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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Lang, Hugo: Vom Farben-Empfinden: das Erleben der natürlichen Farben
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0377

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356

INNEN-DEKORATION

ARCH1T. LEO
NACHTLICHT
WOHNDIELE
IM HAUS W.

VOM FARBEN-EMPFINDEN

DAS ERLEBEN DER NATÜRLICHEN FARBEN

Die Farben-Erzeugung hat wohl in unserem Lande
eine Höhe erreicht, derzufoige die ganze Welt, im
Osten und Westen unsere Farbstoffe schätzt und ver-
wertet. Das Farben-Empfinden aber ist im Vergleich
damit noch recht unentwickelt geblieben. Wohl sind auch
in dieser Richtung Energien am Werk, diese erschöpfen
sich jedoch zur Zeit in einer Systematisierung und » Rege-
lung« der Farbtöne in einer bezifferten Anilinfarben-
»Orgel«, die der Wissenschaft und Technik, — nicht
aber dem Kunst-Schaffen, nicht dem Künstler dient. . .
Der künstlerisch sich weiter entwickelnde Mensch
sucht nicht ein abstraktes »Farben-Wissen«, sondern die
Verfeinerung seines Farben-Empfindens. Weit-
aus wichtiger als das Wissen, welche »Nummer« der
Skala ein Farbton sei, ist für ihn das Erleben der
Farbe in ihrem sinnlichen Wert und Wesen; nur dieses
Erlebnis ist für den künstlerisch Schaffenden fördernd.

*

In der alten, ostasiatischen Kunst, im alten ostasia-
tischen Handwerk finden wir diese Farben-»Empfind-
lichkeit« aufs Höchste ausgebildet, die uns heute als er-
strebenswertes Ziel vor Augen steht. Mit unerhörter
Feinfühligkeit wird dort das Wesen der Materialien, ihr
Härtegrad, ihr Charakter, die Art ihrer Oberflächen bis
in die letzten Schwingungen erspürt Mit unerhörter
Feinfühligkeit werden dort auch die Farbtöne nicht

in abstrakten »Begriffen«, sondern in ihrer vollkommenen,
materiellen Verkörperung bis in die letzten Schwing-
ungen mit den Sinnen erspürt und erlebt. Mit dem
»bleichen Glanz des Mondlichtes«, mit dem »Grün der
Zwiebelsprossen«, dem »Gelb gekochter Kastanien«,
dem Braun-violett der Aubergine-Frucht, mit der Farbe
eines Hasenfelles, einer Rebhühner-Brust, mit dem schil-
lernden Federkleid des Eisvogels, mit »gefrorenem
Speck«, der Schale einer Orange und dergl. wird dort
ein Farbton bezeichnet und anschaulich gemacht. . .



Und diese Art der Farben-Benennung, — welche die
Farbe nicht abstrakt, sondern in einer ganz bestimmten,
materiellen Oberflächen-Bindung in der Vorstellung
wachruft, ist für den künstlerisch Schaffenden die ein-
zig richtige Benennung; denn sie allein wirkt sich im
sinnlichen Empfinden direkt aus, sie allein setzt sich in
Farben-Gefühl und Farben-Aktivität um. Sie veranlaßt
und reizt auch, die natürlichen Farbtöne in ihrer
Vielfältigkeit, Kraft und Zartheit mit neuen Augen über-
all zu erfassen und zu erleben. Solches Erlebnis wird
dazu führen, den Mißbrauch einzudämmen, der von un-
zulänglichen und unkünstlerischen Kräften mit den un-
gedämpften Anilin-Tönen in falschen und unmöglichen
Farben-Zusammenstellungen getrieben wurde und wird.
Mit ungedämpften Farben operieren kann nur der fein-
 
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