge-
gen das neue Kabinell übernommen. Man
erwartef eine neue Spaltung der Arbeiter-
parfei, wobei damit zu rechnen iſt, daß die
überwiegende Mehrheit der Pariei hinter
Henderſon ſtehen, lediglich ein geringfügi-
ger Reſt bei Mac Donald verbleiben wird.
In nüchternen Worken gefagt, hat ſich
Aſo folgendes zugekragen: Das bisherige
Kabineft trat zurück und das nene Kabinetf
jeBt. fich in überwiegender Mehrzahl aus
Miniſtern zujammen, die den im alten Ka-