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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Fahrenkamp, Emil: Der Wille zur Sachlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0124

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XXXIV. JAHRGANG.

DARMSTADT.

APRIL 1923.

DER WILLE ZUR SACHLICHKEIT

VON PROFESSOR EMIL FAHRENK AMP

Wird der ernsthaft um die Vollendung seines
Wesens und Werkes ringende Architekt
heute nach seinem »Glaubens-Bekenntnis« befragt,
so werden seine Äußerungen, — wenn er die
Wahrheit sagt, — vielen wohl etwas schroff er-
scheinen. Und doch muß der Schaffende den Mut
haben, ehrlich seine Überzeugung zu bekunden . .
Ich habe folgendes zu sagen: Wir haben unter
den Baukünstlern wohl geschickte Talente, wir
haben opferbereite Bauherrn, — und doch wird
man das Gefühl nicht los: es wird wohl ständig
versucht, »Neues« zu schaffen, zu einer Einheit
aber gelangen wir nicht . . Auf der einen Seite:
allzu gewichtiges Hervorheben der Einzel-Per-
sönlichkeit; Unwesentliches wird künstlich wichtig
gemacht, und viel zuviel wird darüber geschrieben.
Auf der andern Seite: krampfhaftes Festhalten
an überlieferten Formen. Die Einen wollen immer
zeitgemäß »modern« sein, sie können nicht warten,
bis die Zeit selbst sich Ausdruck durch neue
Formen verschafft. Die Anderen aber wollen das
»Alte« und bleiben zögernd hinter dem Schritt
der Zeit zurück . . Ein anderes, einheitlicheres
Bild bietet hingegen die Welt der Technik. Täg-
lich erblicken wir wundervolle Werke, die unsere

Technik hervorbringt. Flugzeuge, Motorboote und
Kraftwagen sind in sachlich-technischer Arbeit zu
großer Schönheit gelangt. Von demselben festen
Willen erscheinen alle diese Formen geschaffen.
Wie können wohl wir Baukünstler zu dieser
»Sachlichkeit« uns zurückfinden? Nicht da-
durch, daß wir darauf ausgehen, immer neue Form-
Elemente aus den Kulturen des Ostens, aus dem
Mittelalter oder von anderswo herüberzuziehen,
— sondern nur durch starke ethische Kräfte,
strengere Forderungen an uns selbst und durch
einen ehrlichen Willen . . Zeigen wir in unserer
Arbeit, daß es uns nicht um das Äußerliche, nicht
um »Aufsehen zu machen« zu tun ist, sondern
um den Kern und das Kernhafte! Durch einen
gleichgerichteten, ehrlichen Willen würden wir
auch wieder zur einheitlicheren Formung, zur Ge-
meinschaft gelangen, wie sie in Epochen vor uns
bestand. Nicht im hemmungslosen Sich-Ausgeben
zeigt sich der Meister, sondern in weiser Zurück-
haltung. Ein Reiter, der sein Rennpferd am
Start in voller Schnelligkeit laufen läßt, erreicht
nie als erster das Ziel. Die Fähigkeit zum »Ver-
zicht« zeugt von Charakterstärke, durch »Weg-
lassen alles Uberflüssigen« entsteht das Schöne,

1938.IV. 1.
 
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